Online-Leitungscoaching
Recht & Verwaltung15 Februar, 2022

Online-Leitungscoaching

Annika Gels und Svenja Rastedt | nifbe am Standort NordWest in Emden

Gelingensbedingungen und Herausforderungen für die Umsetzung – ein Praxisbeispiel 

Die Corona-Pandemie hat auch das Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) vor ganz neue Herausforderungen bei der Durchführung seiner aktuellen Qualifizierungsinitiative »Vielfalt leben – Demokratie stärken« zur Unterstützung des frühpädagogischen Feldes gestellt. Als Vorteil hat sich dabei herausgestellt, dass das nifbe bereits seit vielen Jahren in Niedersachsen flächendeckende Qualifizierungsinitiativen (QI) mit unterschiedlichen Präsenzformaten durchführt und sich dafür landesweit mit Akteuren im Feld vernetzt hat. In kurzer Zeit konnten daher flexible digitale Maßnahmeformate angeboten werden so auch ein digitales Leitungscoaching für die in der Pandemie besonders geforderten Kita-Leiter*innen.

Die Idee zu einem Online-Leitungscoaching entstand im Austausch mit den nifbe-Prozessbegleiter*innen Tino Schwarz (Syst. Coach und Supervisor (DGSv/DGfC)) und Bianka Ledermann (Syst. Coach) und den Transfermanager*innen der regionalen Transferstelle NordWest in Emden Annika Gels und Svenja Rastedt im Frühjahr 2020. Gemeinsam wurde zwischen Juni und September 2020 ein Konzept zum Online-Coaching entwickelt, welches in den darauffolgenden vier Monaten innerhalb zweier Pilotprojekte erprobt wurde. Sowohl die Entstehung als auch die Umsetzung des Konzepts geschah in Kooperation mit der Ev. Familien-Bildungsstätte in Emden unter Mitarbeit von Carsten Bergstedt (Leitung Ev. Familien-Bildungsstätte Emden-Leer).

Die Rahmenbedingungen für das Konzept zum Online-Leitungscoaching basieren dabei auf dem Format »Vielfalt gestalten – Leitungskompetenz stärken«, welches seit März 2018 in der Qualifizierungsinitiative des nifbe als Präsenzformat durchgeführt wird. Bei der Übersetzung des Präsenzformats in eine virtuelle Umgebung sollten von den erfolgreichen Rahmenbedingungen und Erfahrungen des ursprünglichen Formats so viele konzeptionelle Grundprinzipien wie möglich übertragen werden. Nachstehend wird von den Erfahrungen mit Online-Leitungscoachings und welche Herausforderungen und Gelingensbedingungen die Durchführung mit sich bringt berichtet.

Der Umfang des Online-Leitungscoaching wurde mit 12,5 Unterrichtseinheiten angesetzt, die auf sechs Termine mit jeweils zwei Unterrichtseinheiten aufgeteilt wurden. Die Zeitdauerder einzelnen Treffen wiesen mit zwei Unterrichtseinheiten eine knapp bemessene Länge auf. Die Anzahl der Termine , sechs an der Zahl, machten das Coaching kompakt durchführbar und planbar für die Teilnehmenden. Das Online-Coaching wurde im Vergleich zum Präsenzformat dabei auf eine maximale Teilnehmerzahl von sechs Personen reduziert. Die Termine waren den Teilnehmenden im Vornherein bei der Anmeldung bekannt und wurden nicht, wie sonst auch üblich, gemeinsam in der Gruppe vereinbart. Im Gegensatz zum Präsenzformat an dem meist Kita-Leitungen einer Region teilnehmen, ermöglichte das Online-Leitungscoaching eine überregionale Teilnahme . Der Wegfall von Fahrtzeiten , die sich im Nordwesten Niedersachsens im ländlichen Raum nicht selten zwischen 30–60 Minuten erstrecken, bedeutete mancherorts für die Teilnehmenden eine erhebliche Zeitersparnis .

