Redaktion: Wolters Kluwer Online
Ein öffentlicher Arbeitgeber ist bei einer Sachgrundbefristung nicht verpflichtet, sein Organisationsermessen in Bezug auf die in die Auswahl einzubeziehenden Bewerber in einer Weise auszuüben, die ihn dem Vorwurf des institutionellen Rechtsmissbrauchs aussetzt.
Sachverhalt: Klage auf Besetzung einer befristeten Stelle als »technische Assistenz« mit dem Kläger
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, die von ihm an der J-Universität W (Universität) ausgeschriebene Stelle einer technischen Assistenz am Institut für Pathologie mit dem Kläger zu besetzen.
Der schwerbehinderte Kläger war zunächst vom 19.04.2010 bis zum 31.03.2016 auf der Grundlage von insgesamt sieben befristeten Arbeitsverträgen bei dem Universitätsklinikum W (Universitätsklinikum) beschäftigt.
Seit April 2016 ist er aufgrund eines zunächst bis zum 30.06.2019 befristeten Arbeitsvertrags mit dem Beklagten bei der Universität beschäftigt. Mit Änderungsvertrag vom Juni 2019 haben die Parteien das Arbeitsverhältnis bei der Universität bis zum 30.06.2023 befristet verlängert. Über die Wirksamkeit dieser letzten Befristung des Arbeitsverhältnisses streiten die Parteien in einem gesonderten Verfahren.
Im Januar 2022 schrieb der Beklagte eine Stelle für einen technischen Assistenten am Institut für Pathologie an der Universität für interne und externe Bewerber aus.
Nach der Ausschreibung war die Stelle für zwei Jahre befristet, mit der Option auf eine Vertragsverlängerung. Der Kläger bewarb sich auf diese Stelle und der Leiter des pathologischen Instituts beantragte die Umsetzung des Klägers bei der Personalabteilung.
Weiteres befristetes Arbeitsverhältnis nicht zumutbar
Die Personalabteilung lehnte den Antrag auf Umsetzung des Klägers ab und führte zur Begründung aus, aufgrund der Vorbeschäftigungszeiten sei ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis an der Universität nicht mehr zumutbar.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Stelle als »technische Assistenz« am Institut für Pathologie mit ihm zu besetzen.
Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Begründung: Kein Anspruch des klagenden Arbeitnehmers auf Übertragung der befristeten Stelle
Das BAG hat mit dem vorliegenden Urteil vom 29.02.2024 - 8 AZR 187/23 - zur Übertragung einer befristeten Stelle Stellung genommen.
Nach Überzeugung des BAG ist der Beklagte weder nach Art. 33 Abs. 2 GG noch aufgrund der Inklusionsvereinbarung verpflichtet, die Stelle einer technischen Assistenz am Institut für Pathologie der Universität mit dem Kläger zu besetzen.
Ein Anspruch auf Übertragung der begehrten Stelle ergibt sich nicht aus Art. 33 Abs. 2 GG. Der Beklagte durfte sich im Rahmen seiner Organisationsfreiheit dazu entschließen, die zu besetzende Stelle nur befristet auszuschreiben.
Organisationsfreiheit und Ermessensspielraum des Beklagten
Aus Sicht des BAG ist der Beklagte hier nicht verpflichtet, mit dem Kläger ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis abzuschließen, weil die naheliegende Möglichkeit besteht, dass die Befristung wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam wäre.
Dem Beklagten steht ein weites Organisationsermessen zu. Wie der öffentliche Arbeitgeber seine Organisationsfreiheit nutzt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Er kann sich daher entscheiden, die ausgeschriebene Stelle befristet zu besetzen und nur Bewerber in die Auswahl einzubeziehen, deren befristete Anstellung nicht die Möglichkeit eines institutionellen Rechtsmissbrauchs begründet.
Bei einer Sachgrundbefristung ist der öffentliche Arbeitgeber nicht verpflichtet, sein Organisationsermessen in einer Weise auszuüben, die ihn dem Vorwurf des institutionellen Rechtsmissbrauchs aussetzt.
Bezogen auf den konkreten Fall stellt das BAG klar, dass für den Fall einer weiteren Befristung des Arbeitsverhältnisses des Klägers für zwei Jahre die naheliegende Möglichkeit bestünde, dass diese Befristung rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein könnte.
Nach Auffassung des BAG steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Übertragung der begehrten Stelle aus der Inklusionsvereinbarung der Universität zu. Das BAG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Revision des Klägers keinen Erfolg hat.
Praktische Bedeutung des Urteils vom 29.02.2024 – 8 AZR 187/23
Das BAG klärt in diesem Urteil die Voraussetzungen eines Anspruchs eines Arbeitnehmers gegen einen öffentlichen Arbeitgeber auf Übertragung einer begehrten, befristeten Stelle.
Das BAG weist darauf hin, dass Bewerber von vornherein von dem Auswahlverfahren ausgeschlossen werden können, sofern sie bereits in der Vergangenheit längere Zeit bzw. aufgrund zahlreicher Verlängerungen befristet bei demselben öffentlichen Arbeitgeber beschäftigt waren.
Das BAG stellt hierzu auch klar, dass die Beschränkung von Kettenbefristungen in erster Linie betroffene Arbeitnehmer vor einer übermäßig langen Unsicherheit durch immer weitere befristete Arbeitsverhältnisse schützt.
Es soll ausgeschlossen werden, dass Arbeitgeber rechtsmissbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Daher dient es aus Sicht des BAG grundsätzlich dem Schutz der betroffenen Arbeitnehmer, wenn öffentliche Arbeitgeber darauf achten, überlange Befristungsketten zu vermeiden, die einen institutionellen Rechtsmissbrauch nahelegen.