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Recht & Verwaltung08 Juli, 2021

Coronaschnelltests bei Kitakindern – ein Interview aus der Praxis

von Carolin Ziegenhagen | Referentin und Fachberatung des DRK-Landesverband Baden-Württemberg e.V. zuständig für alle 16 DRK-Kindertageseinrichtungen im Verband
und Gabriele Litz | Leiterin des DRK-Kinderhaus in Heilbronn, eine GTE für 77 Kinder ab 1 Jahr bis zum Schuleintritt

Mit einer spielerischen Herangehensweise

»Oh je, das Thema ist doch im Sommer bestimmt schon wieder kalter Kaffee«, dachte ich als erstes, als ich im April gebeten wurde einen Artikel als DRK-Fachberatung zum Thema »Coronaschnelltests für Kitakinder« zu schreiben. In den meisten Kindertageseinrichtungen unserer DRK-Träger in Baden-Württemberg wurde zu diesem Zeitpunkt schon getestet oder man stand kurz davor. Ebenso hatten wir das Thema in den virtuellen Leitungstreffen immer wieder besprochen. Aber es wurde mir schnell klar, dass auf jeden Fall zwei Dinge kein »kalter Kaffee« im Sommer sein werden: einmal der Umgang mit Schnelltests im Lebensalltag der Kinder und zum anderen die Erfahrung und der Austausch darüber, wie man bei Kitakindern vorgegangen ist und wie man sich den Veränderungen angepasst hat. Letzteres hat dann auch zu der Entscheidung geführt, jemanden aus der Praxis zu interviewen, damit die Leserinnen und Leser aus dem Erfahrungsbericht von anderen für sich und ihre Arbeit reflektieren können. Das DRK-Kinderhaus in Heilbronn ist eine GTE für 77 Kinder ab 1 Jahr bis zum Schuleintritt. Es war die erste DRK-Kita, die in ihrem pädagogischen Alltag integriert, Kinder zu testen begann. Das Interview führte ich (Carolin Ziegenhagen) mit der Einrichtungsleitung Gabriele Litz am 28.04.2021.

Frau Litz, Sie testen bereits seit dem 24.02.2021 Ihre Mitarbeiter*innen und auch Kinder in der Einrichtung mit sog. Corona-Schnelltests. Wie kam es dazu?

Wir hatten eine Anfrage vom Amt für Familie, Jugend und Senioren der Stadt Heilbronn bekommen, genauer gesagt wurde unser Träger gefragt, ob die DRK-Kita bereit wäre an einer Testreihe, »Testballon« genannt, teilzunehmen. Unser Trägervertreter, Herr Wolf, hat mich dann angerufen und gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Und da habe ich sofort den Daumen hochgehalten, weil ich Schnelltests als riesen Chance sehe, Infektionsketten zu unterbrechen. Schon einen Tag später haben zwei Fachkräfte und ich, eine Schulung von unserem DRK-Kreisverband bekommen. Herr Wolf hat gleich dafür gesorgt, dass wir bei den Schulungen, die unser Kreisverband ja anbietet, teilnehmen durften.

Wer wurde denn da wie lange »geschult«?

Ich habe im Team nachgefragt und es waren alle begeistert und auf die Frage, wer denn gerne die Testungen durchführen würden, haben sich sofort zwei Kolleginnen freiwillig gemeldet. Mit mir waren wir dann drei. Für drei Fachkräfte, wussten wir auch, dass sich alles noch gut vom Dienstplan her organisieren lassen würde. Im Februar hatte ja noch keiner wirklich viel von diesen Schnelltests gewusst. Aber nach der mehrstündigen Schulung durch unseren Kreisverband bekamen wir ein Zertifikat und waren offizielle Beprober für den tiefen und kurzen nasalen Stäbchentest. Die Bestellung der Tests lief dann über die Stadt Heilbronn. Die Stadt sorgt auch dafür, dass wir immer genügend Tests zur Verfügung haben.

Welche Art von Tests verwenden Sie?

Wir nehmen ausschließlich die nasalen Tests. Von Anfang an haben wir immer nur am Naseninnenflügel bei Kindern und Mitarbeiter*innen getestet.

Hatten Sie irgendwelche Bedenken auch die Kinder zu testen?

Nein, eigentlich nicht, da wir ja auch viel im pflegerischen Bereich mit den Kindern arbeiten. Auch da achten wir immer sehr auf das Selbstbestimmungsrecht der Kinder und auch schon immer auf die nonverbalen Signale. Wir hatten durch die Art der Tests auch keine Angst, die Kinder zu verletzen. Das ist bisher auch nie vorgekommen. Der Zeitaufwand war auch gar nicht so hoch, da wir im Alltag integriert getestet haben.

