BVerwG Urlaubsvertretungsregelung
Recht & Verwaltung06 Januar, 2023

BVerwG: Ist eine Urlaubsvertretungsregelung mitbestimmungspflichtig?

Torsten Herbert, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des kommunalen Arbeitgeberverbands NRW

BVerwG klärt, dass der im LPVG NRW geregelte Mitbestimmungstatbestand „Aufstellung des Urlaubsplans“ auch die Mitbestimmung über die „allgemeinen Urlaubsgrundsätze“ umfasst.

Ist die Einführung einer abteilungsinternen Urlaubsvertretungsregelung als „Aufstellen eines Urlaubsplanes“ zu werten?

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Anordnung der Dienststellenleitung, Urlaubsvertretungen innerhalb einer Arbeitseinheit sicherzustellen, mitbestimmungspflichtig ist.

In den allgemeinen psychiatrischen Abteilungen der betroffenen Klinik ist der Sozialdienst mit mindestens zwei Personen besetzt, die sich gegenseitig vertreten können. Der Dienststellenleiter bat darum, spätestens ab Januar 2019 die gegenseitige Urlaubsvertretung nur noch innerhalb der Abteilung sicherzustellen.

Der antragstellende Personalrat machte dem Dienststellenleiter gegenüber erfolglos geltend, dass dies seiner Mitbestimmung unterliege und leitete das Beschlussverfahren ein.

Das VG sah keinen Mitbestimmungstatbestand. Die Vertretungsregelung sei kein Urlaubsplan, es handele sich auch nicht um einen allgemeinen Urlaubsgrundsatz. Vielmehr beziehe sich die Maßnahme auf den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb als solchen, der der eigentlichen Urlaubsplanung vorgeschaltet sei und für diese zugleich den Rahmen abstecke.

Das OVG sah dies anders und gab dem Personalrat Recht. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung unterlägen auch den Urlaubsplan vorbereitende Verfahrensschritte - wie etwa die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze - der Mitbestimmung. Die Übergänge zwischen Urlaubsplänen und allgemeinen Urlaubsgrundsätzen seien fließend. Auf die Frage des ordnungsgemäßen Dienstbetriebes als solchen komme es nicht an.

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Dienststellenleiters zum BVerwG hatte keinen Erfolg.

BVerwG entscheidet: Urlaubsvertretungsregelung ist allgemeiner Urlaubsgrundsatz i.S.d. § 72 Abs. 4 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW

Die mit der streitgegenständlichen Maßnahme verfügte Regelung zur Gestaltung der Urlaubsvertretung unterfällt aus Sicht des Senates dem Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW. Danach hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, über die Aufstellung des Urlaubsplans mitzubestimmen.

Dies meint die vollständige oder teilweise Feststellung der zeitlichen Lage des Urlaubs aller oder jedenfalls von Teilen der Beschäftigten einer Dienststelle für eine oder auch mehrere Urlaubsperioden unter Berücksichtigung dienstlicher Belange und nach Abstimmung sich gegebenenfalls überschneidender Urlaubsansprüche.

Um ein derartiges Programm für die zeitliche Reihenfolge der Urlaubserteilung handelt es sich bei der hier streitigen Vertretungsregelung nicht. Vom Begriff der „Aufstellung des Urlaubsplans“ im Sinne von § 72 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW sind aber auch die sogenannten „allgemeinen Urlaubsgrundsätze“ umfasst, mit denen abstrakt-generell der eigentlichen zeitlichen Urlaubsfestlegung sachlich und zeitlich vorgelagerte Entscheidungen getroffen werden, die sich hierauf gegebenenfalls nur mittelbar auswirken, aber jedenfalls Vorfestlegungen für die Koordinierung zwischen dienstlichen Erfordernissen und individuellen Urlaubsansprüchen enthalten. An der entgegenstehenden früheren Rechtsprechung hält der Senat nicht fest.

