Restschuldbefreiung_Datenspeicherung
Recht & Verwaltung27 Juli, 2022

OLG Schleswig: Wie lange dürfen Auskünfte zur Kreditwürdigkeit die Restschuldbefreiung enthalten?

Ass. iur. Thomas Reck | Bremen
Im Urteil vom 03.06.2022 -17 U 5/22- setzt sich das OLG Schleswig mit einer für (ehemalige) Schuldner ausgesprochen bedeutsamen Frage auseinander: der Speicherungsdauer von Informationen über das Insolvenzverfahren bei Wirtschaftsauskunfteien nach Erlangung der Restschuldbefreiung oder anderweitigen Entschuldung.Der Entscheidung des OLG Schleswig liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das vormalige Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers war nach Bestätigung des Insolvenzplans gemäß § 258 InsO aufgehoben worden. Die beklagte Wirtschaftsauskunftei hielt diese Information auch noch mehr als sechs Monate nach der Aufhebung des Verfahrens und deren Veröffentlichung im Internet in den bei ihr gespeicherten Bonitätsinformationen vorrätig. Der Kläger machte geltend, dass er wegen der Beauskunftung dieser Daten bei angestrebten Vertragsabschlüssen im privaten und beruflichen Bereich erhebliche Nachteile bis hin zum Nichtzustandekommen eines Vertrages gehabt habe.
 
Die auf die Löschung der Daten gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Das OLG Schleswig gab in der Berufungsinstanz dem Begehren des Klägers statt und ließ die Revision zu.
 
Im Kern geht es dabei um die Frage, welche Auswirkungen die Datenlöschung in den amtlichen Insolvenzveröffentlichungen auf die Verarbeitung dieser Daten durch Dritte hat. Auf der Internetseite insolvenzbekanntmachungen.de veröffentlichte Daten aus einem Insolvenzverfahren sind nach § 3 Abs. 1 S. 1 InsBekV spätestens sechs Monate nach Aufhebung des Verfahrens zu löschen. Für Wirtschaftsauskunfteien gibt es nach Wegfall der früher in § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 BDSG a.F. geregelten Frist von drei Kalenderjahren für erledigte unstreitige Sachverhalte keine der Zeit nach ausdrücklich bestimmte Vorgabe für die Löschung mehr.
 
Das OLG Schleswig bejaht einen Löschungsanspruch des Klägers gemäß Art. 17 Abs. 1 lit.d) DSGVO wegen unrechtmäßiger Verarbeitung personenbezogener Daten. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO an der Datenverarbeitung verneint der Senat, soweit sich diese über einen längeren Zeitraum erstreckt als die zulässige Speicherungsdauer nach der InsBekV. Anderenfalls werde das beabsichtigte gesetzgeberisch gewollte und vorgesehene Ziel des wirtschaftlichen Neustarts für den Schuldner beeinträchtigt.
 
Damit hat das OLG Schleswig seine bereits im Urteil vom 20.07.2021 -17 U 15/21- dargelegte Rechtsauffassung bekräftigt. Mehrere andere Oberlandesgerichte vertreten dazu jedoch eine andere Auffassung. So ging zuletzt das Kammergericht im Urteil vom 15.02.2022 -27 U 51/21- davon aus, dass das Interesse an der Gewinnung von Informationen zur Kreditwürdigkeit eines (ehemaligen) Schuldners sein Eigeninteresse überwiege, nicht mehr mit der Insolvenz und Restschuldbefreiung in Verbindung gebracht zu werden. Das Oberlandesgericht Köln im Urteil vom 27.01.2022 -15 U 153/21- und das Oberlandesgericht Oldenburg im Urteil vom 23.11.2021 -13 U 63/21- nahmen noch weitergehende Gründe dafür an, dass die Restschuldbefreiung eine für Bonitätsprüfungen bedeutsame Information darstelle: Diesem Umstand lasse sich das Fehlen verwertbaren Vermögens entnehmen. Ferner wird aus dem Vorhandensein der Restschuldbefreiung gefolgert, dass es dem Schuldner während des Verfahrens nicht gelungen sei, seine Verbindlichkeiten zu tilgen. Das erscheint inhaltlich deutlich zu weitgehend, denn nicht vorhandenes verwertbares Vermögen stellt keine Indikation für eine Insolvenzsituation dar, sondern kann sich auch ganz einfach daraus ergeben, dass keine entsprechenden Anlagen getätigt worden sind. In Bezug auf den Umfang während des Insolvenzverfahrens geleisteter Zahlungen kann dem Schuldner auch nicht vorgehalten werden, dass keine Vollbefriedigung der Gläubiger erreicht worden ist. Natürlich kommt es ab und an dazu, das stellt aber den Ausnahmefall dar. Regelhaft kann ein solches Ergebnis nicht erwartet werden, schon wegen der zunächst zu begleichenden Verfahrenskosten und seit der letzten Verkürzung der Abtretungsfrist auch angesichts der im Raum stehenden Zeit von nur noch drei Jahren.
 
Für Betroffene wird daher wohl erst eine noch ausstehende Entscheidung des BGH zum Umgang mit der Speicherungsdauer bei Wirtschaftsauskunfteien Klarheit bringen, in welcher Weise sie auch nach der Löschung in den amtlichen Veröffentlichungen mit dem Insolvenzverfahren konfrontiert werden können.
 
Thomas_Reck

Ass. iur. Thomas Reck

Jurist beim Senator für Finanzen in Bremen
2010-2018 Tätigkeit als Rechtspfleger in Bremen
ab 2011 ausschließlich im Bereich Insolvenzen
Veröffentlichungen in der ZVI
Mitautor bei

  • Schmidt, Privatinsolvenzrecht
  • Henning/Lackmann/Rein, Privatinsolvenzrecht
Bildnachweis: khwanchai/stock.adobe.com
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