Aus der Redaktion von Wolters Kluwer Online
Arzthaftung bei wegen unzureichender pränataler Beratung nicht erfolgtem Schwangerschaftsabbruch
Sachverhalt: Forderung von Schadensersatz wegen unzureichender ärztlicher Beratung einer Schwangeren über Befunde pränataler Untersuchungen
Die Kläger nehmen die Beklagten, einen Krankenhausträger und einen behandelnden Arzt, wegen unzureichender Beratung über die Möglichkeit einer schweren Behinderung ihres ungeborenen Kindes auf Schadensersatz in Anspruch.Nach der Geburt eines gesunden Kindes im Jahr 2005 ließ die Klägerin eine weitere gewünscht eingetretene Schwangerschaft im Jahr 2010 abbrechen, nachdem bei dem Kind ein sog. Turner-Syndrom diagnostiziert worden war. Im Juni 2011 wurde bei der Klägerin eine weitere Schwangerschaft festgestellt. Die Beklagten übernahmen deren Betreuung ab der 12. Schwangerschaftswoche.
Am 10.11.2011 wurde sonografisch eine Erweiterung der Hirnwasserkammer festgestellt und am 15.11.2011 eine MRT-Aufnahme gemacht. Diese ergab im Gehirn eine komplexe Mittellinienstörung mit Hydrozephalus, Balkendysgenesie und Falxhypoplasie.
Am 17.11.2011 wurde die Klägerin wegen einer Muttermundschwäche stationär in der Klinik der Beklagten zu 1 aufgenommen, wo sie bis zum 24.11.2011 blieb. In dieser Zeit führten die Kläger Gespräche hinsichtlich des MRT-Befundes.
Nach der Geburt des Kindes am Anfang Januar 2012 wurde festgestellt, dass es an einer seltenen Fehlbildung des Gehirns in Form eines sogenannten Aicardi-Syndroms leidet. Die Augen sind fehlgestaltet, das Kind ist in seiner kognitiven und motorischen Entwicklung stark retardiert.
Die Kläger behaupten, aus dem MRT vom 15.11.2011 habe sich der Befund einer schweren Hirnfehlbildung ergeben, der ihnen nicht mitgeteilt worden sei. Angesichts der festgestellten Befunde - insbesondere des Umstands, dass eine corpus callosum-Agenesie mit einer Begleitfehlbildung eines Hydrozephalus vorgelegen habe - sei mit schweren Fehlbildungen zu rechnen gewesen. Wäre ihnen dies mitgeteilt worden, hätten sie sich angesichts der dann gegebenen Prognose einer schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung der Klägerin für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden. Aufgrund der Geburt und Pflege des schwerstbehinderten Kindes habe die Klägerin eine tiefgreifende und dauerhafte Depression erlitten sowie einen körperlichen Erschöpfungszustand mit Krankheitswert.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufungen der Kläger hat das OLG das Urteil des LG abgeändert und der Klage überwiegend stattgegeben. Mit ihren durch den Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten ihre Anträge auf Zurückweisung der Berufungen weiter.
Begründung: Haftung nur bei rechtmäßigem hypothetischen Abbruch wegen Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren
Mit dem vorliegenden Urteil vom 14.02.2023 - VI ZR 295/20 - hat der BGH zur Arzthaftung im Hinblick auf die Beratung einer schwangeren Frau Stellung genommen.Der BGH hat entschieden, dass der beklagte Krankenhausträger hier seine vertragliche Verpflichtung zur pränatalen Beratung der Klägerin verletzt hat.
Aus Sicht des BGH wies der behandelnde Arzt hier die Kläger bei der Besprechung des MRT-Befunds nicht auf die bekannte Möglichkeit einer schweren Behinderung jedenfalls in realistischer Weise hin, obwohl diese mit einer nicht nur völlig untergeordneten Wahrscheinlichkeit bestand. Für die Kläger war nicht erkennbar, dass die diagnostizierten Auffälligkeiten auf eine schwere Behinderung des Kindes hindeuten können.
Die Kläger hätte sich bei einer ordnungsgemäßen Beratung auch dafür entschieden, die Schwangerschaft abzubrechen.
Nach Auffassung des BGH können jedoch die vom Berufungsgericht bisher getroffenen Feststellungen nicht dessen rechtliche Beurteilung begründen, dass ein Schwangerschaftsabbruch der Klägerin rechtmäßig gewesen wäre.
Die Verpflichtung zum Schadensersatz hat nach Worten des BGH nämlich zur Voraussetzung, dass der Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig gewesen wäre, da es ansonsten nach dem Schutzzweck der vertraglichen Beratungspflicht am haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang fehlt.
Nach § 218a Abs. 2 StGB ist der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.
Hierbei müssen Belastungen zu befürchten sein, die von der Frau ein solches Maß an Aufopferung eigener Lebenswerte verlangen, dass dies von ihr nicht erwartet werden kann. Bei Fallgestaltungen wie hier im Fall muss geprüft werden, ob sich für die Mutter aus der Geburt des schwerbehinderten Kindes und der hieraus resultierenden besonderen Lebenssituation Belastungen ergeben, die sie in ihrer Konstitution überfordern und die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres insbesondere seelischen Gesundheitszustandes als so drohend erscheinen lassen, dass bei der gebotenen Güterabwägung das Lebensrecht des Ungeborenen dahinter zurückzutreten hat.
