Entgeltgleichheit Männer Frauen
Recht & Verwaltung28 April, 2023

BAG: Gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit

Redaktion eGovPraxis Personal

Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit?
Die Klägerin ist seit März 2017 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500,00 € brutto. Ab August 2018 richtete sich ihre Vergütung nach einem Haustarifvertrag, der u.a. die Einführung eines neuen Eingruppierungssystems regelte. Die für die Tätigkeit der Klägerin maßgebliche Entgeltgruppe des Haustarifvertrags sah ein Grundentgelt i.H.v. 4.140,00 € brutto vor. In § 18 Abs. 4 des Haustarifvertrags heißt es: “Für den Fall, dass das neue tarifliche Grundentgelt das bisherige tarifliche Entgelt (…) überschreitet, erfolgt die Anpassung um nicht mehr als 120,00 €/brutto in den Jahren 2018 bis 2020“ (Deckelungsregelung). In Anwendung dieser Bestimmung zahlte die Beklagte der Klägerin ab August 2018 ein Grundentgelt i.H.v. 3.620,00 € brutto, das in jährlichen Schritten weiter angehoben werden sollte.

Neben der Klägerin waren als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit Januar 2017. Die Beklagte hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundentgelt i.H.v. 3.500,00 € brutto angeboten, was dieser jedoch ablehnte und für die Zeit bis zum 31.10.2018 ein höheres Grundentgelt i.H.v. 4.500,00 € brutto verlangte. Nachdem die Beklagte ihm von November 2017 bis Juni 2018 – wie auch der Klägerin – ein Grundentgelt i.H.v. 3.500,00 € gezahlt hatte, vereinbarte sie mit ihm ab Juli 2018 eine Erhöhung des Grundentgelts auf 4.000,00 € brutto. Zur Begründung berief sie sich u.a. darauf, dass er einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt sei. Ab August 2018 zahlte ihm die Beklagte ein tarifvertragliches Grundentgelt nach derselben Entgeltgruppe wie der Klägerin, das sich in Anwendung der „Deckelungsregelung“ des § 18 Abs. 4 des Haustarifvertrags auf 4.120,00 € brutto belief.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin Zahlung rückständiger Vergütung. Die Beklagte müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen, da sie die gleiche Arbeit wie dieser verrichte. Da die Beklagte sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechts benachteiligt habe, schulde sie zudem die Zahlung einer angemessenen Entschädigung i.H.v. mindestens 6.000,00 €.

Arbeitsgericht und LAG haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin zum BAG hatte jedoch ganz überwiegend Erfolg.


BAG: Gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit unabhängig von „Verhandlungsgeschick“

Das BAG hat mit dem vorliegenden Urteil entschieden, dass die Beklagte die Klägerin in der Zeit von März bis Oktober 2017 sowie im Juli 2018 dadurch aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt habe, dass sie ihr, obgleich die Klägerin und der männliche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt habe als dem männlichen Kollegen. Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege.

Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten habe als ihr männlicher Kollege, begründe zudem die Vermutung nach § 22 AGG, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt sei.

Der Beklagten sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Insbesondere könne sich die Beklagte für den Zeitraum von März bis Oktober 2017 nicht mit Erfolg darauf berufen, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat Juli 2018 könne die Beklagte die Vermutung der Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts insbesondere nicht mit der Begründung widerlegen, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt.

Für den Zeitraum ab August 2018 ergebe sich der höhere Entgeltanspruch der Klägerin bereits aus dem Tarifvertrag. Entgegen der Auffassung der Beklagten finde die „Deckelungsregelung“ in § 18 Abs. 4 Haustarifvertrag auf die Klägerin keine Anwendung, weil diese zuvor kein tarifliches, sondern ein einzelvertraglich vereinbartes Entgelt erhalten habe.

Der Senat hat schließlich dem auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichteten Antrag der Klägerin teilweise entsprochen und dieser eine Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts i.H.v. 2.000,00 € zugesprochen.

(Quelle: Pressemitteilung 10/23 des BAG vom 16.02.2023)


Praktische Bedeutung des Urteils vom Bundesarbeitsgericht vom 16.02.2023 – 8 AZR 450/21 –

Erwartungsgemäß hat das BAG mit dem vorliegenden Urteil Frauen denselben Entgeltanspruch wie männlichen Kollegen zugesprochen, soweit diese gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Dies gelte auch dann, wenn männliche Kollegen erfolgreicher verhandelt hätten.

In der Handhabung durch den Arbeitgeber sieht das BAG zugleich eine AGG-relevante Benachteiligung der geringer bezahlten Klägerin wegen ihres Geschlechts – was zusätzlich zu der Verpflichtung auf Auszahlung der Gehaltsdifferenz und künftigen Gewährung desselben Entgelts zu einem entsprechenden Entschädigungsanspruch führt.

Arbeitgeber sind demnach gut beraten, immer dort, wo Beschäftigte verschiedenen Geschlechts vergleichbare Arbeit leisten, auf gleiche Bezahlung zu achten. Verhandlungsgeschick ist keine Rechtfertigung für unterschiedliche Bezahlung. Gegebenenfalls wäre das Entgelt vergleichbarer Beschäftigter nach oben anzupassen
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