Einführung der eAkte am Landgericht Köln
Recht & Verwaltung17 März, 2021

Einführung der eAkte am Landgericht Köln

Dr. Christian Schlicht | Richter am Landgericht Köln und stellvertretender IT-Dezernent

Das Landgericht Köln hat am 7. September 2020 mit der Einführung der elektronischen Akte begonnen. Wir sprachen mit Dr. Christian Schlicht über die wichtigsten Veränderungen und Vorteile der eAkte.

Lieber Herr Schlicht, Sie begleiten die Einführung der elektronischen Akte am Landgericht Köln. Ihre Kammer arbeitet seit September 2020 mit der eAkte. Können Sie bereits ein erstes Fazit ziehen?

Bisher ist das Projekt sehr erfolgreich verlaufen. Von 40 Zivilkammern arbeiten inzwischen bereits 16 Kammern mit der eAkte, sechs weitere Kammern starten Ende März, der Rest folgt dann in den nächsten Monaten - ebenso wie die 11 Kammern für Handelssachen. Seit dem Start wurden bereits über 3.000 elektronische Verfahren angelegt.

Ich bin begeistert, wie positiv die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Einführung der eAkte bisher aufgefasst haben. Viele Kolleginnen und Kollegen, die zunächst zurückhaltend eingestellt waren, haben die Vorteile erkannt und arbeiten mittlerweile überaus gerne rein digital. Besonders überrascht hat mich, dass gerade ältere Kolleginnen und Kollegen dem Projekt aufgeschlossen gegenüberstehen.

Was ist denn aus Ihrer Sicht der größte Vorteil im Vergleich zur „Papierwelt“?

Es ist wirklich schwierig, einen unter vielen Vorteilen herauszupicken. Einen ganz entscheidenden Vorteil sehe ich etwa darin, dass mehrere Personen ohne großen Aufwand parallel an demselben Verfahren arbeiten können. Richterinnen und Richter derselben Kammer können zum Beispiel zeitgleich einen Termin vorbereiten. Ich kann aber auch eine stets aktuelle Akte einer anderen Kammer beiziehen, ohne dass die Arbeitsabläufe in dieser Kammer gestört werden.

In vielen Verfahren müssen mehrere Sachverständige sich mit dem Akteninhalt befassen, was bisher oft nacheinander geschehen ist, um nicht ein heilloses Durcheinander bei der Aktenführung zu verursachen. Das ist passé: Die führende Akte bleibt bei Gericht und ist damit stets auf dem neuesten Stand. Mehrere Sachverständige können parallel anhand des elektronischen Duplikats ihr Gutachten ausarbeiten. Bei Akteneinsichtsgesuchen während einer laufenden Begutachtung muss die Akte nicht mehr zurückgefordert werden. Es gibt zahllose Konstellationen, in denen es nicht mehr zu unnötigen Verzögerungen kommt.

Das klingt nach einer echten Erleichterung im Vergleich zur Arbeit mit der Papierakte. Aber ist es nicht eine Umstellung vom klassischen Papier hin zum digitalen Aktenstudium?

Man kann nicht wegdiskutieren, dass die Arbeit am Bildschirm erheblich zugenommen hat. Zum Glück wird dies teilweise kompensiert durch die Möglichkeit, die Textgröße und den Bildausschnitt individuell anzupassen. Zudem ist es möglich, die Hintergrundfarbe den eigenen Lesebedürfnissen anzupassen. Ich habe etwa ein beruhigendes Grün als Hintergrundfarbe eingestellt, das den Kontrast zwischen Schrift und „Blatt“ reduziert, und empfinde das Lesen nicht als unangenehm.

Zudem bietet das Programm zahlreiche Werkzeuge, die ich schon nach wenigen Monaten nicht mehr missen will. Um nur einige von vielen Beispielen zu nennen: Ich kann die eAkte - für mich persönlich oder für alle Mitglieder der Kammer - mit virtuellen Textmarkierungen, Lesezeichen oder Anmerkungen strukturieren. Diese kann ich mir dann in einer gesonderten Liste gesammelt anzeigen lassen und sie mit weiteren Schlagworten versehen oder sie in einer Tabelle gegenüberstellen. Zudem kann ich Querverweise zwischen mehreren Aktenteilen anlegen oder auf einen Internetlink verweisen. Einzelne Dokumente der eAkte kann ich - gewissermaßen als Kopie - in eigene Sammlungen schieben, etwa um bestimmte Passagen einer umfangreichen Akte einem Zeugen in der Verhandlung vorzuhalten.

