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Recht & Verwaltung11 April, 2022

OVG NRW entscheidet über die Beihilfefähigkeit testosteronhaltiger Arzneimittel 

Redaktion eGovPraxis Personal

Sachverhalt 

Der Kläger ist Beamter und lebt in Nordrhein-Westfalen.
Nach einem fachurologischen Gutachten hat er das Medikament „Nebido“ mit dem Wirkstoff Testosteron ausschließlich deshalb erhalten, weil er unter Symptomen einer Depression und des körperlichen Leistungsabfalls, denen Krankheitswert zukomme, leide, die durch einen Testosteronmangel bedingt gewesen seien. 

Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung von Beihilfe in gesetzlicher Höhe für die Beschaffung des Medikamentes „Nebido“ zusteht und, dass die Verpflichtungsklage daher begründet ist.

Die beklagte Behörde hat daraufhin die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel beantragt. 

Entscheidung

Das OVG Nordrhein-Westfalen hat mit dem vorliegenden Beschluss vom 04.05.2021 – 1 A 839/19 –  zur Beihilfefähigkeit von testosteronhaltigen Arzneimitteln Stellung genommen.

Das von dem Kläger beschaffte Arzneimittel „Nebido“ unterfalle grundsätzlich dem Ausschlusstatbestand gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 der Bundesbeihilfeverordnung (BbhV) in der hier anwendbaren Fassung vom 18.07.2014 in Verbindung mit Abschnitt 5 der Anlage 5 zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) in der Fassung vom 27.05.2015. Danach seien Aufwendungen für Arzneimittel, die überwiegend der Erhöhung der Lebensqualität dienten (Anlage 5), im Grundsatz nicht beihilfefähig. Hierunter fielen auch Fertigarzneimittel, die in Anlage 5 zwar nicht namentlich aufgeführt seien, deren Wirkstoff jedoch genannt werde. Die Beurteilung, ob ein (Fertig-)Arzneimittel der Anlage 5 unterfalle, hängt somit von dem Wirkstoff ab und nicht auch davon, dass der Handelsname aufgeführt sei, unter dem dieser vertrieben werde. Daher greife im konkreten Fall der genannte Ausschlusstatbestand ungeachtet dessen ein, dass in der Tabelle in dem Abschnitt 5 ("Steigerung des sexuellen Verlangens") der Anlage 5 dem in der linken Spalte („Wirkstoff“) aufgeführten Wirkstoff „G 03 BA 03 Testosteron“ in der rechten Spalte ("Fertigarzneimittel, alle Wirkstärken") nur das Fertigarzneimittel „Intrinsa“, nicht aber auch das dem Kläger verordnete Fertigarzneimittel „Nebido“ zugeordnet werde.

Das Verwaltungsgericht habe jedoch seine Entscheidung zu Recht auf die Ausnahme zum Beihilfeausschluss in § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBhV gestützt. Danach gelte der Ausschluss nicht, wenn im Einzelfall nicht der in Anlage 5 genannte Zweck, sondern die Behandlung einer anderen Körperfunktionsstörung im Vordergrund stehe, die eine Krankheit sei, und (Buchst. a) es keine anderen zur Behandlung dieser Krankheit zugelassenen Arzneimittel gebe oder (Buchst. b) die anderen zugelassenen Arzneimittel im Einzelfall unverträglich seien oder sich als nicht wirksam erwiesen hätten. 

Hieran habe die beklagte Behörde keine ernstlichen Zweifel hinreichend dargelegt. Die Beklagte habe nicht in Abrede gestellt, dass bei der Verordnung des Arzneimittels „Nebido“ nicht die Steigerung des sexuellen Verlangens im Vordergrund gestanden habe, sondern die Behandlung einer anderen Körperfunktionsstörung. 

Die Beklagte habe außerdem nicht dargelegt, dass es überhaupt andere Arzneimittel gebe, die zur Behandlung der beim Kläger diagnostizierten Krankheiten zugelassen seien. 

Eine solche Darlegung sei jedoch zur Begründung von ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Ergebnisses des angegriffenen Urteils erforderlich gewesen. 

Der Antrag auf Zulassung der Berufung werde daher im Ergebnis abgelehnt. 

Praktische Bedeutung 

Das OVG NRW hat mit dem vorliegenden Beschluss die Voraussetzungen einer Beihilfefähigkeit von testosteronhaltigen Arzneimitteln geklärt.

Hierbei hat das Gericht insbesondere auf die Ausnahme vom Beihilfeausschluss für Arzneimitteln hingewiesen, bei denen die Behandlung einer anderen Körperfunktionsstörung im Vordergrund steht.

Das OVG NRW betont in diesem Zusammenhang, dass schon das Fehlen eines anderen zugelassenen Arzneimittels eine eigenständige Ausnahme vom Beihilfeausschluss begründet. 

Nach Auffassung des OVG NRW drängt es sich dabei nicht auf, dass es ein anderes Arzneimittel gibt, wenn der behandelnde Urologe die von ihm diagnostizierten Erkrankungen gerade auf den festgestellten erheblichen Testosteronmangel zurückgeführt hat.
Bildnachweis: Getty Images
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