Unterlassene Arbeitsaufnahme
Recht & Verwaltung28 April, 2023

LSG: Wann ist eine unterlassene Arbeitsaufnahme ein sozialwidriges Verhalten?

Redaktion eGovPraxis Jobcenter

§ 34 Abs. 1 SGB II enthält die Regelung, dass Leistungen des Jobcenters zu erstatten sind, wenn die Hilfebedürftigkeit ohne wichtigen Grund herbeigeführt, aufrechterhalten oder nicht verringert (sozialwidriges Verhalten) wird.

Es fragt sich nun, ob ein sozialwidriges Verhalten eintritt, wenn die hilfesuchende Person eine außerhalb des Tagespendelbereichs gelegene Arbeitsstelle nicht antritt, weil das Jobcenter ihr nicht die benötigte Hilfe leistet. Diesen Fall hatte das LSG Niedersachsen-Bremen zu entscheiden.

Der Fall

Die hilfesuchende Person war seit mehr als 10 Jahren ohne Arbeit, von gelegentlichen Hilfsarbeiten abgesehen. Sie bewarb sich regelmäßig erfolglos um eine Arbeitsstelle in ihrem erlernten Beruf. Das Jobcenter lehnte Hilfeleistungen ab, da ihre Bewerbungen nicht mehr erfolgversprechend seien.

Die Person erhielt sodann einen Arbeitsvertrag in einer ca. 190 km entfernt gelegenen Behörde. Zur Arbeitsaufnahme kam es jedoch nicht, weil das Jobcenter die Übernahme der Mietkaution für eine neue Wohnung ablehnte und sie daher nicht umziehen konnte. Die Person wendet sich gegen die Erstattungsforderung des Jobcenters und den Vorwurf, sie habe vorsätzlich das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses verhindert.

Die Entscheidung

Das LSG hat entschieden, dass die unterlassene Aufnahme einer Arbeit jedenfalls dann kein sozialwidriges Verhalten darstellt, wenn das Jobcenter den Betroffenen "allein lässt" und nicht die nötige Hilfe leistet. Der Nichtantritt einer außerhalb des Tagespendelbereichs gelegenen Arbeitsstelle stelle kein sozialwidriges Verhalten im Sinne eines objektiven Unwerturteils dar, wenn der Arbeitsuchende am künftigen Beschäftigungsort keine Wohnung anmieten könne, weil ihm selbst die Mittel für eine Mietkaution fehlten und das Jobcenter die Übernahme der Mietkaution abgelehnt habe.

Fazit

Die Entscheidung des LSG zeigt auf, dass für ein die Erstattungsforderung auslösendes sozialwidriges Verhalten Handlungen, die

  • auf eine Einschränkung bzw. den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder der Erwerbsmöglichkeit
    oder
  • auf die Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit bzw. der Leistungserbringung gerichtet 
    oder
  • einen spezifischen Bezug zu anderen nach den Wertungen des SGB II zu missbilligenden Verhaltensweisen aufweisen,

erforderlich sind.

Werden solche verneint kann der hilfesuchenden Person, die in einer ein rasches und klares Behördenhandeln erfordernden Situation von beiden in Betracht kommenden SGB II-Leistungsträgern vollkommen „allein gelassen“ wurde, kein sozialwidriges Verhalten im Sinne des § 34 SGB II vorgeworfen werden. 

Quelle: Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 26.01.2023 – L 11 AS 336/21

Bildnachweis: bnenin/stock.adobe.com
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