Force-Majeure- und Corona-Klausel
Recht & Verwaltung06 Januar, 2023

Muster zur Gestaltung von Force-Majeure- und Corona-Klauseln

Natalie Wall, Fachanwältin für IT- Recht, aus
Fingerhut, Vertrags- und Formularbuch, 13. Aufl. 2021

Die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wie sensibel die Wirtschaft, insbesondere der Handelsverkehr, auf ein solches Ereignis reagiert.

Ist die Corona-Pandemie als Höhere Gewalt einzustufen und welche Folgen ergeben sich daraus, ist eine häufig diskutierte und zurzeit nicht abschließend geklärte Frage.

In vielen Verträgen, wie auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, finden sich Regelungen, die sich mit der Leistungsstörung durch »Höhere Gewalt« beschäftigen, sogenannte »Force–Majeure«-Klauseln.

Wurde eine Force-Majeure-Klausel wirksam vereinbart und tritt ein dort beschriebenes Ereignis Höherer Gewalt ein, können, je nach Ausgestaltung der Klausel,

  • frühzeitige Informationspflichten bestehen,
  • die gegenseitigen Leistungspflichten für einen gewissen Zeitraum ausgesetzt werden,
  • Verzug und die Verzugsfolgen ausgesetzt werden,
  • Anpassung der Leistungspflichten gefordert werden,
  • Schadensersatzansprüche ausgeschlossen sein,
  • vorzeitige Kündigungsmöglichkeiten bestehen,
  • der Vertrag automatisch aufgelöst werden,
  • die Parteien sich verpflichten, eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Was ist aber nun ein Ereignis »Höherer Gewalt«, wann greift eine Force-Majeure-Klausel?

Höhere Gewalt liegt vor, wenn ein unabwendbares und unvorhersehbares schadensverursachendes Ereignis nach Vertragsschluss von außen eintritt, welches auch bei Anwendung der äußerst zumutbaren Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlich gemacht werden kann.

Es gibt keine gesetzliche Definition, welche die vorstehende pauschale Beschreibung der Höheren Gewalt konkretisiert. Da insbesondere bei grenzüberschreitendem Warenverkehr die Bewertung zu Ereignissen, die als Höhere Gewalt qualifiziert werden können, häufig weit auseinanderfällt, empfiehlt es sich, in der Force-Majeure-Klausel eine genaue und umfangreiche Beschreibung der Ereignisse vorzunehmen, die als Höhere Gewalt definiert werden.

Zwar findet sich in vielen Klauseln die »Epidemie« als ein Ereignis der höheren Gewalt. Der Ausbruch von Corona hat aber nun gezeigt, dass diese Bezeichnung für ein Ereignis der Höheren Gewalt heftig umstritten ist. Ab wann liegt eine Epidemie vor, wie lange dauert das Ereignis an und welche Rechtsfolgen ergeben sich daraus, sind nur einige der heftig umstrittenen Fragen.

Es empfiehlt sich daher, die bisher üblichen Force-Majeure-Klauseln entsprechend anzupassen und sie lieber umfangreicher zu gestalten als zu kurz und zu pauschal.

Gerade für den internationalen Handelsverkehr kann auch auf die im Frühjahr 2020 überarbeiteten Musterklauseln der ICC Germany International Chamber of Commerce in englischer Sprache verwiesen werden.

Bei Neuverträgen, die nach Ausbruch der Corona-Pandemie geschlossen wurden, kann man sich in der Regel nicht mehr darauf berufen, Corona sei ein Ereignis Höherer Gewalt.

Voraussetzung hierfür wäre, dass das Ereignis unvorhersehbar im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war. Dies ist bei Corona bei Verträgen, die nach März 2020 geschlossen wurden, nun gerade nicht mehr der Fall, selbst wenn weitere Infektionswellen folgen sollten.

Besteht bei Neuverträgen das Risiko, dass es aufgrund der Corona-Krise zu zukünftigen Leitungsstörungen kommen kann, sollte eine entsprechende Pandemieklauseln (Corona-Klausel) eingefügt werden.

Diese sollte aber auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnitten werden und mit dem Vertragspartner abgestimmt werden. Da es ja nun nicht um ein unvorhersehbares zukünftiges Ereignis geht, sondern man aufgrund der gesammelten Erfahrungen mit Corona die voraussehbaren Beeinträchtigungen und die von den Regierungen und Behörden ergriffenen Maßnahmen nebst ihrer Folgen ganz konkret einschätzen kann, kann man auch die möglichen Auswirkungen auf den Leistungsinhalt einschätzen und dazu passende vertragliche Regelungen treffen. Vorrangig soll natürlich die Haftung des betroffenen Vertragspartners ausgeschlossen oder zumindest begrenzt werden. Aber auch andere Lieferwege, andere Produktionsstandorte oder Zulieferer sowie Kostenänderungen können bedacht werden.

Wird eine solche Corona-Klausel nicht individuell mit dem Vertragspartner ausgehandelt, sondern formularmäßig ausgestaltet, sind die AGB-rechtlichen Grenzen der Vertragsgestaltung zu beachten. Es besteht das Risiko, dass bei einer zu einseitigen Abwälzung des Risikos auf eine Vertragspartei die Klausel als unzulässig angesehen wird.

Gegebenenfalls sollte daher eine solche Klausel nicht in den Hauptvertrag aufgenommen werden, sondern in einer (ggf. zeitlich befristeten) separaten Zusatzvereinbarung niedergelegt werden.

