Wolters Kluwer: Herr Professor Mascello, im ersten Teil unserer Webinarreihe haben Sie folgende Aussage getroffen:
„Wenn eine bestimmte Aufgabe standardisierbar und digitalisierbar ist, wird es die Maschine mit höchster Wahrscheinlichkeit auch besser, schneller und günstiger erledigen. In diesen Bereichen als Mensch den offenen Kampf mit der Technologie zu suchen, wäre deshalb nicht sehr vernünftig.“
Das ist eine Ansage. Was raten Sie Unternehmensjuristen?
Zunächst muss man sich bewusst sein, dass Technologie nicht erst jetzt mit LegalTech, sondern schon viel länger die Arbeitsweise von Juristinnen und Juristen beeinflusst. Und dann sollte Technologie nicht stereotypisch als Treiber für Wechsel und als Bedrohung gesehen werden. Ich wurde zum Beispiel – obwohl ich meine Doktorarbeit bereits selbst am Bildschirm geschrieben hatte – vor 20 Jahren als angehender Anwalt dennoch gezwungen, diktieren zu lernen, während Seniorpartner die neu gelieferten Computer als Aktenablagefläche benutzten.
„Betrachten Sie Legal Tech nicht stereotyp als Bedrohung, sondern als nützliches Arbeitsmittel. Fragen Sie sich aber zuerst: In welchem Punkt kann ich tatsächlich Unterstützung brauchen?“
Und wie ist es heute? Wir Juristen – auch wenn wir es nicht gerne zugeben – nutzen Google für eine erste Recherche. Und mit den vielen neuen digitalen Angeboten wird es nicht einfacher, sich davor zu verschließen. Will man Technologie in die Arbeit einbauen, so ist für mich von Bedeutung, den richtigen Ansatz zu wählen. Wichtig ist für mich, dass man sich nicht zuerst auf dem Anbietermarkt umsieht, sich von einem tollen Produkt (davon gibt es genug!) begeistern lässt und dieses dann isoliert einkauft, in der stillen Hoffnung, dass das neue Tool die Lösung bringt. Ich befürchte dann eher Enttäuschungen. Deshalb empfehle ich vielmehr, von innen heraus zu entscheiden.
WK: Wie könnte das konkret aussehen?
Das bedeutet, dass der Rechtsdienst in einem ersten Schritt seinen Ist-Zustand identifiziert, d.h. untersucht, was er heute bereits alles erledigt. Anschließend kann entschieden werden, welche Arbeiten er weiterhin erledigen und was neu anderen internen Funktionen übergeben werden sollte. Alleine diese erste Analyse kann bedeutende Effizienzgewinne heben.
In einem zweiten Schritt wird dasselbe mit dem Soll-Zustand gemacht, d.h. der Rechtsdienst bestimmt, welche weiteren Arbeiten vorteilhafterweise durch ihn selber erledigt werden sollten. Hierbei ist zu beachten, dass man sich wegen der allfälligen Folgen für die Ressourcen – noch – keine Gedanken machen sollte, weil später mit einem passenden Business Case die Geschäftsleitung überzeugt werden kann.
„Analysieren Sie zunächst, welche Tätigkeiten durch wen erledigt werden sollen. Schauen Sie sich dann die Wertschöpfungskette an.“
Sind also einmal die Tätigkeiten analysiert worden, geht es dann an die Prozesslandschaft, wo die Wertschöpfungskette genauer untersucht wird. Hier stellt sich u.a. die Frage, wie im Detail die einzelnen Arbeiten erledigt werden, ob es Möglichkeiten zur Modularisierung und Standardisierung gibt und ob bzw. welche Teile für eine technische Lösung prädestiniert wären.
Hat man all diese Vorarbeiten sorgfältig erledigt, kann man – dann als informierter Einkäufer – endlich den Markt konsultieren. Denn erst so wird man feststellen können, ob ein tolles Produkt dem eigenen Rechtsdienst tatsächlich auch helfen kann. Und erst dann kann man sich auch inspirieren lassen und feststellen, welche allfälligen Lücken man übersehen haben könnte. Man muss sich langsam und informiert den neuen Angeboten nähern. Und es gibt leider auch nicht das eine für alle Rechtsabteilungen richtige Produkt, sondern das hängt von den jeweiligen Bedürfnissen und Rahmenbedingungen ab.
WK: Wie sieht Ihr Rat in Bezug auf die Technologie aus: Wie sollte sich ein Unternehmensjurist sich gegenüber Legal Tech klugerweise verhalten?
Sich defensiv zu verhalten bringt meines Erachtens nichts, wie Sie mich anfänglich bereits zitiert haben. Allenfalls gewinnt man so einen zeitlichen Aufschub, aber anschließend werden die Konsequenzen umso heftiger ausfallen. Ich rate deshalb zu einem eher offenen und neugierigen Ansatz. Ferner empfehle ich auch den Austausch mit anderen Rechtsabteilungen, um gegenseitig lernen zu können.
„Start small and grow.“
Hat man einmal einen guten Überblick über die eigene Rechtsabteilung geschaffen, kann man beginnen, da und dort erste Erfahrungen mit technologischen Lösungen zu sammeln und daran zu wachsen, ganz nach dem Motto: „start small and grow“. Denn die Integration von technischen Lösungen bedarf nicht nur der Vorbereitung, sondern auch eines begleitenden Change Managements. Und Juristen sind weder im Projekt- noch Change Management, schon gar nicht mit technologischen Produkten, systematisch ausgebildet worden. Ich würde deshalb mit kleinen Projekten beginnen, um schnell Erfolge zu verzeichnen und die Mitarbeitenden positiv auf Change und Technologie einzustimmen. Anschließend kann man fortlaufend neue und größere Projekte einführen und umsetzen. Ein letzter Gedanke hierzu: Nicht alles wird ein Erfolg. Es kann auch vorkommen, dass ein Projekt zwar gut durchdacht war, am Ende aber trotzdem nicht funktioniert. Dann sollte man den Mut haben, den Misserfolg einzugestehen und das Projekt schnell und „in Würde“ zu beenden. Das schafft die notwendige Glaubwürdigkeit für nächste Projekte und schont überdies die oft ohnehin knappen Ressourcen.
Haben Sie Interesse, sich einen Überblick über verschiedene technologische Lösungen für Ihre Rechtsabteilung zu verschaffen?
Unsere Webinarreihe „Rechtsabteilungen in Zeiten der Digitalisierung“ bietet Ihnen die Gelegenheit dazu – mit unseren Webinaren zu professionellem Dokumentenmanagement, unternehmensweiter Zusammenarbeit , Diktiersoftware und Tools zur Dokumentenautomatisierung in Rechtsangelegenheiten.
Auch für das zweite Webinar zum Thema „Rechtsabteilung in Zeiten der Digitalisierung – Performance, Effizienz und Leistungsmessung“ von Prof. Dr. Mascello zum Abschluss unserer Reihe können Sie sich hier anmelden.