Zur Unterstützung der Kommunikation und Organisation der Maßnahmen wurde die Lernplattform »ilias« der Ev. Familien-Bildungsstätte verwendet und als ursprünglich angedachtes Videokonferenzsystem »BigBlueButton« genutzt, welches aufgrund von Technikproblemen in einer Maßnahme durch »Zoom« ersetzt wurde. Weitere Probleme ergaben sich durch ausbaufähige digitale Kompetenzen und viele Unsicherheiten im Handling digitaler Medien aufseiten der Teilnehmenden (z.B. Funktionsweise einer Videokonferenz, Versendung von Dateien, fehlendes Grundverständnis der Funktionsweisen unterschiedlicher Standardprogrammen etc.). Die Prozessbegleitungen schildern, dass es sinnvoll war vorab Informationen über die technischen Anforderungen an die Teilnehmenden zu versenden, mit der Aufforderung ihr technisches Setting und Handling vor Beginn des ersten Termins zu überprüfen und sich beim ersten Termin evtl. eine technikerfahrene Person zur Seite zu stellen. Umso wichtiger war es dann auch am Anfang der ersten Termine einen Technikcheck durchzuführen und die benötigte Technik zu erklären.

Die Vorbereitung der Teilnehmenden auf die technische Umsetzung des Formats trug dann auch ein Stück weit und entgegen vieler Vorurteile zu einer angenehmen Atmosphäre bei . Auch die Bereitstellung von Videos in denen sich die Prozessbegleitungen vorab persönlich vorstellen und das Format erläutern, stimmte die Teilnehmenden positiv ein. Diese Vorbereitungen und die zugesandte »Netiquette« haben zu Beginn der Maßnahme für einen sicheren Rahmen gesorgt, der Vertrauen und Verbindlichkeit geschaffen hat. Während des ersten Termins haben sich Prozessbegleitungen und Teilnehmende miteinander mithilfe kleiner Einführungen in den virtuellen Raum, anfänglicher Kennlernrunden und eines Kleingruppenaustauschs in sog. Breakout-Sessions (Speeddating-Methode) eingestimmt. Außerhalb der virtuellen Räume oblag es allerdings den Teilnehmenden, ihre Umgebung und Atmosphäre angenehm zu gestalten. Und hier zeigt sich dann auch, dass sich Online-Leitungscoachings als teilweise störungsanfälliger darstellen können als Coachings in Präsenz. Dabei hängt es vor allem von der Selbstorganisation der Teilnehmenden ab, ob sie sich für die Termine eine störungsarme Umgebung einrichten können. Telefonanrufe oder im Büro spontan auftauchende Personen führen dazu, dass Teilnehmende das Meeting kurzzeitig verlassen müssen und aus dem Prozess herausgeholt werden. Eine Teilnahme aus dem Büro der Kita-Leitung in ihrer Einrichtung erwies sich dabei oftmals als störungsanfälliger als eine Teilnahme von zuhause aus.

Eine wichtige weitere Gelingensbedingung lag in der großen Offenheit der Teilnehmenden in Bezug auf die digitale Realisierung des Formats und die Neugierde auf den Prozess. Diese große Offenheit kann auch auf die überregionale Teilnehmerschaft zurückzuführen sein, die anders als bei Teilnahmen in der eigenen Kommune oder Gemeinde mit einer gewissen Anonymität einherging. Trotz dieser Anonymität entstand in jeder Maßnahme ein gewisses Vertrauen unter den Teilnehmenden, das wahrscheinlich auch durch die kleine Gruppengröße gefördert wurde. Das Wechselspiel zwischen Offenheit, Vertrauen und Anonymität ermöglichte es dann auch sich sachlich auf sein Gegenüber einzulassen, seine eigenen Persönlichkeitsanteile, Überforderungen und Ansprüche zu reflektieren und an der eigenen Haltung zu arbeiten. Der niedrigschwellige überregionale Austausch förderte zudem eine Auseinandersetzung darüber, welche Möglichkeiten und Grenzen andere Einrichtungen von ihren Trägern und Kommunen zur Verfügung gestellt bekommen. Dies wurde von den Teilnehmenden als großer Gewinn bezeichnet.