Wie haben Sie den Kindern denn die Tests erklärt?

(lacht) Ja, da haben wir zum Glück unsere tolle große Handpuppe – das ist der Henry – das ist der »Urururenkel« von Henry Dunant, dem Begründer des Roten Kreuzes, und der hat mich eines morgens in einem Gruppenkreis aufgesucht, setzte sich auf meinen Schoß und hat mich gefragt: »Frau Litz, was ist denn Corona und wie sieht der denn aus? Und dann habe ich dem Henry gezeigt, dass man dieses Corona »sichtbar« machen kann, wenn man mit diesem langen Wattestab »kille kille in der Nase« macht und den Stab danach in ein Röhrchen und das dann auf so einen Plastikteststreifen tropft. Und nach ein paar Minuten kann man sehen, ob man Corona vielleicht selber im Körper hat. Das haben die Kinder natürlich gehört und wir kamen dann mit den Kindern ins Gespräch. Inhalt war, dass durch dieses »kille kille in der Nase« wir uns selbst, aber ja auch andere schützen können. Pädagogisch haben wir gemerkt, dass die Kinder froh sind, durch die Tests etwas gegen Corona machen zu können.

So haben wir mit den Kindern nicht nur den Rotkreuz-Gedanken der Verantwortung für die Gesundheit diskutiert und versucht für Kinder begreifbar zu machen, sondern auch, was es heißt »eine Infektionskette« zu durchbrechen.

Sind die Corona-Tests damit auch im Kitaalltag bei den Kindern Thema?

Ja, natürlich. Wir haben die ersten zwei Mal die Tests in den Morgenkreisen gemacht, aber eher mit uns Fachkräften als Vorbildern und wer wollte, konnte einfach mal genau zuschauen und viele der Kinder wollten gleich auch mitmachen. Die Neugierde und das Interesse war und ist sehr hoch. Und da es wirklich in der Nase kitzelt, ist »kille kille in der Nase« zu einem »Alltagshit« bei uns geworden. Die Kinder, die keine Einverständniserklärung der Eltern hatten, waren damals auch eher enttäuscht, dass sie nicht richtig, sondern nur im Spiel mitmachen durften. Alle Kinder wollten nach der Geschichte mit dem Henry eigentlich getestet werden. Damit haben wir das Verständnis von den Kindern mit der Handpuppe voll erreicht.

Selbst wenn die Eltern die Einwilligungserklärung unterschrieben hatten, gab es denn Kinder, die sich dann doch nicht testen lassen wollten?

Ja, es gab Kinder, die am Anfang Ängste hatten oder erst mal zuschauen wollten. Wir haben diese Kinder immer nur zuschauen lassen, bis sie selbst entschieden haben, mitzumachen. Der Wille der Kinder hat für uns gezählt. Sie haben dann gemerkt, das kitzelt wirklich nur und tut überhaupt nicht weh und ab dann war es für alle ok. Durch Geduld und Verständnis waren dann alle Kinder, die eine Einverständniserklärung hatten, dabei und sind mega stolz und machen es teilweise auch zu Hause mit ihren Eltern und erklären denen, wie so ein nasaler Schnelltest geht.

Gab es von Seiten der Eltern Bedenken?

Ja, natürlich. Das haben wir auch verstanden. Den Eltern war der Schnelltest nur für den inneren Nasenflügel im Februar noch gar nicht bekannt.

Viele Eltern dachten, glaube ich, auch erstmal »um Himmels willen – jetzt stochern die da unseren Kindern in der Nase rum«. Da hatten einige Bedenken. Ich habe deswegen einen Brief an die Eltern geschrieben, in dem ich genau erklärte, wie wir das auch erst mal spielerisch machen und pädagogisch begleiten und vor allem, wo an der inneren Nase wir die Kinder mit dem Stäbchen berühren. Als witzigen Vergleich habe ich auch dazu geschrieben, dass wenn die Kinder richtig in der Nase nach Popeln suchen, geht der Finger viel tiefer rein. Ich denke dieser Vergleich hat vielen dann die Ängste genommen. Zusätzlich haben wir die Eltern auch eingeladen, dass sie dazukommen, und mit teilnehmen, wenn wir testen. Und wenn sie wollten, haben wir auch die Eltern getestet, damit sie an sich merken, dass es nicht tief in die Nase geht. So haben wir auch die Unsicheren überzeugt, da sie selber an sich merkten, dass es gar nicht der Rede wert ist.  