Muster: Höhere Gewalt (Force-Majeure)

  1. Der Verkäufer haftet nicht in Fällen Höherer Gewalt. Hierunter fallen alle unvorhersehbaren Ereignisse sowie Ereignisse, die – soweit sie vorhersehbar gewesen wären – außerhalb der Einflusssphäre der Parteien liegen. Dazu zählen insbesondere, aber nicht abschließend folgende Ereignisse:

    Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Sturmfluten, Orkan und Taifun sowie andere Unwetter im Ausmaß einer Katastrophe, Erdbeben, Blitzschlag, Lawinen- und Erdrutsche, Feuer, Seuchen, Pandemien, Epidemien und infektiöse Krankheiten (soweit eine solche von der WHO oder einem Ministerium ausgerufen wurde oder durch das Robert-Koch-Institut ein Gefahrenniveau von mindestens »mäßig« festgelegt wurde), Krieg oder kriegsähnliche Zustände, Aufruhr, Revolution, Militär- oder Zivilputsch, Aufstand, Blockaden, Behörden und Regierungsanordnungen, Streiks, Aussperrung.

  2. Tritt ein solches Ereignis Höherer Gewalt ein, so ist der davon betroffene Vertragspartner verpflichtet, den anderen Vertragspartner unverzüglich, spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Kenntnis in Textform über den Eintritt des Ereignisses und die Folgen seiner Leistungsbeeinträchtigung zu informieren.

  3. Der Verkäufer ist in diesem Fall berechtigt, seine Liefertermine und -fristen je nach Umfang und Dauer des Ereignisses Höherer Gewalt und seiner Folgen zu verlängern, ohne dass dem Käufer ein Rücktrittsrecht vom Vertrag oder ein Schadensersatzanspruch zu gewähren ist. Für den Zeitraum der berechtigten Verlängerung der Liefertermin und -fristen gerät der Verkäufer nicht in Verzug.

  4. Beide Parteien sind verpflichtet, alles in ihrer Macht stehende und Zumutbare zur Schadensminderung zu unternehmen.

  5. Soweit die Unterbrechung durch ein Ereignis Höherer Gewalt länger als ____________ Monate andauert, ist der Verkäufer zur gänzlichen oder teilweisen Kündigung des Vertrages berechtigt, ohne dass der Käufer daraus Ersatzansprüche ableiten kann.
     


Anmerkung

Die Klausel ist verkäuferorientiert, kann aber auch im Interesse des Käufers formuliert werden. Die Aufzählung der Ereignisse Höherer Gewalt ist nur beispielhaft und nicht abschließend. Die Folgen der Unterbrechung sollten je nach Vertragstyp (Werkvertrag, Liefervertrag, Dienstleistungsvertrag) angepasst werden. Es können auch Lieferketten mit einbezogen werden.

Muster: »Corona-Klausel«

  1. Wird der Verkäufer in der Erfüllung seiner vertraglichen Leistung durch Auswirkungen, die direkt oder indirekt im konkreten Zusammenhang mit dem Corona-Virus (Covid 19) oder einer Mutation hiervon stehen, behindert, gilt Folgendes:

Eine Behinderung in der Leistungsausführung besteht insbesondere dann, wenn durch das Auftreten des Corona-Virus oder einer Mutation hiervon

  • Quarantänemaßnahmen über den Betrieb oder einen nicht unerheblichen Teil des Betriebs des Verkäufers verhängt werden,

  • behördlich angeordnete Betriebsschließungen, Ausgangssperren, Reiseverbote oder Auslands-Rückkehr-Gebote ausgesprochen werden,

  • erforderliches Material oder Dienstleistung aus dem Ausland aufgrund behördlich

  • angeordneter Einreisesperren nicht zur Verfügung steht oder Lieferketten durch behördliche Maßnahmen unterbrochen sind,

  • ein nicht unbeträchtlicher Teil der Mitarbeiter des Verkäufers sich aufgrund einer Infektion mit dem Corona-Virus oder einer Mutation hiervon in Quarantäne befinden.

  1. In diesem Fall ist der Verkäufer verpflichtet, den Käufer unverzüglich über den Eintritt der Behinderung und seine Auswirkungen in Textform zu informieren.

  2. Der Verkäufer ist in diesem Fall berechtigt, seine Liefertermine und -fristen je nach Umfang und Dauer der Behinderung und ihrer Folgen zu verlängern, ohne dass dem Käufer ein Rücktrittsrecht vom Vertrag zusteht oder ein Schadensersatzanspruch zu gewähren ist. Der Verkäufer gerät durch die Verlängerung seiner Liefertermine und -fristen nicht in Verzug.

  3. Beide Parteien sind verpflichtet, alles in ihrer Macht stehende und Zumutbare zur Schadensminderung zu unternehmen.

  4. Soweit die Unterbrechung durch die Behinderung länger als ____________ Monate andauert, ist der Verkäufer zur gänzlichen oder teilweisen Kündigung des Vertrages berechtigt, ohne dass der Käufer daraus Ersatzansprüche ableiten kann.

Anmerkung

Auch diese Klausel ist verkäuferorientiert, kann aber auch käuferorientiert oder für die Leistungspflichten beider Parteien gleichermaßen formuliert werden.

Im Gegensatz zu der Force-Majeure-Klausel wird bei der Behinderung nicht allgemein auf die Folgen eines Corona-Ausbruchs abgestellt, sondern auf ganz konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus, die zu Behinderungen der Leistungspflicht führen können. Der Maßnahmenkatalog wie auch die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, die sich bei Vorlage der Behinderungen ergeben, sollten je nach den Bedürfnissen der Parteien individuell ergänzt und angepasst werden.

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