Schutzzertifikate Einheitspatentgericht
Recht & Verwaltung16 Mai, 2023

Ergänzende Schutzzertifikate (SPC) und das Einheitspatentgericht (UPC) – Teil 1

Rechtsanwalt Dr. Jan Phillip Rektorschek, Partner bei Taylor Wessing (München)
Das Einheitspatentgericht (UPC) wird zum 1. Juni 2023 seine Tätigkeit aufnehmen und die exklusive Zuständigkeit für nicht-ausgeoptete Europäische Patente (EP) sowie neu angemeldete Einheitspatente (UP) haben. Für eine Übergangsperiode von zunächst sieben Jahren steht es Patentinhabern frei, EPs aus dem System auszuopten oder ausgeoptete EPs wieder einzuopten. Dieses Prozedere ist außerordentlich detailliert geregelt. So finden sich entsprechende Vorschriften in Art. 3, 30, 32 und 83 UPCA und der Regel 2 der Verfahrensordnung (RoP), welche die entsprechende Anwendung der RoP insgesamt auf SPCs erstreckt.

Demgegenüber bislang nur äußerst rudimentär geregelt ist allerdings der Umgang mit Ergänzenden Schutzzertifikaten (SPC), für die Art. 32 UPCA zwar regelt, dass das UPC auch für SPCs zuständig sei, es anders als bei Patenten jedoch – bislang – keine verbindlichen Regelungen für ein SPC mit einheitlicher Wirkung (Unitary SPC/U-SPC) gibt. Am 27. April 2023 wurde nun allerdings ein erster Vorschlag für die Regelungen eines solchen U-SPC veröffentlicht (COM(2023)221 und COM(2023)222 ). Dass dies erst jetzt geschieht, ist allerdings einigermaßen erstaunlich, denn ausweislich der bereits seit längerem bekannten Regelung des Art. 32 UPCA soll das UPC die Zuständigkeit sowohl für Nichtigkeitsklagen als auch für Verletzungsklagen bzgl. die klassischen, durch die nationalen Ämter erteilten SPCs haben.

Dieser Beitrag befasst sich in Teil 1 mit den allgemeinen Fragen und insbesondere auch der Historie des U-SPC, während sich Teil 2 sodann mit den Regelungen der Vorschläge COM(2023)221 und COM(2023)222 im Einzelnen auseinandersetzen wird.

I. Zuständigkeit

SPCs basieren grundsätzlich auf einem Grundpatent, d.h. einer vorhergehenden Patentanmeldung und können den Schutz in Kombination mit einer konkreten Marktzulassung um bis zu fünf Jahre verlängern. Dies ist unionsrechtlich geregelt in der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 (SPC-VO) sowie der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 (für Pflanzenschutzmittel) und wird durch die nationalen Ämter umgesetzt. Grundpatent können sowohl ein nationales als auch ein EP sein und zukünftig wohl auch ein UP. Die Marktzulassung kann grundsätzlich entweder eine nationale oder eine europäische Marktzulassung sein, wobei letztere ausschließlich bei pharmazeutischen Produkten zur Verfügung steht, nicht jedoch für Pflanzenschutzmittel.

Basiert ein bestehendes SPC nun auf einem EP, dürfte das SPC der Entscheidung für oder gegen ein Opt-In in das neue UPC-System folgen. D.h. wird das EP nicht ausgeoptet, ist das UPC sowohl für das Patent als auch das SPC zuständig, wird es hingegen ausgeoptet, bleibt es bei den aktuellen nationalen Zuständigkeiten. Dies gilt ausweislich Regel 5(2) RoP sowohl für solche SPCs, die bereits vor der Opt-Out Entscheidung erteilt wurden, als auch für solche, die erst danach (auf Basis eines ausgeopteten) Patents erteilt werden.

Da SPCs regelmäßig laufen, wenn das Grundpatent bereits abgelaufen ist, ist davon auszugehen, dass auch für solche bereits abgelaufenen EPs ein Opt-Out bzw. später ein Opt-In erklärt werden kann (Regel 5(2) RoP).

Regelungen für eine Trennung von Opt-Out und Opt-In für das Grundpatent und das SPC sind nicht erkennbar, was in praktischer Sicht insbesondere dann eine Rolle spielen kann, wenn das Grundpatent bereits Gegenstand eines Verfahrens ist (entweder vor dem UPC oder vor einem nationalen Gericht).


