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Recht & Verwaltung10 Mai, 2021

Wohnraummietrecht – aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung

von Kai-Uwe Agatsy, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Das Wohnraummietrecht ist ein wichtiger Schwerpunkt in der täglichen Anwaltspraxis des Allgemeinanwalts und der Fachanwaltspraxis. Die Rechtsprechung ist einzelfallgeprägt. Um die korrekte, praxistaugliche und zielführende Lösung zu entwickeln, ist die Kenntnis der maßgeblichen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH, prägender Instanzenurteile und der aktuellen Rechtsentwicklung für die Anwenderpraxis unabdingbar.

Praktische Fragestellungen – „Fallstricke“ vermeiden


Probleme ergeben sich bereits aus dem Inhalt des Mietvertrages, über die Abwicklung, die laufenden wechselseitigen Verpflichtungen der Vertragsparteien sowie der Frage, ob Pflichten wie z.B. Schönheitsreparaturen geschuldet sind. Die Betriebskostenabrechnung ist oftmals streitig. Auch die richtige Kündigung wegen Eigenbedarfs stellt die Instanzgerichte und den BGH vor wiederkehrende Fragestellungen.

Laufende Verpflichtungen zu Schönheitsreparaturen im Mietverhältnis und Abgeltung

Im laufenden Mietverhältnis und am Ende der Mietzeit ist näher zu beleuchten, wer für welche Instandsetzungsmaßnahmen einzustehen hat. Schulden der Mieter oder der Vermieter die Renovierung, mithin die Schönheitsreparaturen? Dies war über die letzten Jahre hinweg streitig. Über die Fragestellungen der Fristen bis hin zur Kumulation und der Endrenovierungsklausel waren sämtliche Aspekte Gegenstand der Rechtsprechung. In der Beratungspraxis ist berücksichtigen, dass der BGH mit seinem Urteil aus dem letzten Jahr zu einem „Paukenschlag“ ausgeholt hat, indem er die Renovierungspflicht mit einer bislang einzigartigen „Quotenregelung“ beantwortete. Demnach bleibt zu klären, wer was genau schuldet.

Was passiert bei Umfeldmängeln – „Bolzplatz“ II und fehlerhaften Betriebskosten?

Ein Mietmangel kann auch aufgrund von „Umfeldmängeln“ begründet werden. Lärm, Baustellen und Straßen prägen das Bild von Großstädten. Ausgehend von der ersten „Bolzplatzentscheidung“ des BGH entstand ein vielfältiges Entscheidungsbild. Klassischer Fall waren Baustellen im Wohnumfeld. Kann die Veränderung des Wohnumfeldes zu einer Vertragsänderung führen oder ist diese vorhersehbar? Diese Problemstellung hat der BGH vor kurzem nochmals geklärt. Für die Praxis hat der BGH nun klare Vorgaben bei der Darlegungs- und Beweislast gegeben. Die pauschale minderungsbegründende „Baustellen- oder Umfeldlärm“ ist geklärt. Hier ist grundsätzlich darauf zu achten, welche Vereinbarung die Parteien bei der Anmietung getroffen haben. Kann der Mieter Mehranforderungen an die Abrechnung stellen? Was ist eine fehlerhafte Abrechnung? Einen klassischen Streitpunkt bildet die formelle und inhaltliche Anforderung an Betriebskosten. Die Anforderungen an Betriebskostenabrechnungen dürfen nicht „überzogen“ werden. Der Berater muss wissen, dass auch eine Zahlung nicht automatisch als Anerkenntnis zu bewerten ist.

