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Recht & Verwaltung07 Dezember, 2022

Bürgergeld-Gesetz: Welche Auswirkungen ergeben sich für das SGB II?

Prof. Dr. Peter Becker, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a.D.

Das Bürgergeld-Gesetz ist am 25.11.2022 in Bundestag und Bundesrat verabschiedet und am 20.12.2022 im BGBl. I S. 2328 verkündet worden. Der vollständige Titel des Gesetzes lautet „Zwölftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz)“. Hier die wichtigsten Änderungen für das SGB II und die Jobcenter im Überblick:

Geschichte des Bürgergeld-Gesetzes

Ausgangspunkt ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung in BT-Drucks. 20/3873. Die Regelungen zum SGB II finden sich in Art. 1 Bürgergeld-Gesetz (Änderungen des SGB II auf S. 10 ff., Begründung dazu auf S. 68 ff.).

Entscheidender Zwischenschritt waren Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Bundestags in BT-Drucks. 20/4360, die zu einigen Änderungen führten (vgl. S. 8 ff. und zur Begründung dazu auf S. 29 ff.).

Den Abschluss bildete die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (BT-Drucks. 20/4600), zu der es – wie immer beim Vermittlungsausschuss – keine offizielle Begründung gibt.

Vorbemerkung

Wesentliche Änderungen sind nicht im SGB II zu finden, sondern in anderen ebenfalls im Bürgergeld-Gesetz geänderten Gesetzen, wie z.B. die Erhöhung der Regelbedarfe in Änderungen des SGB XII. Diese Änderungen anderer Gesetze sind der Vollständigkeit halber in der folgenden Darstellung der Änderungen des SGB II eingebaut.

In Kraft treten wird das Gesetz insgesamt grundsätzlich am 01.01.2023; wesentliche Änderungen jedoch erst am 01.07.2023 (Art. 13 Bürgergeld-Gesetz). Im Folgenden wird zwischen diesen beiden Zeitpunkten des Inkrafttretens unterschieden, um die jeweilige Umsetzung in der Praxis zu erleichtern:

Änderungen durch das Bürgergeld-Gesetz | Inkrafttreten am 01.01.2023

Begriff des Bürgergeldes und Umbenennung

Umbenennung des SGB II in: „Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende“ sowie Ersetzung der Wörter „Arbeitslosengeld II“ und „Sozialgeld“ durch das Wort „Bürgergeld“ entsprechend der Intention des Gesetzes: „Einführung eines Bürgergeldes“.

Regelsätze und Schulbedarfspauschale

Deutliche Erhöhung der Regelbedarfe gemäß § 20 SGB II durch die Verweisung auf das SGB XII. Grundlage für die neuen Beträge sind die Einführung einer „ergänzenden Fortschreibung“ neben dem bisherigen (nun „Basisfortschreibung“ genannten) Verfahren durch die Neufassung des § 28a SGB XII „Fortschreibung der Regelbedarfsstufen“, den neuen § 134 SGB XII „Fortschreibung der Regelbedarfsstufen zum 1. Januar 2023“; die Ergänzung der Tabelle in der Anlage zu § 28 SGB XII um folgende Zeile, aus der sich die Beträge für die neuen Regelbedarfsstufen ergeben:

Tabelle1_Buergergeld

(Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 30 f., 34 f.; Begründung: S. 107 f., 115 ff.).

Gleichzeitige Erhöhung der Pauschale für den persönlichen Schulbedarf nach § 28 Abs. 3 SGB II, der ebenfalls auf das SGB XII verweist, durch Ergänzung der Tabelle in der Anlage zu § 34 SGB XII um folgende Zeile, aus der sich die neuen Beträge ergeben: 

Tabelle2_Buergergeld

(Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 117).

Keine vorrangige Vermittlung

Abschaffung des Vorrangs der Vermittlung in eine Erwerbsarbeit durch Gleichstellung der Aufnahme einer Ausbildung in der Neufassung des § 3 SGB II.

Vermögen

Einführung einer Karenzzeit und Neuregelung des nicht zu berücksichtigenden Vermögens u.a. hinsichtlich eines selbstbewohnten Hauses, der Einführung eines Freibetrags von 15.000 Euro pro Person, der innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft übertragen werden kann. In der Karenzzeit von einem Jahr wird ein selbstbewohntes Haus beziehungsweise eine selbstbewohnte Eigentumswohnung nicht und im Übrigen nur erhebliches Vermögen berücksichtigt. Erhebliches Vermögen liegt vor, wenn das zu berücksichtigende Vermögen 40.000 Euro für die leistungsberechtigte Person und 15.000 Euro für jede andere Person in der Bedarfsgemeinschaft übersteigt.
(Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 76 ff., BT-Drucks. 20/4600 Nr. 1. b).

