Verbot der Unter-pari-Emission
Recht & Verwaltung12 Dezember, 2023

OLG München: keine Freigabe wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Unter-pari-Emission

Redaktion Wolters Kluwer Online
Eine Anfechtungsklage gegen einen Beschluss einer Hauptversammlung über eine Sachkapitalerhöhung ist begründet, wenn die einzubringende Sacheinlage den im angefochtenen Beschluss angegebenen Wert nicht aufweist.

Dann liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Unter-pari-Emission gemäß § 9 Abs. 1 AktG vor.

Dies stellt einen Nichtigkeitsgrund gemäß § 241 Nr. 3 Alt. 2 AktG wegen Verstoßes gegen Gläubigerschutzvorschriften dar.

Sachverhalt: Freigabeverfahren bei Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen eine Sachkapitalerhöhung

Die Antragstellerin ist eine partiell börsennotierte Aktiengesellschaft deutschen Rechts. Über ihr Vermögen wurde 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet, das mit Insolvenzplan 2009 aufgehoben wurde.

Das Grundkapital wurde in der Folge – zuletzt 2017/18 – auf 1.407.234 Euro, eingeteilt in nennwertlose Stückaktien derselben Zahl, erhöht. Es handelt sich bei der Aktiengesellschaft um einen sog. Börsenmantel ohne eigenes operatives Geschäft.

Die Antragstellerin hat keine Einnahmen außer aus einem nachrangigen Darlehen der Muttergesellschaft der P. G. GmbH, ihrer Hauptaktionärin (P.).

Die Antragstellerin hat am 20.07.2022 zur Hauptversammlung eingeladen, die virtuell stattfinden sollte.

Mit Schreiben vom 27.07.2022 hat die P. beantragt, zwei weitere Beschlussvorlagen auf die Tagesordnung zu setzen.

  1. Eine Änderung der Satzung, durch die der Unternehmenszweck ausgeweitet werden sollte.

  2. Die streitgegenständliche Sachkapitalerhöhung: Danach soll das Stammkapital um 15,6 Mio Euro auf 17.007.234 Euro durch Ausgabe von 15,6 Mio Stückaktien ohne Nennwert erhöht werden.

Die Hauptversammlung stimmte der Beschlussvorlage mit 1.233.216 gegen 9.721 Stimmen zu. Die Antragsgegner widersprachen als Aktionäre der Beschlussfassung.

Die Antragstellerin hält die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen den streitgegenständlichen Beschluss für offensichtlich unbegründet, jedenfalls sei das Vollzugsinteresse der Antragstellerin vorrangig, sodass Freigabe zu erteilen sei.

Die Antragsgegner halten den Hauptversammlungsbeschluss aus einer Vielzahl von Gründen für rechtsfehlerhaft und damit für nichtig bzw. anfechtbar. In der mangelnden Werthaltigkeit der Sacheinlage liege ein Verstoß gegen das Verbot der Unter-pari-Emission.

Begründung: Kein Erfolg des Freigabeverfahrens

Das OLG München hat den Antrag auf Freigabe zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Gerichts sind die von den Antragsgegnern erhobenen Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklagen nicht unzulässig oder offensichtlich unbegründet.

Aus Sicht des OLG wäre eine Begründetheit der Klagen anzunehmen, wenn die einzubringende Sacheinlage den im angefochtenen Beschluss angegebenen Wert von 15,6 Millionen Euro nicht aufweist.

Damit läge ein Verstoß gegen das Verbot der Unter-pari-Emission gemäß § 9 Abs. 1 AktG vor.

Ein solcher Verstoß stellt einen Nichtigkeitsgrund gemäß § 241 Nr. 3 Var. 2 AktG wegen Verstoß gegen Gläubigerschutzvorschriften dar.

Im konkreten Fall bestehen zumindest erhebliche Zweifel an der Werthaltigkeit der Einlage in der angegebenen Höhe. Die Angaben, die zum Wert des Unternehmens gemacht worden sind, sind sehr widersprüchlich, ohne dass dies seitens der Antragstellerin erklärt würde.

An einer Plausibilisierung fehlte es schon deshalb, weil es hier an jedweder Unterfütterung der Planzahlen mit Ist-Zahlen seitens des Vorstandes mangelte. Bloße Planzahlen stellen bloße Behauptungen dar, wenn sie nicht aus Ist-Zahlen nachvollziehbar abgeleitet werden.

Die Freigabe ist außerdem nicht deshalb zu erteilen, weil das alsbaldige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint.

Dafür müssten die vom Antragsteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre gemäß § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für die Antragsgegner überwiegen.

Die Antragstellerin hat wesentliche Nachteile jedoch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, jedenfalls nicht ausreichend glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin hat folglich kein schutzwürdiges Vollzugsinteresse an der Eintragung der Kapitalerhöhung dargelegt bzw. glaubhaft gemacht.

Praktische Bedeutung des Beschlusses vom 15.03.2023 - 7 AktG 5/22 e

Das OLG München verdeutlicht mit dieser Entscheidung die Voraussetzungen eines erfolgreichen Freigabeverfahrens bei einer Sachkapitalerhöhung.

Nach der hier vom OLG München vertretenen Auffassung fehlt es an einem schutzwürdigen Vollzugsinteresse der Gesellschaft, wenn die angefochtene Kapitalerhöhung bereits in sich nicht stimmig begründet wurde.

Wenn offenkundige und gravierende Widersprüche in den Angaben zur Bewertung auftreten und überdies jedwede stichhaltige Plausibilisierung unterlassen wurde, kann der Kapitalerhöhung kein schützenswertes Vollzugsinteresse zugebilligt werden.

Bildnachweis: Pichsakul/stock.adobe.com
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