Louboutin vs. Amazon
Recht & Verwaltung19 August, 2022

Louboutin vs. Amazon – Markenrechtsverletzung durch Online-Verkaufsplattform?

Von Ingrid Yeboah, LL.M. (Berlin)
Anmerkung der Redaktion: 
Mit Urteil vom 22.12.2022 (Az. C-148/21, C-184/21) hat der EuGH entschieden, dass der Betreiber einer Online-Verkaufsplattform wie Amazon unter bestimmten Umständen für die Verletzung von Markenrechten durch Drittanbieter haften kann; insbesondere dann wenn bei Nutzer:innen der Eindruck entsteht, dass der „Betreiber derjenige ist, der die mit diesem Zeichen versehenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung selbst vertreibt“. 
Der Europäische Gerichtshof steht erneut vor einer relevanten Entscheidung hinsichtlich einer markenrechtlichen Verantwortlichkeit von Online-Verkaufsplattformen. Konkret geht es um die Veröffentlichung, Bereitstellung und Bewerbung nachgeahmter Produkte auf ihren entsprechenden Plattformen. 

Rechtssache C-148/21 und Rechtssache C-184/21

Der Luxus-Schuh-Designer Christian Louboutin, der insbesondere für seine hochhackigen Damenschuhe mit rot gefärbter Außensohle bekannt wurde, führt gegen die Amazon Europe Core Sárl, die Amazon EU Sárl, die Amazon Services Europe Sárl, Amazon.com Inc. und die Amazon Services LLC (nachfolgend einzeln oder zusammen Amazon) einen Rechtsstreit. Gegenstand ist die Veröffentlichung von eigenen und fremden Werbeanzeigen sowie die Bereitstellung einer Plattform zum Verkauf nachgeahmter Produkte unter gleichzeitigem Absatz eigener Waren durch eine Online-Verkaufsplattform.

Die auf die Außensohle angebrachte Farbe ist als Benelux- und Unionsmarke eingetragen. Die Marke ist für Absatzschuhe geschützt.

Wie in bereits zuvor entschiedenen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof geht es erneut um die Frage, ob eine Online-Verkaufsplattform wie Amazon für die Verletzung der Rechte von Markeninhaber*innen haftbar gemacht werden kann. Insbesondere geht es um das Tatbestandsmerkmal der „Benutzung“ im geschäftlichen Verkehr im Sinne des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 (Unionsmarken-VO).

Auf dem Online-Marktplatz von Amazon können Produkte feilgeboten werden. Gleichzeitig vertreibt Amazon auf ihrer Online-Verkaufsplattform eigene Waren und veröffentlicht Anzeigen sowohl zu eigenen als auch zu Produkten von Drittanbieter*innen.

Die dadurch entstandene Doppelfunktion wirft neue rechtliche Fragen auf, da mit der zusätzlichen Bewerbung und dem Vertrieb eigener Produkte Amazon aus ihrer passiven Rolle herausgetreten ist.

Markenrechtsverletzung

Aufgrund dieses Umstandes könnte das Markenrecht Herrn Louboutins verletzt sein. Nach seiner Ansicht habe Amazon ohne seine Zustimmung ein mit der Marke, deren Inhaber er ist, identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt, das mit denjenigen identisch sei, für die die Marke eingetragen ist. Die rechtswidrige Nutzung der Marke durch Amazon erfolge insbesondere durch das Schalten von Werbung für Waren mit dem streitigen Zeichen auf den Online-Verkaufsplattformen von Amazon und durch den Besitz, den Versand sowie die Lieferung solcher Waren.

Derartige Benutzungen seien als markenmäßige Benutzung zu qualifizieren, da Amazon eine aktive Rolle bei den soeben aufgeführten Handlungen zuzusprechen und die Bewerbung nachgeahmter Produkte, Amazons eigener kommerziellen Kommunikation zuzuordnen sei.

Amazon weist den Vorwurf einer markenmäßigen Benutzung von sich und beruft sich hierbei auf mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofes zu ähnlich gelagerten Angelegenheiten.