Vorzeitige Altersrente

Aussetzung der Pflicht zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente durch Ergänzung des § 12a SGB II. (Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 80).

Ähnlich ausgesetzt wurde die Pflicht zur Beantragung von Wohngeld durch Art. 3 Wohngeld-Plus-Gesetz, das ebenfalls am 25.11.2022 verabschiedet wurde.

Unterkunft

Einführung einer Karenzzeit von einem Jahr hinsichtlich der Aufwendungen für die Unterkunft (aber nicht der Heizung) in § 22 Abs. 1 SGB II. (Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 19, BT-Drucks. 20/4360 S. 13, BT-Drucks. 20/4600 Nr. 1. f).

Bagatellgrenze

Einführung einer Bagatellgrenze von 50 Euro für die gesamte Bedarfsgemeinschaft bei Aufhebungen und Erstattung nach §§ 45 ff. SGB X durch Ergänzung des § 40 Abs. 1 SGB II. Weiter: Begrenzung der Minderjährigenhaftung durch einen Freibetrag von 15.000 Euro im neuen § 40 Abs. 9 SGB II
(Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 21, 93, BT-Drucks. 20/4360 S. 14, 36).

Teilhabe am Arbeitsmarkt

Entfristung des § 16i SGB II über die Teilhabe am Arbeitsmarkt durch Aufhebung des § 81 SGB II.

Sanktionen

Neugestaltung der Regelungen zu den bisherigen Sanktionen, in Zukunft: „Leistungsminderungen“ in §§ 31 – 32 SGB II. Ausgehend vom Urteil des BVerfG vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16, insbesondere Begrenzung der Leistungsminderung auf 30 % des maßgebenden Regelbedarfs, Wegfall der Sonderregelung für Unter-25-Jährige.

(Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 20 f., BT-Drucks. 20/4360 S. 13, BT-Drucks. 20/4600 Nr. 1. g-j).

Änderungen durch das Bürgergeld-Gesetz | Inkrafttreten am 01.07.2023

Erreichbarkeit

Neuregelung der Erreichbarkeit durch Streichung des § 7 Abs. 4a SGB II und Einfügung eines neuen § 7b SGB II, der noch durch eine Verordnung konkretisiert werden soll.
(Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 71 f.).

Einkommen

Änderungen bei den als Einkommen zu berücksichtigenden Einnahmen, wenn es sich um einmalige Einnahmen handelt (neue Abs. 2, 3 des § 11 SGB II) sowie Begrenzung der zu berücksichtigenden Einnahmen beziehungsweise Erhöhung der Freibeträge hinsichtlich:

  • Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten (zukünftig 3.000 Euro jährlich)
  • Mutterschaftsgeld
  • Erbschaften (Berücksichtigung als Vermögen ab dem Folgemonat)
  • Erwerbseinkommen von Schüler:innen, von Studierenden und von Auszubildenden in Schulferien beziehungsweise bis zu einer bestimmten Höhe
  • Des Weiteren: Erwerbstätigenfreibetrag durch Erhöhung der Prozentsätze

(Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 13, 71 f., BT-Drucks. 20/4360 S. 8 ff., 29 f.).

Grundsatz des Förderns

Neufassung des § 14 SGB II „Grundsatz des Förderns“, um die Unterstützung der Leistungsberechtigten zu betonen.
(Siehe: BT-Drucks. 20/4360 S. 10 f., 31).

Kooperationsplan

Abschaffung der Eingliederungsvereinbarung und Ersetzung durch einen Kooperationsplan (neuer §§ 15, 15a SGB II).
(Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 16 ff., BT-Drucks. 20/4360 S. 11 f., BT-Drucks. 20/4600 Nr. 1 c, d).

Weiterbildung

Verbesserung der Möglichkeiten zur Weiterbildung, einschließlich Entfristung der Weiterbildungsprämie, Einführung eines Weiterbildungsgelds und Bürgergeldbonus durch Neuregelungen in § 16 Abs. 3b, § 16j SGB II sowie in § 87a SGB III (bei gleichzeitiger Aufhebung des § 131a Abs. 3 SGB III).
(Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 85 f., 99).

Betreuung

Einführung der neuen Leistung „Ganzheitliche Betreuung“ in einem neuen § 16k SGB II.
(Siehe: BT-Drucks. 20/3873 S. 18, 86 f., BT-Drucks. 20/4360 S. 12 f.)

Medizinische Rehabilitation

Bei medizinischer Rehabilitation anderer Leistungsträger: Beschränkung der Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II auf die Fälle der Zahlung von Verletztengeld nach dem SGB VII (Neufassung des § 25 SGB II sowie Änderungen im SGB VI).

Autor:
Prof. Dr. Peter Becker

Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a.D., Honorarprofessor der Universität Kassel und Chief-Editor der eGovPraxis Sozialhilfe.

Bildnachweis: nmann77/stock.adobe.com
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