Kündigung wegen Eigenbedarfs und Mietpreisbremse – klassische Problemfelder

Gilt der Härteeinwand beim Eigenbedarf uneingeschränkt? Wie muss eine Kündigung korrekt begründet werden? Detailkenntnisse bei der Beratung sind ebenso erforderlich wie die Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH. Ein zentraler Bereich der Kündigungssystematik sind die Härtegründe. Die Prüfung und Darlegung sind ebenso elementar wie die Berücksichtigung in der korrekten Abwägung. In der Praxis kommt es vor allem auf folgende Fragestellungen an: Welcher Härtegrund besteht? Was hat die betroffene Partei vorgetragen? Resultiert daraus in erhebliches Prozessrisiko für den Vermieter? Kein Härtegrund ist „gleich“ und die Abwägung ist stets einzelfallbezogen. Der praktische Rechtsanwender muss wissen, dass ein pauschaler Anwendungsverweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ausreicht. Die Darlegungs- und Beweislastkriterien sind unverzichtbar. Der BGH musste sich wiederholt mit der Frage auseinandersetzen, ob das „Alter“ vor einer „Kündigung“ schützt oder nicht. Der Rechtsanwender muss in der Beratungspraxis wissen, welche Risiken „drohen“ und die Frage beantworten, ob ein Härtegrund zum Tragen kommt oder nicht. Problematisch ist vor allem in Ballungszentren, in welchem Umfang die Mietpreisbremse eingreift. Auch diesbezüglich unterliegen sowohl die Instanzenrechtsprechung als auch die Rechtsprechung des BGH einem stetigen Wandel. Die Vorschriften der §§ 556dff. BGB sind komplex ausgestaltet. Begriff wie „Vormiete“, die „umfassende Modernisierung“ oder die „Mietenbegrenzungsverordnung“ prägen das Bild der Rechtsanwendung. Der praktische Rechtsanwender muss zum einen wissen, wie er sich aktiv gegen die Miethöhe zur Wehr setzt und zum anderen, welche Bemessungsgrundlage gilt. Hier stellen sich zwei zentrale Fragen: Was ist die „Vormiete“ und wann liegt eine „umfassende Modernisierung“ vor? Erst kürzlich musste der BGH diese Problematik klären.

Modernisierungsmieterhöhung – Vorwegabzug eines bestimmten Instandhaltungsanteils?

Bei einer Modernisierungsmieterhöhung stellt sich nach § 559 Abs.4 BGB die Frage, ob und in welchem Umfang der Vermieter verpflichtet ist, Instandhaltungsabzüge zu berücksichtigen? Der Gesetzgeber hat die Vorschrift des § 559 BGB mehrfach geändert. Der Berater muss wissen, dass es reine Modernisierungsmaßnahmen ohne Instandhaltungsabzug nicht geben kann. Demnach ist umso wichtiger, die Darlegungs- und Beweislastkriterien anzuwenden und den Instandhaltungsabzug korrekt zu beziffern. Zu bedenken ist, dass der Instandhaltungsabzug im Sinne des § 559 Abs.2 BGB in der Praxis nicht immer beziffert werden kann. Umso wichtiger sind die korrekte Einschätzung und eine beweisrechtliche Prognose, damit in der Praxis dieser Punkt nicht außer Betracht bleibt. Der BGH hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass der Instandhaltungsabzug für die Zukunft zu beziffern ist. Für die Anwendungspraxis bedeutet dies zugleich, dass eine pauschale Bezifferung nicht mehr ausreicht.

Der Rechtsberater und Rechtsanwender müssen in gleichen Maßen prognostische Entscheidungen vorhersehen, um später nicht in einen Beweis- oder Prozessverlust zu geraten.

Auswirkungen des WEMoG auf das Wohnraummietrecht

Das Wohnraummietrecht unterliegt einem stetigen Wandel. Aktuell ist zum 01.12.2020 das WEMoG in Kraft getreten. Davon umfasst sind die Vorschriften des § 554 BGB und § 556a Abs.3 BGB. Nach der Vorschrift des § 554 Abs.1 BGB hat ein Mieter gegenüber seinem Vermieter einen Anspruch auf Vornahme spezieller baulicher Veränderungen. Der Gesetzgeber hat einen Anspruch auf die Einrichtung barrierereduzierender Maßnahmen geregelt. Ebenso umfasst sind die Errichtung von Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge und die Regulierung des erweiterten Einbruchsschutzes. Diese Vorschrift ist sowohl systematisch als auch inhaltlich neu geregelt und keine echte Nachfolgevorschrift des § 554a BGB. Was folgt daraus für die Praxis? Dem Mieter steht ein Anspruch gegen den Vermieter auf Vornahme baulicher Veränderungen durch ihn selbst zu, wenn keine Interessen des Vermieters entgegenstehen (§ 554 Abs.1 S.2 BGB). Demnach hat der Gesetzgeber nicht nur einen unbedingten Anspruch geschaffen, sondern auch ein Abwägungskorrektiv. Die Möglichkeit einer zusätzlichen Mietsicherheit gem. § 554 Abs.1 S.3 BGB steht dabei ebenso im Raum. Die neuen Vorschriften werden durch § 556a Abs.3 BGB abgerundet. Bei Wohnraummietverträgen seit dem 01.12.2020 ist fraglich, ob die Abrechnung an die Hausgeldabrechnung anzupassen ist.

Autor

Kai-Uwe Agatsy, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Kai-Uwe Agatsy

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Bildnachweis: Marvin/stock.adobe.com

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