Versicherungsluecken im anwaltlichen Berufsrecht
Recht & Verwaltung13 Februar, 2023

Versicherungslücken im anwaltlichen Berufsrecht

Ass. jur. Stephan Kohlhaas, Mitglied der Geschäftsführung bei von Lauff und Bolz Versicherungsmakler GmbH 

Insbesondere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts tätig sind, müssen seit dem 01.08.2022 auf lückenlosen Schutz durch die Berufshaftpflichtversicherung achten.

Die an diesem Datum in Kraft getretene BRAO-Reform hat grundlegende Änderungen für die Berufshaftpflichtversicherung von anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften mit sich gebracht. 

Die diesbezüglich wesentlichen Punkte der Reform sind

  • einheitliche Versicherungspflicht für sämtliche Berufsausübungsgesellschaften,
  • Abstufung der Höhe der Mindestversicherungssumme nach Haftungsbeschränkung und Größe der Berufsausübungsgesellschaft,
  • obligatorische Mitversicherung wissentlicher Pflichtverletzungen bei allen haftungsbeschränkten Berufsausübungsgesellschaften im Pflichtversicherungsbereich.

Konsequenzen für die anwaltliche Berufshaftpflichtversicherung

Die BRAO-Reform hat jedoch auch eine bislang wenig beachtete, weil nicht explizit geregelte, Konsequenz für die anwaltliche Berufshaftpflichtversicherung, nämlich eine Änderung des Umfangs der persönlichen Versicherung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, wenn diese in einer nicht haftungsbeschränkten Berufsausübungsgesellschaft tätig sind. 

Solche nicht haftungsbeschränkten Gesellschaften im Sinne der BRAO sind z.B. die oben erwähnte Gesellschaft bürgerlichen Rechts, aber auch die Partnerschaftsgesellschaft ohne Beschränkung der Berufshaftung oder die seit dem 01.08.2022 als anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft mögliche offene Handelsgesellschaft.

Diese nicht haftungsbeschränkten anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften waren als solche bis zum Inkrafttreten der BRAO-Reform nicht versicherungspflichtig. Eine Versicherungspflicht bestand ausschließlich für die im Rahmen der Gesellschaft tätigen Berufsträgerinnen und Berufsträger persönlich und umfasste sowohl deren Tätigkeit im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als auch die Tätigkeit im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft. Dem entsprechend boten die von den Berufsträgerinnen und Berufsträgern persönlich abgeschlossenen Berufshaftpflichtversicherungen auch für deren gesellschaftsbezogene Tätigkeiten Versicherungsschutz. 
Ferner enthielten die bis zum 01.08.2022 vereinbarten Versicherungsbedingungen eine Mitversicherung der Berufsausübungsgesellschaft. Bei Inanspruchnahme der Gesellschaft konnte diese über die persönliche Deckung der Berufsträgerinnen und Berufsträger Versicherungsschutz beanspruchen.

Da seit Inkrafttreten der BRAO-Reform auch nicht haftungsbeschränkte anwaltliche Berufsausübungsgesellschaften versicherungspflichtig sind, besteht Versicherungsschutz für die im Namen der Gesellschaft ausgeübten Tätigkeiten nunmehr über die gesellschaftsbezogene Berufshaftpflichtversicherung. Es besteht keine Notwendigkeit mehr, den Versicherungsschutz aus der persönlichen Versicherung einer Berufsträgerin oder eines Berufsträgers auf dessen Tätigkeit im Rahmen einer Berufsausübungsgesellschaft zu erstrecken.
Die im deutschen Versicherungsmarkt maßgeblichen Berufshaftpflichtversicherer wenden die Versicherungsbedingungen seit Inkrafttreten der BRAO-Reform dem entsprechend an und gewähren keinen Versicherungsschutz mehr für Tätigkeiten im Namen und auf Rechnung der Berufsträgergesellschaft über die persönlichen Versicherungen der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Die in diesen Versicherungen nach wie vor verbreitete Mitversicherung der Berufsausübungsgesellschaft genügt nicht den Anforderungen der seit dem 01.08.2022 bestehenden Versicherungspflicht der Berufsausübungsgesellschaften und führt nicht dazu, dass Versicherungsschutz zugunsten der Berufsträgerin und des Berufsträgers für Tätigkeiten im Namen und auf Rechnung der Berufsausübungsgesellschaft besteht. 

Versicherungslücken durch die BRAO-Reform

Infolgedessen hat sich der Umfang des Versicherungsschutzes aus der persönlichen Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwältin und eines Rechtsanwalts mit Inkrafttreten der BRAO-Reform verringert, weil die Versicherung dessen gesellschaftsbezogene Tätigkeiten nicht mehr umfasst, ohne dass dies in der reformierten BRAO explizit geregelt wäre.

Das folgende praxisrelevante Fallbeispiel zeigt, dass sich durch die geschilderte Änderung unbemerkte Lücken im Versicherungsschutz ergeben können.

Fall:
Drei Rechtsanwälte sind in Bürogemeinschaft tätig. Durch die Verwendung eines gemeinsamen Briefkopfes, der einen ausdrücklichen Hinweis auf die Bürogemeinschaft enthält, erzeugen die Anwälte ungewollt den Rechtsschein einer Außensozietät (sog. “Scheinsozietät”) und haften daher gem. § 128 HGB analog akzessorisch und gesamtschuldnerisch.
Bis zum 01.08.2022 hatten die Rechtsanwälte über ihre persönlichen Berufshaftpflichtversicherungen Versicherungsschutz auch für die Tätigkeit im Rahmen der Sozietät. 

Mit Inkrafttreten der BRAO-Reform hat sich dies jedoch geändert. Die Scheinsozietät als solche ist nun versicherungspflichtig (vgl. die FAQ der BRAK unter 2022_FAQ_Versicherungspflicht_Berufsausuebungsgesellschaften.pdf (brak.de)). Da die von der Scheinsozietät abzuschließende Versicherung sämtliche sozietätsbezogenen Tätigkeiten abdeckt, beinhalten die persönlichen Versicherungen der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte diesen Deckungsumfang seit dem Inkrafttreten der BRAO-Reform nun nicht mehr.
Bleibt die Existenz der Scheinsozietät unbemerkt, so fehlt es für sämtliche aus der Rechtsscheinhaftung resultierenden Haftpflichtansprüche am beruflichen Versicherungsschutz. § 59n BRAO n.F. ordnet für diesen Fall die persönliche Haftung der Sozien in Höhe des fehlenden Versicherungsschutzes an.

In der Beratungspraxis sind auch Fälle anzutreffen, in denen in Einzelkanzlei tätige Rechtsanwälte sich ausschließlich für die gemeinsame Bearbeitung von größeren Mandaten zu einer Sozietät in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammenschließen. Auch in dieser Konstellation ist ab dem 01.08.2022 für einen berufsrechtskonformen Versicherungsschutz der Gesellschaft als solcher zu sorgen, da ansonsten eine Versicherungslücke droht.
Bildnachweis: NDABCREATIVITY/stock.adobe.com/stock.adobe.com
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