Die streitgegenständliche Maßnahme stellt einen derartigen allgemeinen Urlaubsgrundsatz dar. Denn sie bewirkt in Form einer abstrakt-generellen Regelung eine Vorfestlegung für die spätere Koordinierung in einem Urlaubsplan zwischen dem vom Dienststellenleiter angegebenen dienstlichen Interessen, das notwendige Wissen innerhalb der Abteilung auch in der Urlaubszeit sicherzustellen, und individuellen Urlaubsansprüchen der betroffenen Beschäftigten. Da deren Urlaubswünsche nur berücksichtigt werden können, soweit eine Urlaubsvertretung auf eine bestimmte Weise gewährleistet werden kann, hat dies hinreichende Auswirkungen auf die zeitliche Festlegung des Urlaubs in künftigen Urlaubsplänen und löst damit die für die Mitbestimmung erforderliche kollektive Betroffenheit aus.

Dass die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze von § 72 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 Alt. 1 LPVG NRW umfasst wird, ergibt dessen Auslegung nach Wortlaut („Aufstellung des Urlaubsplans“) sowie Sinn und Zweck der Vorschrift (wirkungsvolle Möglichkeit der Einwirkung des Personalrates auf das Direktionsrecht des Dienststellenleiters bei der Urlaubsfestsetzung).

Systematik (begriffliche Aufgliederung führt nicht zu zwei selbstständigen Tatbeständen mit sich gegenseitig ausschließender Bedeutung) und Entstehungsgeschichte (seit jeher versteht die Rechtsprechung unter einem Urlaubsplan auch die Festlegung von Grundsätzen für die Urlaubsgewährung) stehen nicht entgegen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht deswegen, weil die Anordnung eines allgemeinen Urlaubsgrundsatzes mit unabweisbaren dienstlichen Notwendigkeiten begründet wird und diesen unmittelbar dient.

Für die Frage des Bestehens des Mitbestimmungsrechts kommt es nicht darauf an, ob es sich gleichzeitig als organisatorische Regelung erweist. Die Mitbestimmung des Personalrates ist vielmehr nur dann ausgeschlossen, wenn die in Rede stehende Maßnahme keinen die Interessen der Beschäftigten berührenden innerdienstlichen Charakter aufweist.

Die Verantwortungsgrenze ist beachtet, weil nach § 66 Abs. 7 S. 4-9 LPVG NRW auch bei einem grundsätzlich bindenden Beschluss der Einigungsstelle ein Letztentscheidungsrecht der nach § 68 LPVG NRW zuständigen Stelle besteht und die Maßnahme damit der Letztentscheidungsbefugnis der verantwortlichen Stelle nicht entzogen ist.

Praktische Bedeutung des BVerwG Beschlusses vom 21. September 2022 – 5 P 17.21 –

Mit dem vorstehenden Beschluss kennzeichnet das BVerwG Inhalt und Umfang des Mitbestimmungstatbestandes „Aufstellung des Urlaubsplans“ sowie der sog. „allgemeinen Urlaubsgrundsätze“ und stellt im Ergebnis der Auslegung nach Wortlaut, Sinn und Zweck, Systematik und Entstehungsgeschichte in Abkehr von früherer Rechtsprechung klar, dass der im LPVG NRW geregelte Mitbestimmungstatbestand „Aufstellung des Urlaubsplans“ auch die sog. „allgemeinen Urlaubsgrundsätze“ – vorliegend die streitgegenständliche abteilungsinterne Vertretungsregelung – umfasst.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Vertretungsregelung mit unabweisbaren dienstlichen Notwendigkeiten begründet wird und diesen unmittelbar dient.

Torsten Herbert

Torsten Herbert

Rechtsanwalt und Geschäftsführer des kommunalen Arbeitgeberverbands NRW. Er führt Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht und ist Chief Editor und Autor der eGovPraxis Personal.
Bildnachweis: starmix/stock.adobe.com
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