Bei den Durchführungen der Coachings haben sich die gemeinsamen Themen im Prozess entwickelt . Dadurch konnten die Prozessbegleitungen und die Gruppe flexibel auf neu entstandene Anliegen reagieren und diese bearbeiten. Dies schien von besonderer Wichtigkeit, da die Umstände der Pandemie in relativ kurzer Zeit gewisse Dynamiken entwickelten, die Kindertageseinrichtungen und vor allem Kita-Leitungen vor neue und ungewohnte Herausforderungen stellte.

Die Themen und Anlässe der Teilnehmenden, die sie in das Coaching eingebracht haben, waren deswegen zum einen verursacht durch die speziellen Umstände der Corona-Pandemie. Die dahinterliegenden Probleme, Schwierigkeiten und Irritationen waren zum anderen nicht untypisch für die Umstände und Herausforderungen, denen Kita-leitungen im bestehenden System und in der eigenen Auseinandersetzung mit der Führungsrolle begegnen. Als Themen wurden Unsicherheiten im Team und Unterstützung des Teams, Elternarbeit (sozioökonomische Lebenslagen von Familien), Flexibilität während der Corona-Pandemie (Anordnungen, Zuständigkeiten, etc.), Umsetzung pädagogischer Konzepte und Prinzipien unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen, Konfliktmanagement und Reflexion der Leitungsrolle bearbeitet.

Insgesamt zeigten sich die Teilnehmenden froh darüber, dass es aufgrund der pandemischen Einschränkungen überhaupt möglich war sich beraten zu lassen und schätzten auch das effektive Arbeiten im virtuellen Raum . Unter den zu der Zeit geltenden Hygienevorschriften haben sie lieber an einem Online-Coaching teilgenommen, als unter Einhaltung der bestehenden Verhaltensregeln in einem Präsenz-Coaching (Abstand halten, Hygienevorschriften, Masken tragen). Zudem waren die Teilnehmenden überrascht darüber, dass es möglich ist sich online so nachhaltig beraten zu lassen und hatten sich das digitale Setting problematischer vorgestellt. Die Nebengespräche und Small-Talks, die während der Pausen in Präsenzveranstaltungen entstehen, haben die Teilnehmenden hingegen vermisst.

Auch aufseiten der Prozessbegleitungen müssen in Bezug auf die Umsetzung und Vorbereitung einige Dinge beachtet werden, z.B. im Hinblick auf die Kommunikation. Natürlich ist es für Prozessbegleitungen auch in Präsenzcoachings wichtig klar und präzise zu kommunizieren . Dies scheint in virtuellen Settings aber noch ein Stück bedeutsamer zu sein, da die Prozessbegleitung die eigene Gestik und Körpersprache während des Prozesses weniger nutzen kann. Deswegen müssen bestimmte Handlungen verbalisiert werden, anstatt sie mithilfe der Körpersprache zu kommunizieren. Herausfordernd war, dass die Prozessbegleitungen mehr Informationen aus der Gesichtsmimik der Teilnehmenden ablesen muss und nicht am Gesamtbild der Körperhaltung. Besonders schwierig war es zudem, wenn Teilnehmende keine Kamera-Option zu Verfügung hatten und nur die Stimme einer Person anwesend war.

Prozessbegleitungen müssen in einem virtuellen Raum ihr Handwerkszeug und ihre Methoden verändern oder teilweise darauf verzichten. Bestimmte Methoden, die im Coaching angewandt werden (Arbeitsblätter, Literatur, das Festhalten wichtiger Aussagen auf der Flipchart, Rollentausch, Selbstbildnisse, Aufstellungen, Stuhltausch für Perspektivenwechsel etc.) sind dabei geeignet in den virtuellen Raum übersetzt zu werden, nehmen für die Übersetzung allerdings eine gewisse Vorbereitungszeit in Anspruch. Skalierungen scheinen z.B. mithilfe einer Whiteboard-Option im Konferenzsystem gut umsetzbar zu sein und auch die Arbeit mit Bildkarten oder sogar eigenen Fotos kann in der virtuellen Umgebung und unter Beherrschung der Technik sehr gut funktionieren. Übungen, die sich nicht für die Übersetzung in den virtuellen Raum eignen, eignen sich eventuell als individuelle Aufgabe.

