Pflichten Lieferkette Baurecht
Recht & Verwaltung02 Januar, 2024

Teamwork und Pflichten in der Lieferkette

Ab dem 1. Januar 2024 gilt das Lieferkettengesetz auch für Unternehmen ab 1000 Arbeitnehmer. Welche Pflichten ergeben sich aus dem Gesetz für direkt betroffene Unternehmen, ihre Zulieferer und Nachtunternehmer?
Prof. Dr. Mark von Wietersheim
Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten – kurz: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – ist schon zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Im Baubereich werden nur einige Unternehmen direkt vom LkSG erfasst. Da es aber die gesamte Lieferkette in Blick nimmt, sind alle direkten und indirekten Lieferanten und Auftragnehmer der unmittelbar verpflichteten Unternehmen potentiell betroffen.

Direkter Anwendungsbereich des LkSG

Der Anwendungsbereich bezogen auf die verpflichteten Unternehmen ist vor allem durch die erforderliche Größe beschränkt (bis 31.12.2023 bei mindestens 3000 Arbeitnehmern). Nach § 1 Abs. 1, 2 LkSG ist das Gesetz anwendbar auf Unternehmen, ungeachtet ihrer Rechtsform, mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßigem Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland. Ab dem 1.1.2024 beträgt die Schwelle für die Anwendung des LkSG nur noch 1.000 Arbeitnehmer, § 1 Abs. 1 Satz 3 LkSG.

Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist dabei sehr weit gefasst. Die grundsätzliche Beschreibung findet sich in § 2 Abs. 5 LkSG. Danach betrifft die Lieferkette im Sinne des Gesetzes alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens. Sie umfasst nach der gesetzlichen Definition alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu der Lieferung an den Endkunden und erfasst das Handeln eines Unternehmens sowohl im eigenen Geschäftsbereich als auch das Handeln eines unmittelbaren oder mittelbaren Zulieferers.

Anwendungsbereiche mit Begriffsbezug zum Bau

Begrifflich scheinen die angesprochenen „Herstellung von Produkten“ und „Dienstleistungen“ nicht direkt auf die üblichen Begriffe im Baubereich zu passen. Sie entsprechen bei erstem Lesen nicht der Definition des Werkvertrages iSd § 632 BGB oder des Bauvertrages iSd § 650a BGB. Nach allgemeinem Verständnis soll der Anwendungsbereich des Gesetzes aber auch Bauleistungen erfassen (so auch Tschäpe/Trefzger, ZfBR 2023, S. 423).

So befasst sich die Gesetzesbegründung (BR-Drs. 19/28649 S. 27) auch mit den Auswirkungen des Gesetzes auf das Baugewerbe. Dort wird festgestellt, dass es – mit anderen Branchen gemeinsam – eine Anzahl von 180 Unternehmen gibt, für die das Gesetz gilt (Tschäpe/Trefzger, ZfBR 2023, S. 423 gehen von 44 betroffenen Unternehmen der Bauindustrie aus). Es sind daher die fertigen Werkleistungen als Produkt im Sinne des LkSG zu verstehen. Als Zulieferer im Sinne des LkSG sind daher sowohl die Lieferanten und Verkäufer von Baumaterialien und Bauteilen sowie die eingeschalteten Subunternehmer zu verstehen, aber auch Vermieter von Baumaschinen uvm.

Das LkSG verpflichtet nur den genannten Unternehmenskreis. Allerdings geht das Gesetz selber davon aus, dass die Lieferkette auch in die Zuliefer-Unternehmen hineinreicht. Da nur wenige Unternehmen selber die Schwelle von 1.000 Arbeitnehmern überschreiten werden, sind die mittelbaren Auswirkungen des LkSG zu betrachten.

Überblick über die Pflichten der direkt betroffenen Unternehmen

Das LkSG verpflichtet die betroffenen Unternehmen in unterschiedlicher Weise, abhängig davon, ob ihr eigener Geschäftsbereich oder ein fremder Geschäftsbereich betroffen ist. Während die Unternehmen im eigenen Geschäftsbereich eine Erfolgspflicht treffen kann, schulden sie für fremde Geschäftsbereiche vor allem ein Bemühen um Einhaltung der Ziele des LkSG (Tschäpe/Trefzger, ZfBR 2023, S. 424; Pour Rafsendjani/Schäfer, RFamU 2023, S. 299).