Jetzt sind wir schon mitten im Thema. Aber vielleicht gehen wir noch einmal ein paar Schritte zurück an den Anfang: Wie gelangen Schriftsätze denn eigentlich in die eAkte?

Das kommt darauf an, wie die Schriftsätze bei Gericht eingehen. Idealerweise versenden Rechtsanwälte und weitere Beteiligte ihre Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) oder andere sichere Übermittlungswege. Wenn dabei das gerichtliche Aktenzeichen korrekt (und ohne Zusätze) eingegeben wird, landet der Schriftsatz sofort in der eAkte - übrigens ein weiterer Vorteil, gerade wenn man bei großen Gerichten die langen Postwege kennt.

Gehen Schriftsätze per Post und/oder Fax ein, müssen diese aufwendig gescannt werden. Dabei sind hohe organisatorische und technische Vorgaben einzuhalten, denn die Originale der gescannten Schriftsätze werden - nach gewissen Aufbewahrungsfristen - endgültig vernichtet.

Sowohl für die Anwaltschaft als auch die Gerichte ist der elektronische Versand vorzugswürdig (er wird ohnehin zum 01.01.2022 verpflichtend sein). Wir verzeichnen am Landgericht Köln erfreulicherweise, dass es stetig mehr Anwälte werden, die elektronisch einreichen - momentan sind es zirka 40-50 % der Eingänge, die so eingehen. Leider entsteht immer noch viel Aufwand dadurch, dass derselbe Schriftsatz sowohl per beA als auch per Post und ggf. sogar noch per Fax eingeht.

Haben Sie noch Praxistipps, um die Anzahl der Eingänge zu erhöhen oder den Anwältinnen und Anwälten die Arbeit dabei zu vereinfachen?

In einigen Fällen haben wir Probleme, die elektronischen Eingänge zu verarbeiten oder sie uns korrekt in der eAkte anzeigen zu lassen. Die meisten technischen Probleme können vermieden werden, wenn man die sehr übersichtlichen Hinweise, die das Oberlandesgericht Köln zusammengestellt hat, berücksichtigt.*

Dieser Hinweis ist bestimmt hilfreich, vielen Dank. Mich würde interessieren, wie es weitergeht, wenn der Schriftsatz dann in der eAkte angekommen ist?

Die Arbeitsabläufe sind nahtlos. Der Eingang wird der zuständigen Person vorgelegt, zum Beispiel mir als Richter. Wenn ich den Eingang zur Kenntnis genommen habe und dann einen Beschluss erlasse, erhält die Servicekraft auf der Geschäftsstelle sofort eine elektronische Aufgabe und kann den Beschluss an die Parteien versenden. Bisher lag die Akte zuweilen den halben Tag auf meinem Aktenbock, bis ich sie - mit vielen weiteren Akten - physisch zur Geschäftsstelle gebracht hatte.

Nach ihren Schilderungen gewinnt man den Eindruck, dass sich vieles verbessert hat. Ist das Programm denn aus Ihrer Sicht noch ausbaufähig?

Seit September sind bereits zwei neue Versionen aufgespielt worden, jeweils mit neuen Features und weniger „Bugs“. Ein weiteres Update ist für Ende April 2021 bereits angekündigt. Insoweit kann man sagen, dass der Ausbau in vollem Gang ist. Perspektivisch wäre wünschenswert, wenn die Software zum Beispiel die angesprochenen Verweise automatisch anlegen würde. Ich bin angesichts der momentanen Reformbestrebungen zuversichtlich, dass die digitale Entwicklung schnell voranschreiten wird. Zugleich glaube ich, dass man den rasanten Fortschritt behutsam angehen sollte, damit die Veränderungen nicht zulasten der Rechtssuchenden gehen.


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