Restschuldbefreiung
Recht & Verwaltung25 Februar, 2022

BGH zur Versagung der Restschuldbefreiung nach Täuschung über die wirtschaftlichen Verhältnisse

von Thomas Reck, Jurist beim Senator für Finanzen in Bremen
Im Beschluss vom 18.11.2021 -IX ZB 1/21- nimmt der BGH Stellung zu den Auswirkungen falscher Angaben im Rahmen vorinsolvenzlicher Stundungsverhandlungen auf einen Versagungsantrag nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Nach dieser Vorschrift wird die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers versagt, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.

Die Entscheidung des BGH beruht auf folgendem Sachverhalt: Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde auf Grund im September und Oktober 2013 gestellter Insolvenzanträge im November 2013 eröffnet. Im August 2010 war gegen den Schuldner Tabaksteuer in Höhe von ca. 80.000 EUR festgesetzt worden. Im März 2011 bot der Schuldner dem zuständigen Hauptzollamt in einem von einem beauftragten Rechtsanwalt verfassten Schreiben eine Ratenzahlung auf die bestehenden Verbindlichkeiten und zusätzlich die Eintragung einer Grundschuld auf einem angeblich ihm gehörenden Grundstück an. Beigefügt war ein Gutachten, das den Schuldner als Eigentümer benannte. Tatsächlich war das Grundstück jedoch bereits im Vorjahr verkauft worden und der Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen worden.

Das Amtsgericht versagte dem Schuldner die Restschuldbefreiung. Im Beschwerdeverfahren hob das Landgericht diesen Beschluss auf. Der BGH verwies das Verfahren auf die von der Gläubigerin eingelegte Rechtsbeschwerde an das Landgericht zurück. Dies erfolgte allerdings bereits aus formalen Gründen, da das Landgericht trotz Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung eine Einzelrichterentscheidung getroffen hatte.

Grundsätzlich ist für eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine eigene Erklärung des Schuldners erforderlich, an der es hier fehlt. Der BGH wendet jedoch auch auf die mit Wissen und Billigung des Schuldners abgegebene Erklärung eines Dritten § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO an. Damit soll verhindert werden, dass der Schuldner sich durch die Einbeziehung eines Dritten der Versagung der Restschuldbefreiung entziehen kann. Eine Verantwortlichkeit des Schuldners für wahrheitswidrige Erklärungen des Dritten entfällt nur dann, wenn dieser sich weisungswidrig verhalten hat.

Offen konnte in diesem Verfahren die Frage bleiben, unter welchen Voraussetzungen der Schuldner für grob fahrlässige Unkenntnis unrichtiger Angaben des Vertreters haftet. Das stellt für den Schuldner ein erhebliches Risiko dar und gilt selbstverständlich ebenso für grob fahrlässig unrichtige selbst abgegebene Erklärungen. Bei grober Fahrlässigkeit hat der Schuldner zwar keine wegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderung des betroffenen Gläubigers zu gegenwärtigen. Das ändert aber nichts daran, dass gleichwohl die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung besteht.

Die Mitteilung falscher Informationen zur Herbeiführung einer Ratenzahlungsvereinbarung erfüllt nach Auffassung des BGH auch die Voraussetzungen der Vermeidung von Leistungen an öffentliche Kassen. Der Umstand, dass die vollständige Zahlung dadurch nur herausgeschoben wird, aber materiell gesehen nicht vermieden wird, spielt dabei keine Rolle. Das beruht auf der haushaltsrechtlichen Vorgabe, dass Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu realisieren sind.

Empfänger rückzahlungspflichtiger Corona-Soforthilfen dürfen sich daher bei Stundungsverhandlungen auf keinen Fall dazu hinreißen lassen, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse unzutreffend darzustellen. Damit würde die Grundlage für einen Versagungsantrag geschaffen, soweit ein Insolvenzverfahren sich als nicht mehr vermeidbar erweisen sollte. Gleiches gilt auch für Kredite oder Leistungen aus öffentlichen Kassen im privaten Bereich, da die Vorschrift keine Beschränkung auf eine selbständige Tätigkeit des Schuldners enthält.

Aus Gläubigersicht sollten Verhandlungen über einen Gegenstand, der potentiell in den Anwendungsbereich des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallen kann, stets sorgfältig dokumentiert werden. Wenn sich im Insolvenzverfahren aus den Antragsunterlagen oder den Feststellungen des Insolvenzverwalters Erkenntnisse auf vorinsolvenzliche unrichtige Angaben entnehmen lassen, kann darauf mit einem Versagungsantrag reagiert werden.

Autor

Thomas Reck

Jurist beim Senator für Finanzen in Bremen und Mitautor bei folgenden Werken:

  • Schmidt, Privatinsolvenzrecht
  • Henning/Lackmann/Rein, Privatinsolvenzrecht
Bildnachweis: insideCreativeHouse/adobe.stock.com
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