Nach § 4 LkSG müssen Unternehmen ein angemessenes und wirksames Risikomanagement einrichten, das nach § 4 Abs. 1 LkSG in allen maßgeblichen Geschäftsabläufen durch angemessene Maßnahmen zu verankern ist. Das Risikomanagement dient der Einhaltung sämtlicher Sorgfaltspflichten und erfasst Maßnahmen der Identifikation von Risiken, der Prävention und der Abhilfe (Pour Rafsendjani/Schäfer, RFamU 2023, S. 299).

Dabei ist die wesentliche Voraussetzung für ein wirksames Risikomanagement die Durchführung einer angemessenen Risikoanalyse im Sinne des § 5 LkSG. Sie dient dazu, die relevanten Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei den unmittelbaren Zulieferern zu ermitteln, damit sie angemessen gewichtet und priorisiert werden können.

Bei im eigenen Geschäftsbereich festgestellten Verstößen gilt nach § 7 Abs. 1 Satz 3 LkSG eine Abhilfepflicht. Bei Verstößen bei unmittelbaren Zulieferern gilt nur das Bemühen um eine Abhilfe und ein Konzept zur Beendigung oder Minimierung, wenn das Unternehmen den Verstoß nicht in absehbarer Zeit beenden kann.

Mittelbare Zulieferer müssen nach § 9 LkSG gleichfalls in die Risikoanalyse einbezogen werden, wenn substanzielle Kenntnis von Risiken oder Verletzung von menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken besteht. Hier besteht also ein Bezug zu den hier im Fokus stehenden Lieferanten und Nachunternehmern.

Die Risikoanalyse ist jährlich sowie anlassbezogen, etwa aufgrund von neuen Produkten, Projekten oder Geschäftsfeldern, aber auch bei regionalen oder länderspezifischen Veränderungen der für die Lieferkette relevanten Gegebenheiten, durchzuführen.

Anforderungen an die Dokumentation der Maßnahmen sind in § 10 LkSG geregelt.

Die Durchsetzung der Pflichten aus dem LkSG erfolgt öffentlich-rechtlich durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – BAFA (Pour Rafsendjani/Schäfer, RFamU 2023, S. 305). Die verpflichteten Unternehmen sind von weitgehenden Mitwirkungs- und Duldungspflichten betroffen.

Abgeleitete Pflichten von Lieferanten und Nachunternehmen

Die Erstellung der Risikoanalyse lässt grob in zwei Schritte gliedern. Im ersten Schritt sind Transparenz zu Art und Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit und Geschäftsbeziehungen in der Lieferkette zu schaffen. In einem zweiten Schritt hat das Unternehmen dann bestehende Risiken zu identifizieren, angemessen zu gewichten und zu priorisieren

Es ist zu erwarten, dass verpflichtete Unternehmen für ihre Risikoanalyse auf Informationen ihrer Zulieferer angewiesen sind. So wird es ggf. darum gehen, Informationen über festgestellte Risiken oder Verletzungen zu erhalten oder zu erfahren, ob der Zulieferer eine eigene Risikoanalyse durchführt und ggf. nach welcher Methode. Das verpflichtete Unternehmen benötigt außerdem Informationen zu den für das Produkt oder die Dienstleistung verwendeten Rohstoffen, Halberzeugnissen und Dienstleistungen und außerdem Informationen über Betriebsstätten von Vorlieferanten.

Je nach dem Ergebnis ihrer Risikoanalyse kann es sein, dass verpflichtete Unternehmen gegebenenfalls Präventionsmaßnahmen bei ihren Zulieferern durchführen müssen (z. B. Schulungen zu einem vereinbarten Lieferanten-kodex, Code of Conduct, oder die Verankerung vertraglicher Kontrollmechanismen).

Wenn verpflichtete Unternehmen Verletzungen der LkSG-Vorgaben feststellen, müssen sie sich um Abhilfe bemühen. In diesem Fall können sie einen Zulieferer ggf. auffordern, sich daran zu beteiligen.

Bei der Einrichtung von Beschwerdeverfahren können verpflichtete Unternehmen Zulieferer fragen, welche Personen als Nutzer dieses Verfahrens in Frage kommen (z. B. Beschäftigte, Anwohner) und darum bitten, dass Zulieferer das Verfahren diesen Gruppen zugänglich machen.

