Welche Rolle spielen Evidenzdaten und Expertenaussagen in UpToDate?
UpToDate bietet klinische Empfehlungen, die grundsätzlich auf neuesten Forschungsergebnissen basieren. Unsystematische klinische Beobachtungen (z. B. klinische Erfahrungen) werden hierbei zwar als schwächste Art der Evidenz, aber durchaus als wissenschaftliche Informationen berücksichtigt. Ein entscheidender Aspekt unserer Empfehlungen besteht in der von uns gewährleisteten Transparenz bezüglich der Qualität empirischer Daten und der Einstufung jeder Empfehlung. Es gibt Fälle, in denen keine höherwertigen Daten zur Verfügung stehen, wir es aber für unbedingt wichtig erachten, eine klinische Frage auf der Grundlage klinischer Erfahrung oder pathophysiologischer Schlussfolgerungen zu beantworten, statt gar nicht auf sie einzugehen. Die meisten klinischen Unterstützungssysteme verfügen nicht über das enorme Fachwissen, auf das UpToDate dank seiner vielen Mitwirkenden zurückgreifen kann. Deshalb können sie klinische Fragen, für die noch keine starken empirischen Daten vorliegen (was leider auf einen erheblichen Teil aller klinischen Fragen zutrifft), nicht angemessen beantworten.
Die weltweit anerkannten, als Autoren und Redakteure für uns tätige Ärzte sind dank ihres Fachwissens in der Lage, die Bedeutung neuer Forschungsergebnisse für die bisherigen „Best Practices” zu erfassen. Ihr klinisches Know-how ermöglicht es UpToDate, neue wissenschaftliche Informationen spezifischen Sachverhalten des klinischen Alltags zuzuordnen. Selbstverständlich bedeutet dies nicht, dass ihre einungsäußerungen höher gestellt werden als verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse – dank ihrer Erfahrung sind sie jedoch besonders gut geeignet, neue Erkenntnisse im Kontext der Behandlung von Patienten auszuwerten.
Eines der wesentlichen Prinzipien der evidenzbasierten Medizin nach Dr. Gordon Guyatt – einem Mediziner, der den Begriff prägte und als Vorreiter im Bereich EBM gilt – lautet : „Evidenzdaten allein reichen niemals aus, um eine medizinische Entscheidung zu treffen.Der Entscheidungsträger muss immer die Vorteile gegenüber den Risiken, Unannehmlichkeiten und Kosten im Zusammenhang mit anderen Behandlungskonzepten abwägen. Zugleich muss er auch die Wertvorstellungen des Patienten berücksichtigen.”1 Um aus wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Empfehlung machen zu können, bedarf es des entsprechenden Fachwissens.
Da Behandlungsempfehlungen allen vorgenannten Faktoren gerecht werden müssen, verzichten viele evidenzbasierte Unterstützungssysteme auf konkrete Behandlungsempfehlungen. UpToDate hat sich bewusst für einen anderen Ansatz entschieden. Zum Selbstverständnis von UpToDate gehört es, konkrete Behandlungsempfehlungen zu geben, wann immer dies möglich ist.
Die Empfehlungen in UpToDate sind das Ergebnis einer Synthese von im Rahmen klinischer Prüfungen gewonnenen und auf klinischen Erfahrungen beruhenden Erkenntnissen. Die Quelle, auf der eine Empfehlung basiert, wird, wenn möglich – immer explizit genannt. Liegen keine Veröffentlichungen mit systematischen wissenschaftlichen Daten vor (z. B. zur Dosierung von Prednison bei Lungensarkoidose), erfolgt die Empfehlung auf Grundlage unsystematischer klinischer Beobachtungen unserer Experten und Rezensenten sowie pathophysiologischer Betrachtungen. Unser mehrstufiges Prüfverfahren verhindert das Einfließen individueller Ansichten in irgendeine der Empfehlungen in UpToDate.
Wie werden bei UpToDate Behandlungsempfehlungen erstellt?
Jede Empfehlung in UpToDate bezieht sich auf eine spezielle klinische Frage einschließlich sorgfältiger Definition der betreffenden Patientenpopulation, alternativen Behandlungsoptionen und für Patienten relevanten Ergebnissen (PICO-Modell : Population, Intervention, Comparators, Outcomes).
Unsere Behandlungsempfehlungen benennen Situationen, in denen aufgrund von Wertvorstellungen und Präferenzen seitens des Patienten eine andere Behandlung angezeigt sein kann. Die Beurteilung einer Empfehlung ist natürlich Sache des Arztes, der UpToDate einsetzt, vor dem Hintergrund des individuellen Hintergrundes des Patienten. Nichtsdestotrotz ist UpToDate überzeugt, dass die Bereitstellung von Empfehlungen auf der Grundlage profunder Kenntnis der klinischen Fragestellung und der besten Forschungsergebnisse es Ärzten erleichtert, die Wertvorstellungen und Präferenzen des Patienten zu berücksichtigen und zugleich kompetentere Behandlungsentscheidungen zu treffen.
Da unsere Empfehlungen im Allgemeinen auf einem Konsens zwischen den Autor(en) und Redakteuren zum betreffenden Thema beruhen, verwendet UpToDate, wenn es um die Empfehlung von Maßnahmen geht, in der Regel die Formulierung „Wir empfehlen...” oder „Wir schlagen vor...”. Diese Formulierungen werden auch im Falle eventueller Meinungsverschiedenheiten der Beteiligten verwendet ; in diesem Fall wird die Empfehlung des Autors übernommen, im Text jedoch auf die Differenz unter den Experten hingewiesen.
Werden alle Empfehlungen in UpToDate gesondert bewertet?
Seit 2001 arbeitet UpToDate intensiv mit Dr. Guyatt an der Verbesserung der Übersichtlichkeit und Transparenz der von uns herangezogenen Evidenzdaten und der Bewertung der Stärke unserer Empfehlungen. Dr. Guyatt gehört zu den Begründern der GRADE-Arbeitsgruppe, die zur Entwicklung „eines allgemeinen, sinnvollen und transparenten Prozesses zur Bewertung der Qualität von Evidenz und der Stärke von Empfehlungen” 2 eingerichtet wurde. Viele internationale Organisationen, darunter die Weltgesundheitsorganisation, Cochrane und das British Medical Journal, haben an der Entwicklung dieses Systems mitgewirkt und es übernommen.2 Das GRADE-System und seine Modifizierungen sind heute weltweit die am meisten genutzten Systeme zur Bewertung klinischer Empfehlungen.
UpToDate nutzt das GRADE-Modell bereits seit 2006 für die Bewertung von Empfehlungen. Dabei handelt es sich um einen fortlaufenden Prozess, dank dessen das System bereits Tausende bewertete Empfehlungen umfasst. Die bewerteten Empfehlungen erscheinen im Bereich „Summary and Recommendations” (Zusammenfassung und Empfehlungen) des jeweiligen Themas.
UpToDate verwendet erhebliche Ressourcen darauf, die Verständlichkeit, Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Empfehlungen zu gewährleisten. Zusätzlich zu unserem Standard- Prüfverfahren werden alle vorgenommenen Bewertungen von unserem Co-Executive Editor und/oder unseren Lektoren geprüft, um zu bestätigen, dass die Bewertung die Qualität der Evidenzdaten wie auch die Stärke der Empfehlung korrekt wiedergibt. Darüber hinaus hält Dr. Guyatt sich regelmäßig für Schulungen unserer Fachredakteure zum Thema evidenzbasierte Medizin und Bewertung in Massachusetts auf. 3