Vor rund einem Jahr launchte Wolters Kluwer mit CaseWorx Baurecht nicht einfach ein neues digitales Produkt zur effizienteren Bearbeitung komplexer Baurechtsmandate, sondern initiierte damit so etwas wie die Neuerfindung der digitalen Fallbearbeitung im Baurecht. Grund genug, einmal nach den Reaktionen im Markt und dem aktuellen Stand der Dinge zu fragen – und auch danach, wie es mit dem CaseWorx-Prinzip weitergeht. Auskunft gibt dazu Bernhard Münster, Business Manager Legal Digital bei Wolters Kluwer Deutschland.
Was ist das Besondere an CaseWorx Baurecht?
Die Grundidee von CaseWorx Baurecht ist, dass das Programm Informationen strukturiert. Baurechtsmandate können sehr schnell sehr komplex werden mit vielen Beteiligten, Fristen und einer großen Menge an Dokumenten. Das macht ihre Bearbeitung besonders kleinteilig und aufwendig. Und genau hier setzen wir mit CaseWorx an: Sämtliche zum Mandat gehörenden Dokumente werden digitalisiert und in das System gestellt. Eine hoch spezialisierte Texterkennung liest die Dokumente aus und analysiert sie. Mithilfe unterschiedlicher Filteroptionen bringt CaseWorx Baurecht sie dann in den jeweils gewünschten Zusammenhang. So lassen sie sich etwa auf einer Zeitachse darstellen, nach einzelnen Gewerken oder Personen oder auch nach Dokumentenarten filtern. Das führt dazu, dass man mit einem Mausklick immer alle für einen Aspekt relevanten Dokumente im Zugriff hat. Darüber hinaus lassen sich zum Beispiel Notizen in die jeweiligen Dokumente einfügen, filterbare Markierungen setzen, Aktenauszüge erstellen, aber auch noch vieles mehr. Besonders interessant ist der Soll-Ist-Vergleich des Baufortschritts oder die einfache Gegenüberstellung der eigenen mit der Argumentation der Gegenseite – alles extrem praxisorientiert und intuitiv bedienbar.
Wie kann die Implementierung von CaseWorx im Kanzleialltag in der Praxis am besten und erfolgreich umgesetzt werden?
Die Entscheidung für CaseWorx hängt natürlich in erster Linie am Mindset der jeweiligen Kanzlei. Die Erkenntnis, dass eine digitalisierte Arbeitsweise vorteilhaft ist, muss grundsätzlich erst einmal vorhanden sein. Selbstverständlich begleiten wir die Kanzleien intensiv bei der Einführung mit Online-Seminaren und persönlicher Betreuung – digital und auch vor Ort. Wenn gewünscht, übernimmt Wolters Kluwer – natürlich unter Einhaltung sämtlicher rechtlicher Normen – die Dokumentendigitalisierung.
Es kann für Kanzleien auch empfehlenswert sein, nur neue Mandate einzupflegen und Altmandate wie bisher zu bearbeiten. So wächst der Anteil der Mandate in CaseWorx kontinuierlich, die alte Arbeitsweise schleicht sich allmählich aus. Für eine Übergangszeit fährt man also zweigleisig, senkt damit aber den Aufwand und auch die psychologische Hemmschwelle für die Umstellung enorm. Diese Übergangszeit ist natürlich abhängig von der Kanzleigröße und der Laufzeit der Mandate, wir rechnen aber rund ein Jahr dafür.
Hat die Corona-Pandemie die Nachfrage nach CaseWorx erhöht?
Wir haben festgestellt, dass die meisten Kanzleien mit dem Wechsel ins Homeoffice erstmal deutlich grundlegendere Herausforderungen zu meistern hatten. Somit haben wir zwar sehr viele positive Reaktionen erhalten, die Bereitschaft, CaseWorx einzuführen, ist aber nicht auf breiter Front gestiegen. Das ist in einer solchen Ausnahmesituation auch verständlich: Die Einführung von CaseWorx benötigt völlig neue Arbeitsabläufe bei der Mandatsbearbeitung im Baurecht. Darauf muss man sich einlassen und zunächst natürlich auch investieren, finanziell und zeitlich. Aber das ist kein Selbstzweck, sondern wir haben uns lange intensiv mit den Arbeitsprozessen in Baurechtskanzleien auseinandergesetzt, haben analysiert, was gut und was weniger gut läuft und die Berufsträger intensiv befragt, worin die Herausforderungen bei der Mandatsbearbeitung liegen. Die Erkenntnisse aus diesen Marktforschungen sind in die Produktentwicklung von CaseWorx Baurecht eingeflossen. Unser Ziel war immer, die Mandatsbearbeitung deutlich effizienter, rechtssicherer, transparenter und flexibler zu machen. Und das ist uns gelungen. Unsere Befragungen haben ergeben, dass sich Baurechtsmandate mit CaseWorx bis zu 30 Prozent schneller bearbeiten lassen – ein entscheidender Pluspunkt für die Wettbewerbsfähigkeit von Kanzleien. Aber wir sagen auch ganz transparent: Um diese Effizienzsteigerung erzielen zu können, muss man einen gewissen Weg zurücklegen, der sich allerdings wirklich lohnt.
Wie geht es weiter mit CaseWorx Baurecht?
Wir entwickeln CaseWorx Baurecht – wie alle unsere digitalen Produkte – kontinuierlich weiter. Wir haben es jetzt mit Schnittstellen zu vielen gängigen Kanzleisoftwarelösungen wie z.B. AnNoText ausgestattet, so dass Dokumente in einer Kanzlei nur einmal digitalisiert werden müssen. Ein automatisierter Abgleich sorgt außerdem dafür, dass immer die aktuelle Version des jeweiligen Dokuments hinterlegt ist. Wir haben außerdem eine Anbindung an das Handelsregister in CaseWorx Baurecht integriert und eine Lösung entwickelt, mit der sich die Beziehungen der Akteure eines Mandats übersichtlich darstellen lassen. Die Lösung ist responsiv und somit problemlos auf Smartphone und Tablet nutzbar.
Wird Wolters Kluwer CaseWorx in absehbarer Zeit auch für andere Rechtsgebiete aufsetzen?
Mit Sicherheit, auch wenn wir uns noch nicht konkret für das eine oder das andere Thema entschieden haben. Wir wollen die Produktfamilie auf jeden Fall ausbauen, weil wir überzeugt sind, dass der Ansatz genau richtig ist. Das spiegelt uns auch der Markt. Allerdings wollen wir, wie immer, ganz nah an den Bedürfnissen des Marktes und unserer inhaltlichen Kompetenz orientiert entwickeln.
Was die Komplexität von Mandaten und unsere inhaltliche Expertise angeht, böten sich zum Beispiel Insolvenzrecht oder auch der gewerbliche Rechtsschutz als nächste Themenfelder an. Wir haben aber noch eine andere Zielgruppe im Blick: den Allgemeinanwalt. Dabei ist nicht die Komplexität des einzelnen Mandats ausschlaggebend für den sinnhaften Einsatz eines Programms wie CaseWorx, sondern der hohe Grad der Standardisierung. Im allgemeinanwaltlichen Arbeitsalltag gibt es sehr viele standardisierte Dokumente. Diese können wir mithilfe von KI sehr gut analysieren und im nächsten Schritt zum Beispiel den standardmäßig folgenden nächsten Schriftsatz automatisiert generieren – natürlich unter Beachtung sämtlicher Fristen und sonstiger Parameter. Das könnte ein wichtiger Schritt in Richtung Teilautomatisierung von Standardprozessen im anwaltlichen Arbeitsalltag werden.