Ist es denn schon passiert, dass ein Kind positiv war?

Ja, bisher hatten wir drei positive Schnelltests bei Kindern.

Wie reagieren Sie da? Was passiert dann?

Wir rufen dann zuerst die Eltern dieses Kindes an und separieren es vorsichtig. Wir beruhigen die Eltern beim Abholen, dass es kein endgültiges Ergebnis ist. Ich kläre darüber auf, dass erst ein PCR-Test zeigt, ob das Ergebnis des Schnelltests wirklich richtig ist. Der Schnelltest zeigt nur einen »Verdacht«.

Beim ersten positiven Test standen aber auch wir an einer Schwelle der Unsicherheit: nicht mit dem Kind und den Eltern, das hatten wir geplant, wie wir vorgehen. Sondern, was machen wir jetzt mit den anderen Kindern aus der Gruppe? Wir hatten zwei Möglichkeiten: Nur das Kind aus der Gruppe separieren und warten wie sich der PCR-Test entwickelt, auf die Gefahr hin, dass das Virus ggf. noch 1-2 Tage Zeit hätte sich in der Gruppe auszubreiten. Oder alle Kinder in dieser Gruppe erst einmal auf Verdacht nach Hause schicken, um die Infektionskette so früh wie möglich zu unterbrechen. Die Gesundheitsämter können ja erst handeln, wenn offiziell der positive PCR-Test vorliegt. Somit war es eine Trägerentscheidung, was in diesem Graubereich von 1-2 Tagen mit den übrigen Kindern passieren soll. Ich habe mich dann mit Herrn Wolf abgestimmt und er hat, aus meiner Sicht, sehr verantwortungsvoll für alle die Entscheidung getroffen, dass vorsichtshalber erst einmal alle Kinder aus der Gruppe nach Hause geschickt werden, bis das Ergebnis vom PCR-Test da ist. Denn sollte der auch positiv sein, hätten sowieso alle aus der Gruppe in Quarantäne gehen müssen. 

Ach ja, und zwei Mal war es auch schon so, dass die PCR-Tests nachher positiv waren und die Eltern froh waren, dass wir so früh alle separiert hatten, mit dem nach Hause schicken. Allerdings war er einmal auch »falsch« positiv und, naja, da war es dann schon so, dass wir einzelne Eltern aus der Gruppe hatten, die unsere Reaktion übertrieben fanden. Aber, wenn man verantwortungsvoll in dieser Pandemie handeln will, muss man eben einfach manchmal so was einstecken. Es änderte nichts an unserem Beschluss, davon hatten uns die positiven Fälle überzeugt.

Momentan hat die Stadt Heilbronn einen Inzidenzwert von über 250 pro 100.000 Einwohner und die Kitas sind geschlossen und können nur Notbetreuung anbieten. Wie testen Sie heute?

Ja, das hat sich verändert. Bis zur Notbetreuung haben wir die Testungen in den Kitaalltag integriert. Mittlerweile ist es so, dass nur noch Kinder, die sich testen lassen, in die Notgruppe dürfen. Da macht es natürlich mehr Sinn, dass wir morgens vor dem Betreten der Kita testen. Wir haben jetzt im Eingangsbereich unsere Teststation. Dort und auf dem Gelände vor der Kita ist genug Platz für alle, die kommen. Aber da die Kinder das alles schon seit Februar kennen vom Ablauf her, ist nur der Testort jetzt ein anderer.

Es hieß ja anfangs »Testballon« von der Stadt Heilbronn. Ist durch Ihre Erfahrung jetzt auch eine einheitliche Teststrategie in Heilbronn vorhanden?

Ja, da hat die Stadt Heilbronn aus den Erfahrungen der drei Versuchskitas positive Schlüsse für alle Heilbronner Kindertageseinrichtungen gezogen und das Vorgehen wurde dann nach der Testphase auf die anderen Heilbronner Kindertageseinrichtungen übertragen.

Seit der ersten Testung von Ihnen an Kindern sind jetzt 9 Wochen vergangen. Schnelltests sind jetzt quasi in aller Munde. Wie hat sich Ihre Teststrategie bewährt? Und was würden Sie heute anders machen?