Fazit

Online-Leitungscoachings durchzuführen, war in der Corona-Pandemie eine gute Alternative zu Präsenzformaten, um Kitaleitungen in dieser herausfordernden Zeit zu unterstützen. Online-Leitungscoachings funktionieren dabei unter Beachtung der o.g. und nicht abschließend beschriebenen Gelingensbedingungen und Stolpersteinen optimal. Vor allem die Offenheit aufseiten der teilnehmenden Kitaleitungen ermöglicht es die digitalen Interaktionshilfsmittel auch über die Pandemie hinaus nutzbar zu machen. Auch in den (pädagogischen) Arbeitsbezügen einer Kita könnten vor allem computergestützte, synchrone Videointeraktionen zukünftig genutzt werden, und zwar dann, wenn der persönliche Kontakt aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich und/oder wenn dadurch für die Beteiligten eine gewisse Niedrigschwelligkeit und Flexibilität hergestellt wird (z.B. online Elternabende, Elterngespräche mit getrenntlebenden Eltern, Teamgespräche, Beratungsgespräche mit nicht ortsansässigen Trägern etc.). In welchen Fällen sich bspw. computergestützte, synchrone Videointeraktionen anbieten und welche Kriterien dafür oder dagegen sprechen, muss das Fachfeld zukünftig diskutieren, aushandeln und ausprobieren, um im besten Fall informierte Entscheidungen treffen zu können. Die kollektiven Erfahrungen eines beträchtlichen Anteils pädagogischer Fachkräfte und Kita-Leitungen mit den Möglichkeiten der digitalen Kommunikations- und Interaktionsformen während der Corona-Pandemie werden dazu führen, dass diese in Zukunft nicht mehr aus dem Kita-Bereich wegzudenken sind. Kitaleitungen und pädagogische Fachkräfte müssen für eine professionelle Anwendung digitaler Kommunikationsmöglichkeiten schon jetzt systematisch fort- und weitergebildet und durch ihren Träger in der Einrichtung technisch ausgestattet werden.

Bildnachweis: pikselstock/adobe.stock.com
Kita_ND_2021_12_Gels_Autorin.jpg
Annika Gels
Arbeitet seit 2015 bei nifbe am Standort NordWest in Emden. Hier arbeitet sie intensiv mit unterschiedlichen Akteuren aus der Frühpädagogik zusammen und steht Trägern und Kommunen beratend zur Seite.
Kita_ND_2021_12_Rastedt_Autorin.jpg
Svenja Rastedt
Arbeitet seit 2017 für nifbe am Standort NordWest in Emden. Hier arbeitet sie intensiv mit unterschiedlichen Akteuren aus der Frühpädagogik zusammen und steht Trägern und Kommunen beratend zur Seite.

Erfahren Sie mehr

Dieser Artikel ist Teil unserer Fachzeitschrift KiTa aktuell. Wenn Sie weitere spannende Artikel lesen möchten, abonnieren Sie jetzt eine unserer sechs Regionalausgaben. In einem praxisbezogenen Mix aus aktuellen Berichten zu Personal-, Rechts- und Leitungsfragen, Trends und Meinungen erhalten Sie als Leitung, Fachkraft oder Träger der Kindertagesbetreuung monatlich kompetentes Fachwissen rund um das professionelle Kita-Management.
Jetzt abonnieren
UNsere Fachzeitschrift
KiTa aktuell

Erhalten Sie monatlich kompetentes Fachwissen rund um das professionelle Kita-Management.

Back To Top