Lieferanten und Nachunternehmer eingeschränkt verpflichtet

Die Lieferanten und Nachunternehmer selber werden aber nur sehr eingeschränkt von Pflichten erfasst. Sie sind insbesondere nach dem LkSG nicht verpflichtet:

  • bezogen auf ihre Lieferkette eine eigene Risikoanalyse durchzuführen
  • selbst zu prüfen, welche Präventions- und Abhilfemaßnahmen sie bezogen auf ihre Lieferkette durchführen sollten
  • ein eigenes Beschwerdeverfahren einzurichten
  • Berichte an das BAFA zu übermitteln oder daran mitzuwirken

Die Einschränkungen bei den Pflichten der Lieferanten und Nachunternehmer wirkt sich darauf aus, wie sie mit Anfragen von den direkt verpflichteten Unternehmen umgehen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat sich in einer ausführlichen Handreichung mit diesen Themen befasst. Es weist dabei immer wieder auf die eingeschränkten Mitwirkungspflichten der Zulieferer hin.

Insbesondere verlangt das BAFA von den verpflichteten Unternehmen, Anforderungen an Lieferanten und Nachunternehmer nur mit Augenmaß vorzunehmen, diese zu begründen und insbesondere nicht den Versuch zu unternehmen, Lieferanten und Nachunternehmer zur Erfüllung der eigentlich dem verpflichteten Unternehmen obliegenden Aufgaben an seiner Stelle zur verpflichten.

Risikoanalyse und Übermittlung der Daten

Das BAFA verlangt, dass aus den Abfragen eines verpflichteten Unternehmens hervorgeht, ob das verpflichtete Unternehmen eine Risikoanalyse i. S. d. LkSG durchführt, welche Risiken dabei bisher festgestellt wurden und welche Fragen bezogen auf Risiken auf den konkreten Zulieferer daraus entstehen. Fehlt eine solche Begründung, empfiehlt das BAFA, dass ein Zulieferer sie beim verpflichteten Unternehmen einfordert und die Informationen erst bei vorliegender Begründung bereitstellen.

Bei der Übermittlung von Daten an das verpflichtete Unternehmen sollte der Zulieferer nach den Empfehlungen des BAFA genau prüfen, welche Informationen er schützen muss, z.B. weil es sich um Geschäftsgeheimnisse handelt. Diese sollte er unkenntlich machen oder in geeigneter Form zusammenfassen. Alternativ könnte er auch mit dem verpflichteten Unternehmen Verschwiegenheitsklauseln vereinbaren.

Das LkSG hat nur Unternehmen ab einer gewissen Größe direkt in die Pflicht genommen, weil die Erfüllung der Aufgaben nach dem LkSG durchaus Ressourcen erfordern. Das BAFA legt kleineren Lieferanten und Nachunternehmen nahe, beim verpflichteten Unternehmen anzufragen und darum zu bitten, dessen Ressourcen, Informationen und Tools zur Risikoermittlung mit nutzen zu dürfen.

Ebenfalls um eine Überlastung und eine pauschale Aufgabenübertragung zu vermeiden, sollen sich Lieferanten und Nachunternehmer nach den Hinweisen des BAFA bei der Aufforderung zur Beteiligung an Präventions- und Abhilfemaßnahmen oder der Ausgestaltung eines Beschwerdeverfahrens vom verpflichteten Unternehmen aufzeigen lassen, welche Risiken in ihrem Geschäftsbereich oder ihrer Lieferkette konkret festgestellt wurden, in welcher Weise die geforderte Beteiligung erfüllt werden kann und ob und wie das verpflichtete Unternehmen Unterstützung leisten kann.

Das BAFA weist darauf hin, dass es für verpflichtete Unternehmen unzulässig ist, seine Risikoanalyse durch Zusicherungen der Zulieferer zu ersetzen will; den Zulieferern Präventions- oder Abhilfemaßnahmen aufzugeben, die sie offenkundig überfordern (z. B. finanziell oder personell) oder sich vom Zulieferer pauschal die Freiheit von menschenrechtlichen Risiken in dessen Lieferketten zusichern lässt.

Lieferantenkodex

Eine direkte Betroffenheit der Lieferanten und Nachunternehmer kann sich aber ergeben, wenn ein verpflichtetes Unternehmen im Rahmen seiner eigenen Präventionsmaßnahmen ein Code of Conduct/einen Lieferantenkodex aufstellt und sich dessen Einhaltung vertraglich zusichern lässt.

Ein Verstoß gegen die so übernommenen Pflichten könnte eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung sein, wobei jedoch das verpflichtete Unternehmen einen Schaden nachweisen muss, zumal der Aufwand des eigenen Personals in der Regel nicht ersatzfähig ist (Tschäpe/Trefzger, ZFBR 2023, S. 432).

Ingenstau / Korbion
VOB Teile A und B

Kommentar
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