Also durch die anfängliche Lockerheit und unsere spielerische Art finden das die Kinder normal und eher witzig. Wir testen ja zwei Mal die Woche und die kleinen Kinder fragen schon, ob heute kein »kille kille«-Tag ist und finden dies manchmal sogar schade, wenn nicht getestet wird. Allerdings hatten wir ja eben auch keinen Druck mit einer Testpflicht, als wir angefangen haben. Was ich anders machen würde? Ich würde lockerer bleiben bei einem positiven Test. Ich hatte als Einrichtungsleitung schon Sorge eine falsche Entscheidung zu treffen. Jetzt hat sich natürlich eher eine Routine eingeschlichen, was auch gut für die Kinder ist. Was ich auf jeden Fall anders machen würde, ist, dass ich mehr beruhigend persönlich und in Gesprächen auf die Eltern von Anfang an eingehen würde und es auch als Wertschätzung wiederspiegeln. Dass es toll ist, dass sie und ihre Kinder mitmachen. Und mehr darüber dokumentieren, wie dieses Testen als ein Teil des Alltags gut integriert werden kann. Insgesamt sind wir froh zu testen und dass es so gut läuft.

Wie alt sind denn die Kinder, die Sie ja jetzt verpflichtend testen sollen?

Verpflichtend für die Teilnahme an der Notbetreuung ist der Test ab 3 Jahren. Wir haben aber Kinder ab 1 Jahr bei uns in der Einrichtung und es lassen sich alle testen.

Was würden Sie Kolleg*innen in Bezug auf das Testen von Kindern mitgeben? Worauf sollten nach Ihrer Erfahrung und Sicht pädagogische Fachkräfte besonders achten?

Ganz wichtig ist, dass man das Vertrauen schafft, dass man das nie mit Druck macht, sondern Geduld mit den Kindern, den Eltern und sich selber hat. Ebenso sollte man sich auf jeden Fall von Profis schulen lassen, wenn man das in der Kita selber durchführt. Das gibt Sicherheit. Und was ich einfach auch noch wichtig finde: Ich würde den Eltern und den Kindern den Gedanken der Verantwortung für sich UND für andere mitgeben. Das ist für uns als Rotkreuz Kita immer ein Thema – nicht nur in Bezug auf Corona oder Corona-Tests, sondern generell.

Mein Tipp als Fachberatung

  1. Corona-Tests mit einbeziehen in die pädagogische Arbeit mit den Kindern. Corona und alle Maßnahmen dagegen sind zur Lebenswelt der Kinder geworden. Es ist somit sehr wichtig, dass pädagogische Fachkräfte, ob sie testen oder nicht, auch das Thema Corona-Tests mit den Kindern gemeinsam bearbeiten.
  2. Wenn ein Kind sich nicht testen lassen will und Ängste zeigt, reicht es um eine Infektionskette zu erkennen, wenn sich statt des Kindes die Eltern testen lassen (oder sie sich selber testen). Das nimmt den Druck von allen Beteiligten.
  3. Anders als in unserer DRK-Kita in Heilbronn, ist es in vielen Kommunen üblich, dass die Kinder von den Eltern getestet werden. Aber auch hier sollte man sowohl Eltern als auch die Kinder begleiten. Auch hier gilt der Hinweis von Frau Litz: mit Geduld und Vertrauen.
  4. Sollten uns Coronatests für Kitakinder auch noch länger begleiten müssen, dann mit Trägern und Kommunen vor Ort beobachten, welche Entwicklungen es im Bereich der Schnelltests gibt. Ebenso was kohortenbezogene PCR-Tests angeht (bei letzterem gehen in der Kinderkohorte oder -gruppe gesammelte Proben direkt an ein Labor, um mit einem PCR-Test festzustellen, ob in dieser Kohorte oder Gruppe ein positiver Fall vorliegt).

Fazit 

Ich bedanke mich sehr bei Frau Litz für die Bereitschaft für dieses Interview. Zusammenfassend kann man sagen, dass durch die spielerische Herangehensweise und Erklärung die Testungen sehr positiv angekommen sind, sowohl bei den Kindern, als auch bei den Eltern. Als Fazit sehe ich diese spielerische Herangehensweise und die offene Kommunikation mit Eltern als erfolgsweisend.

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Referentin und Fachberatung des DRK-Landesverband Baden-Württemberg e.V. zuständig für alle 16 DRK-Kindertageseinrichtungen im Verband

 

Carolin Ziegenhagen

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Leiterin des DRK-Kinderhaus in Heilbronn, eine GTE für 77 Kinder ab 1 Jahr bis zum Schuleintritt

 

Gabriele Litz

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