Aus Sicht des BGH lässt sich hier mit der Begründung des Berufungsgerichts der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang und damit die Rechtmäßigkeit eines zum maßgeblichen Zeitpunkt der Aufklärungspflichtverletzung vorgenommenen Abbruchs nicht annehmen.
Bei der Prüfung, ob die Gefahr einer Gesundheitsbeeinträchtigung der Schwangeren so drohend ist, dass das Lebensrecht des Ungeborenen ausnahmsweise zurückzutreten hat, kommt es nach Worten des BGH auch auf den fortgeschrittenen Zustand der Schwangerschaft an. Auch wenn das Lebensrecht des Kindes dem Grunde nach eine zeitliche Differenzierung der Schutzpflicht nicht zulässt, sind bei der Abwägung zur Bestimmung der Voraussetzungen der medizinischen Indikation auch die Dauer der Schwangerschaft und die daraus resultierende besondere Situation für Mutter und Kind zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich wie hier um ein lebensfähiges Kind einige Wochen vor der Geburt handelt.
Der BGH hat im Ergebnis das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Praktische Bedeutung des Urteils des BGH vom 14.02.2023, VI ZR 295/20
Mit dem vorliegenden Urteil hat der BGH zur Arzthaftung wegen einer angeblich unzureichenden Beratung über die Möglichkeit einer schweren Behinderung eines ungeborenen Kindes Stellung genommen. Eine Arzthaftung kommt danach in Betracht, wenn eine Frau infolge einer solchen unzureichenden Beratung ein schwerbehindertes Kind zur Welt bringt und sie sich bei einer ordnungsgemäßen Beratung für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden hätte.Der BGH betont hierbei, dass eine Arzthaftung hierbei voraussetzt, dass der Schwangerschaftsabbruch rechtmäßig gewesen wäre. Der BGH erläutert, dass die Mutter im Schadensersatzprozess nach allgemeinen Grundsätzen darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, dass die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch wegen medizinischer Indikation bei fehlerfreier Beratung vorgelegen hätten. Hierzu ist nach Auffassung des BGH eine Prognose erforderlich, bei der darauf abzustellen ist, ob von einer Gefahr für das Leben oder der Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Mutter auszugehen war. Auf der Grundlage einer solchen Prognose ist dann zu entscheiden, ob das Lebensrecht des Ungeborenen ausnahmsweise zurückzutreten hat und deshalb ein Abbruch angezeigt ist.
Im konkreten Fall hat das beklagte Unternehmen mit der Preisänderungsankündigung vom 15.03.2018 gegen das Transparenzgebot des § 41 Abs. 3 S. 1 EnWG a.F. verstoßen. Der Inhalt der Mitteilung in der Verbrauchsabrechnung der Beklagten genügt den Anforderungen nicht. Denn sie schlüsselt die einzelnen Preisbestandteile, die nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in dem vom Kunden zu zahlenden Strompreis enthalten sind, nicht auf und nimmt daher auch keine Gegenüberstellung der für die einzelnen Preisbestandteile vor und nach der Preisänderung geltenden Preise vor.
Praktische Bedeutung des Urteils vom 21.12.2022, VIII ZR 199/20
Der BGH hat in diesem Urteil klargestellt, dass für Stromkunden außerhalb der Grundversorgung kein geringeres Informationsbedürfnis besteht. Dementsprechend sieht § 41 Abs. 5 S. 3 EnWG n.F. nach Worten des BGH nun auch ausdrücklich für Lieferverträge außerhalb der Grundversorgung vor, dass die Unterrichtung über Preisänderungen "auf verständliche und einfache Weise unter Hinweis auf Anlass, Voraussetzungen und Umfang der Preisänderungen" zu erfolgen hat.
Der BGH weist außerdem darauf hin, dass es dem Kunden des Energieversorgers nur bei der erforderlichen Aufschlüsselung des Strompreises und bei einer Gegenüberstellung der jeweiligen aktuellen und künftigen Preise möglich ist, die angekündigte Preisänderung und ihre Berechtigung anhand der vertraglichen Regelungen ausreichend nachzuvollziehen sowie nach Grund und Höhe zu bewerten, zudem die Leistungen und Preise seines Energieversorgers mit denen anderer Anbieter zu vergleichen und schließlich auf dieser Grundlage die Wettbewerber zur Unterbreitung eines Angebots aufzufordern.
Für den Kunden ist es aus Sicht des BGH bei einer angekündigten Preiserhöhung von großer Bedeutung, bereits anhand der Unterrichtung beurteilen zu können, ob der angekündigte höhere Gesamtpreis auf der Veränderung eines von seinem Energieversorger beeinflussbaren Preisbestandteils basiert und deshalb die Einholung eines Vergleichsangebots eines Wettbewerbers zur Prüfung eines Versorgerwechsels sinnvoll ist.