Aktuelles Vorabentscheidungsverfahren

Vor dem Hintergrund der Zwitterposition Amazons und einer dahingehenden Neuauslegung der Benutzungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 ist bei dem EuGH ein Vorabentscheidungsverfahren anhängig. Das Tribunal d´arondissment de Luxembourg (Bezirksgericht Luxemburg) und Tribunal de l´enterprise francophone de Bruxelles (französischsprachiges Unternehmensgericht, Brüssel) haben das bei ihnen jeweils anhängige Verfahren ausgesetzt, um dem Gerichtshof die entsprechenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Dieser soll klären, ob eine Verantwortlichkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Verordnung 2017/1001 für Betreiber*innen von Online-Verkaufsplattformen vorliegt, wenn diese im Rahmen von Anzeigen unter Erscheinung ihres Logos sowohl eigene als auch fremde Angebote einheitlich veröffentlichen, ohne in ihrer Einblendung nach der Herkunft zu unterscheiden, und zusätzliche Dienstleistungen für Lagerung und Versand der auf ihrer Online-Verkaufsplattform vertriebenen Produkte anbieten. Dabei mögliche Käufer*innen jedoch über diese Dienstleistungen informiert haben. Für die Auslegung des Tatbestandsmerkmal der „Benutzung“ im Sinne des Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 möchte die vorlegenden Gerichte wissen, ob hier auf die Wahrnehmung normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer*innen abgestellt werden kann.   

Bisherige Rechtsprechung des EUGHs

Ausgangspunkt aller bisherigen Entscheidungen und damit auch Voraussetzung zur Bejahung einer Benutzungshandlung gemäß Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 ist die eigene kommerzielle Kommunikation des Online-Vermittlers. Damit einher geht auch das aktive Verhalten des Online-Vermittlers. Hierzu hat der Gerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, dass eine „Benutzung“ ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung voraussetzt.

Mangels Vorliegens dieser Voraussetzung, also der Verwendung eines Zeichens in der eigenen kommerziellen Kommunikation, konnten Online-Marktplätze bisher im markenrechtlichen Sinne nicht zur Verantwortung gezogen werden.

In einem eBay-Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Benutzung von Zeichen, die mit der Marke identisch oder ihr ähnlich seien, innerhalb von Verkaufsangeboten auf der Verkaufsplattform durch die Verkäufer*innen als Kunden und nicht durch den Plattformbetreiber selbst erfolge. Die Dienstleistung des Plattformbetreibers bestünde hier lediglich in der Ermöglichung, seinen Kunden die beanstandeten Zeichen im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit erscheinen zu lassen.

In einem Verfahren gegen Google musste der Gerichtshof im Rahmen des Google Ads Angebotes darüber entscheiden, ob Anbieter*innen, welche für ihre Kunden im Rahmen ihrer Suchmaschine Ad Kampagnen anbieten und dabei erlauben, dass die Kunden Zeichen für ihre Schlüsselwörter verwenden, die mit der Marke identisch oder ihr ähnlich sind, eine Benutzung im Sinne des Art. 9 der Verordnung 2017/1001 darstellt. Dabei handelte es sich bei dem zu bewerbenden Produkt um Nachahmungen von Waren des Markeninhabers.

Zum einen ging es um die Speicherung der Schlüsselwörter, welche zum Erscheinen der Werbeanzeige führt. Zum anderem aber auch um die Auswahl der Zeichen als Schlüsselwörter.

Auch in dieser Konstellation hat sich der Gerichtshof gegen eine Benutzung im Sinne des Art. 9 der Verordnung 2017/1001 entschieden. Insofern führt er aus, dass es für eine Bejahung der Benutzungseigenschaft nicht ausreicht, wenn der Anbieter lediglich zulässt, dass die Kunden Zeichen als Schlüsselwörter verwenden, die mit der Marke identisch sind oder ihr ähneln. Auch der Umstand, dass sich der Anbieter für die Benutzung der Zeichen durch seine Kunden eine Vergütung auszahlen lässt, führe zu keinem anderen Ergebnis.

