Natalie Wall, Fachanwältin für IT- Recht, aus
Fingerhut, Vertrags- und Formularbuch, 13. Aufl. 2021
Muster zur Gestaltung von Force-Majeure- und Corona-Klauseln
Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wie sensibel die Wirtschaft, insbesondere der Handelsverkehr, auf ein solches Ereignis reagiert.
Ist die Corona-Pandemie als Höhere Gewalt einzustufen und welche Folgen ergeben sich daraus, ist eine häufig diskutierte und zurzeit nicht abschließend geklärte Frage.
In vielen Verträgen, wie auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, finden sich Regelungen, die sich mit der Leistungsstörung durch »Höhere Gewalt« beschäftigen, sogenannte »Force–Majeure«-Klauseln.
Wurde eine Force-Majeure-Klausel wirksam vereinbart und tritt ein dort beschriebenes Ereignis Höherer Gewalt ein, können, je nach Ausgestaltung der Klausel,
- frühzeitige Informationspflichten bestehen,
- die gegenseitigen Leistungspflichten für einen gewissen Zeitraum ausgesetzt werden,
- Verzug und die Verzugsfolgen ausgesetzt werden,
- Anpassung der Leistungspflichten gefordert werden,
- Schadensersatzansprüche ausgeschlossen sein,
- vorzeitige Kündigungsmöglichkeiten bestehen,
- der Vertrag automatisch aufgelöst werden,
- die Parteien sich verpflichten, eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Was ist aber nun ein Ereignis »Höherer Gewalt«, wann greift eine Force-Majeure-Klausel?
Höhere Gewalt liegt vor, wenn ein unabwendbares und unvorhersehbares schadensverursachendes Ereignis nach Vertragsschluss von außen eintritt, welches auch bei Anwendung der äußerst zumutbaren Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlich gemacht werden kann.
Es gibt keine gesetzliche Definition, welche die vorstehende pauschale Beschreibung der Höheren Gewalt konkretisiert. Da insbesondere bei grenzüberschreitendem Warenverkehr die Bewertung zu Ereignissen, die als Höhere Gewalt qualifiziert werden können, häufig weit auseinanderfällt, empfiehlt es sich, in der Force-Majeure-Klausel eine genaue und umfangreiche Beschreibung der Ereignisse vorzunehmen, die als Höhere Gewalt definiert werden.
Zwar findet sich in vielen Klauseln die »Epidemie« als ein Ereignis der höheren Gewalt. Der Ausbruch von Corona hat aber nun gezeigt, dass diese Bezeichnung für ein Ereignis der Höheren Gewalt heftig umstritten ist. Ab wann liegt eine Epidemie vor, wie lange dauert das Ereignis an und welche Rechtsfolgen ergeben sich daraus, sind nur einige der heftig umstrittenen Fragen.
Es empfiehlt sich daher, die bisher üblichen Force-Majeure-Klauseln entsprechend anzupassen und sie lieber umfangreicher zu gestalten als zu kurz und zu pauschal.
Gerade für den internationalen Handelsverkehr kann auch auf die im Frühjahr 2020 überarbeiteten Musterklauseln der ICC Germany International Chamber of Commerce in englischer Sprache verwiesen werden.
Bei Neuverträgen, die nach Ausbruch der Corona-Pandemie geschlossen wurden, kann man sich in der Regel nicht mehr darauf berufen, Corona sei ein Ereignis Höherer Gewalt.
Voraussetzung hierfür wäre, dass das Ereignis unvorhersehbar im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war. Dies ist bei Corona bei Verträgen, die nach März 2020 geschlossen wurden, nun gerade nicht mehr der Fall, selbst wenn weitere Infektionswellen folgen sollten.
Besteht bei Neuverträgen das Risiko, dass es aufgrund der Corona-Krise zu zukünftigen Leitungsstörungen kommen kann, sollte eine entsprechende Pandemieklauseln (Corona-Klausel) eingefügt werden.
Diese sollte aber auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnitten werden und mit dem Vertragspartner abgestimmt werden. Da es ja nun nicht um ein unvorhersehbares zukünftiges Ereignis geht, sondern man aufgrund der gesammelten Erfahrungen mit Corona die voraussehbaren Beeinträchtigungen und die von den Regierungen und Behörden ergriffenen Maßnahmen nebst ihrer Folgen ganz konkret einschätzen kann, kann man auch die möglichen Auswirkungen auf den Leistungsinhalt einschätzen und dazu passende vertragliche Regelungen treffen. Vorrangig soll natürlich die Haftung des betroffenen Vertragspartners ausgeschlossen oder zumindest begrenzt werden. Aber auch andere Lieferwege, andere Produktionsstandorte oder Zulieferer sowie Kostenänderungen können bedacht werden.
Wird eine solche Corona-Klausel nicht individuell mit dem Vertragspartner ausgehandelt, sondern formularmäßig ausgestaltet, sind die AGB-rechtlichen Grenzen der Vertragsgestaltung zu beachten. Es besteht das Risiko, dass bei einer zu einseitigen Abwälzung des Risikos auf eine Vertragspartei die Klausel als unzulässig angesehen wird.
Gegebenenfalls sollte daher eine solche Klausel nicht in den Hauptvertrag aufgenommen werden, sondern in einer (ggf. zeitlich befristeten) separaten Zusatzvereinbarung niedergelegt werden.
Muster: Höhere Gewalt (Force-Majeure)
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Anmerkung
Die Klausel ist verkäuferorientiert, kann aber auch im Interesse des Käufers formuliert werden. Die Aufzählung der Ereignisse Höherer Gewalt ist nur beispielhaft und nicht abschließend. Die Folgen der Unterbrechung sollten je nach Vertragstyp (Werkvertrag, Liefervertrag, Dienstleistungsvertrag) angepasst werden. Es können auch Lieferketten mit einbezogen werden.
Muster: »Corona-Klausel«
Eine Behinderung in der Leistungsausführung besteht insbesondere dann, wenn durch das Auftreten des Corona-Virus oder einer Mutation hiervon
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Anmerkung
Auch diese Klausel ist verkäuferorientiert, kann aber auch käuferorientiert oder für die Leistungspflichten beider Parteien gleichermaßen formuliert werden.
Im Gegensatz zu der Force-Majeure-Klausel wird bei der Behinderung nicht allgemein auf die Folgen eines Corona-Ausbruchs abgestellt, sondern auf ganz konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus, die zu Behinderungen der Leistungspflicht führen können. Der Maßnahmenkatalog wie auch die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, die sich bei Vorlage der Behinderungen ergeben, sollten je nach den Bedürfnissen der Parteien individuell ergänzt und angepasst werden.
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