II. Praktische Umsetzung

In praktischer Hinsicht bedeutet das, dass das UPC potentiell mit Verletzungsklagen und entsprechenden Nichtigkeits(-wider-)klagen bezüglich rein national und dezentral erteilter SPCs zu rechnen hat. Dies wird insbesondere dann praktische Schwierigkeiten mit sich bringen, wenn die Anmeldung und Eintragung von mehreren SPCs bei den nationalen Ämtern unterschiedlich verlaufen ist und – konsequenterweise – auch beim UPC zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann und gegebenenfalls auch muss. Rechtsgrundlage für die Prüfung von Verletzung und Rechtsbestand dürfte die SPC-VO sein, konkretere Regelungen bzgl. des Verfahrensablaufs gibt es insoweit nicht, sodass dieser sich erwartungsgemäß an demjenigen für Patente richten wird.

III. Ausblick: SPC mit einheitlicher Wirkung (U-SPC)

Die Europäische Kommission hatte bereits im Frühjahr 2022 Konsultationen durchgeführt hinsichtlich der Frage der Schaffung eines SPC mit einheitlicher Wirkung (U-SPC), deren Ergebnisse nun in den Vorschlägen COM(2023)221 und COM(2023)222 aufgegangen sein dürften.

Fragen, die im Vorhinein zu diesem Vorschlag diskutiert wurden, und die es auch in praktischer Hinsicht zu beantworten galt, befassten sich insbesondere mit den folgenden Themen:

  • Ganz maßgeblich dürfte zunächst die Frage des Schutzumfangs sein, denn wir vorstehend bereits ausgeführt, verlangt die SPC-VO nicht lediglich ein Basispatent, sondern eben auch eine entsprechende Marktzulassung. Marktzulassungen müssen jedoch nicht zwingend in allen Mitgliedsstaaten gleichermaßen bestehen, sondern können auch nur für bestimmte Mitgliedsstaaten und/oder lediglich auf nationaler Ebene bei den nationalen Arzneimittelbehörden beantragt werden. Wurde beispielsweise ein Basispatent nur in den Ländern NL, DE und FR aufrechterhalten, eine Markzulassung aber bloß in den Ländern DE, IT und BE beantragt und erteilt, würde auch das U-SPC allein für Deutschland Wirkung entfalten können, denn DE ist das einzige Land, in dem sowohl Basispatent als auch Marktzulassung bestehen.

  • Weiterhin sollte wohl abschließend geklärt werden, welche Behörde für die Erteilung zuständig sein soll. Bislang sind dies ausschließlich die nationalen Ämter, eine dem EPA entsprechende zentrale Anmelde- und Erteilungsbehörde für SPCs gibt es bislang nicht. Diskutiert wurden daher, auch die U-SPCs dem EPA zu übertragen (was nun auch die Vorschläge COM(2023)221 und COM(2023)222 wiederspiegelt), wobei alternativ auch das EUIPO, die EMA oder eine völlig neue europäische SPC-Behörde diskutiert worden sind. In jedem Fall dürfte davon auszugehen sein, dass der Aufbau und die Ausstattung entsprechender Zuständigkeiten einige Zeit in Anspruch nehmen werden.

  • U-SPCs sollen sowohl für pharmazeutische Produkte zur Verfügung stehen (Vorschlag COM(2023)222), als auch für Plant Protection (COM(2023)221). In letzterem Fall wurde häufig angebracht, dass wohl eine gänzlich neue Zulassungsmöglichkeit auf europäischer Ebene geschaffen werden müsse, da die aktuellen Regelungen für einen europäischen Schutz nicht ausreichten.

  • Zuletzt stellte sich naturgemäß die Frage, ob mit der Möglichkeit einer Doppelpatentierung auf nationaler und UP-Ebene auch eine Doppelanmeldung von U-SPC und klassischem, nationalen SPC möglich werden soll.

Auch wenn der nun veröffentliche Vorschlag diese und zahlreiche andere Punkte adressiert, wird damit zu rechnen sein, dass es noch umfassende Diskussionen geben wird, insbesondere zu den sodann anstehenden Detail-Aspekten etwa des Erteilungsverfahrens, Prüfungsmaßstabs und den Kosten des Verfahrens.

IV. Fazit und Ausblick

Da es vom Gesetzgeber sowohl in UPCA als auch den RoP bereits vorgesehen ist, dem UPC die Zuständigkeit für SPCs zu übertragen, ist davon auszugehen, dass beabsichtigt ist, die Vorschläge zeitnah in ein verbindliches Regelwerk für U-SPCs umzusetzen. Das Inkrafttreten wird allerdings sehr wahrscheinlich erst nach dem Start des UPC zu erwarten sein, sodass es spannend zu sehen sein wird, wie die Gerichte in der Zwischenzeit mit den entsprechenden Verfahren umgehen.

Die Details der Vorschläge für das U-SPC werden sodann in Teil 2 dieses Beitrags diskutiert.
Bildnachweis: NINENII/stock.adobe.com
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