Ebenso wenig wurde eine Benutzung in dem Verfahren gegen Coty ausgeschlossen. Dort ging es um die Frage, ob die Lagerung von mit dem in Rede stehenden Zeichen versehenen Waren eine Benutzung dieses Zeichens darstellt. Denn die betroffenen Waren wurden weder selbst zum Verkauf angeboten noch in den Verkehr gebracht.

Schlussanträge des Generalanwalts

In seinem Gutachten vom 02. Juni 2022 stützt sich der Generalanwalt Maciej Szpunar nahezu ausnahmslos auf vorstehend erläuterte Rechtsprechung des Gerichtshofes und kommt zu dem Ergebnis, dass Amazon bei der Ausübung seiner von den vorlegenden Gerichten beschriebenen Tätigkeiten kein Zeichen im Sinne von Art. 9 der Verordnung 2017/ 1001 benutzt.

Zunächst hält er fest, dass bei der Prüfung der Verantwortlichkeit auf normal informierte und angemessene aufmerksame Internetnutzer*innen abgestellt werden muss. Grund dafür ist, dass eine kommerzielle Kommunikation zu externen Zwecken erfolgt und eine besondere Verbindung zwischen dem Online-Vermittler und dem in Rede stehenden Zeichen, womit die Voraussetzung einer eigenen kommerziellen Kommunikation erfüllt wäre, nur durch Adressaten des Dienstangebotes hergestellt werden kann.

Ausgehend davon ist er der Ansicht, dass die Tätigkeiten von Amazon nicht geeignet seien, die in den Anzeigen von Drittanbieter*innen enthaltenen Zeichen aus der Sicht von normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetznutzer*innen als integraler Bestandteil der eigenen kommerziellen Kommunikation erscheinen zu lassen.

Auch das einheitliche Erscheinungsbild der Anzeigen, insbesondere durch die Verwendung des Logos von Amazon überzeuge nicht, da die Angebote stets aufführen, ob die Waren von Drittanbieter*innen oder direkt von Amazon vertrieben werden.

Zudem könne die Verwendung des Amazon Logos für Nutzer*innen des Angebots auch ein Hinweis dahingehend sein, dass er*sie sich einer von einem Drittanbieter veröffentlichten Anzeige gegenübersieht, da den Verbraucher*innen bekannt sei, dass Amazon neben seiner Tätigkeit als renommierter Vertreiber auch als Marktplatzbetreiber fungiere und es aus der Sicht der Verbraucher*innen zum gewöhnlichen Geschäftsgebaren gehöre, dass Anzeigen von Drittanbieter*innen als Anzeigen eigener vertriebener Waren von Amazon veröffentlicht werden.

Betreffend die Frage, ob die Lagerung und der Versand bestimmter Waren, die ein mit der Marke identisches Zeichen aufweisen und bei denen Amazon parallel aktiv an der Erstellung und der Veröffentlichung der Verkaufsangebote mitgewirkt hat, eine Benutzung der Marke im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Verordnung 2017/1001, darstellt, verneint der Generalanwalt auch hier eine Benutzungshandlung.

Hierzu trägt er vor, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen vordergründig dazu dienen, Verbraucher*innen u.a. durch eine rasche Lieferung einen Vorteil zu verschaffen und auch die Reputation der Online-Verkaufsplattform zu stärken.

Der Gerichtshof habe bereits in der Rechtssache Coty eine eigene kommerzielle Kommunikation durch die Lagerung von mit Zeichen versehenen Waren verneint, da keine Intentionen vorlagen, diese Waren anzubieten oder in den Verkehr zu bringen. Anhaltspunkte, die eine andere Beurteilung in den vorliegenden Verfahren trotz der zusätzlichen Veröffentlichung der Anzeigen zuließen, seien für den Generalanwalt nicht erkennbar.

Mit einer Entscheidung des Gerichtshofes ist in den nächsten Monaten zu rechnen.

Unsere Autorin
Ingrid Yeboah
Ingrid Yeboah, L.L.M. (Berlin)
Rechtsanwältin im Urheberrecht und gewerblichen Rechtsschutz 
Gründerin von IY. LEGAL

Fotorechte: Beatrice Linzmeier
Bildnachweis: hectorchristiaen/stock.adobe.com
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