Haftung_Dach
Recht & Verwaltung24 April, 2024

BGH: Voraussetzungen der Haftung eines WEG-Verwalters für pflichtwidrige Abschlagszahlungen

Aus der Redaktion von Wolters Kluwer Online

Wenn die (Nach-)Erfüllung ausgeschlossen und das Vertragsverhältnis zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist, haftet der Verwalter für die durch pflichtwidrige Abschlagszahlungen entstandenen Schäden neben dem Werkunternehmer. Der Verwalter ist in diesem Fall allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen den Werkunternehmer zu Schadensersatz verpflichtet.

Sachverhalt: Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegenüber einem Verwalter wegen Abschlagszahlungen

Der Beklagte war Verwalter der Klägerin, einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Im Juli 2019 beschlossen die Wohnungseigentümer die Erneuerung der Dacheindeckung.

Nach der Vergabe der Arbeiten mit einem Gesamtvolumen von 116.497,85 Euro brutto stellte der beauftragte Werkunternehmer eine Abschlagsrechnung für Material in Höhe von 61.872 Euro.

Im Oktober 2019 zahlte der Beklagte aus Mitteln der Klägerin einen – auf fünf Teilzahlungen aufgeteilten – Betrag von 70.000 Euro. Er zahlte nach dem Beginn der Arbeiten im November 2019 einen weiteren – auf sechs Teilzahlungen aufgeteilten–Betrag von 34.500 Euro, ohne dass insoweit Abschlagsrechnungen gestellt wurden.

Die Arbeiten an dem Dach wurden bei einem Baufortschritt von etwa 85–90% eingestellt. Ein von der Klägerin in Auftrag gegebenes Privatgutachten bezeichnet die erbrachten Arbeiten als mangelhaft und unbrauchbar.

Zur Beseitigung der Mängel sei der Abriss der bisherigen Arbeiten erforderlich.

Die Klägerin nimmt den Werkunternehmer in einem anderen Verfahren im Wege der offenen Teilklage auf Rückzahlung geleisteter Abschläge in Anspruch.

Mit der Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten Zahlung von 104.500 Euro nebst Zinsen, hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Ansprüche gegen den Werkunternehmer, sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen.

Das AG hat der Klage nur im ersten Hilfsantrag und hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das LG dieses Urteil aufgehoben und die Klage unter Zurückweisung der gegen die Abweisung des unbedingten Zahlungsantrags und hilfsweise auf die Feststellung von Annahmeverzug gerichteten Anschlussberufung der Klägerin abgewiesen.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Pflichtverletzungen des Verwalters

Mit dem vorliegenden Urteil vom 26.01.2024 - V ZR 162/22 - hat der BGH zur möglichen Haftung eines WEG-Verwalters wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen Stellung genommen. Der BGH hat entschieden, dass im konkreten Fall ein Schadensersatzanspruch der klagenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Verwaltervertrag wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen gegen den Verwalter in Betracht kommt. Wenn eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) wie hier mit einem Werkunternehmer einen Vertrag zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geschlossen hat, gehört es nach Auffassung des BGH zu den Pflichten des Verwalters, Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum wie ein Bauherr zu überwachen.

Bei der Bewirkung von Zahlungen ist er verpflichtet, wie ein Bauherr im Interesse der Wohnungseigentümer sorgfältig zu prüfen, ob bestimmte Leistungen erbracht und Abschlags- oder Schlusszahlungen gerechtfertigt sind. Er muss hierbei für ihn erkennbare Mängel berücksichtigen. Der Verwalter muss die Abschlagsrechnung außerdem daraufhin durchsehen, ob sie zu dem Auftrag und dem Leistungsstand passt. Wenn sich Pflichtverletzungen des Beklagten bestätigen sollten, muss das Berufungsgericht aus Sicht des BGH prüfen, ob das Verhalten des beklagten Verwalters zu einem Schaden der Klägerin geführt hat. 

Schadensermittlung

Sofern der Verwalter im Zuge der Vornahme von Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig Abschläge zahlt, kann für die Ermittlung des Schadens der GdWE allerdings nicht allein auf die durch die Abschlagszahlungen hervorgerufene Minderung des Gemeinschaftsvermögens abgestellt werden.

Vielmehr ist in den Gesamtvermögensvergleich auch einzubeziehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind. Die GdWE trägt die Beweislast dafür, dass den gezahlten Abschlägen keine werthaltigen Leistungen gegenüberstehen.

Ob eine pflichtwidrige Abschlagszahlung zu einem Schaden geführt hat, hängt nach Auffassung des BGH davon ab, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Werkleistungen vertragsgerecht erbracht worden sind.

Ausscheiden bei durchsetzbaren Nacherfüllungsansprüchen

Eine Inanspruchnahme des Verwalters scheidet aus, wenn noch durchsetzbare (Nach-)Erfüllungsansprüche gegen den Werkunternehmer bestehen. So lange besteht nämlich die Möglichkeit, dass der Werkunternehmer im Wege der (Nach-)Erfüllung ein vertragsgemäßes Werk erbringt, wozu ihn der Verwalter in Erfüllung seiner ihm gegenüber der GdWE obliegenden Pflichten auch anhalten muss.

Ist hingegen eine (Nach-)Erfüllung ausgeschlossen und das Vertragsverhältnis zwischen der GdWE und dem Werkunternehmer in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen, so haftet der Verwalter für die durch die pflichtwidrigen Abschlagszahlungen entstandenen Schäden neben dem Werkunternehmer. Der Verwalter ist in diesem Fall aber nur Zug um Zug gegen Abtretung der auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche der GdWE gegen den Werkunternehmer zu Schadensersatz verpflichtet.

Der BGH weist hierbei darauf hin, dass das Berufungsgericht im konkreten Fall das Vorliegen einer Pflichtverletzung des beklagten Verwalters wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen und eines Schadens der Klägerin zu prüfen haben wird.

Praktische Bedeutung des Urteils vom 26.01.2024 – V ZR 162/22

Der BGH verdeutlicht in diesem Urteil die Voraussetzungen der Haftung eines WEG-Verwalters wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen.

Der BGH weist darauf hin, dass ein Schaden der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aufgrund pflichtwidrig erbrachter Abschlagszahlungen des Verwalters nur besteht, soweit deren Summe die dem Werkunternehmer zustehende Gesamtvergütung übersteigt.

Im konkreten Fall ist daher aufzuklären, ob die durch den Werkunternehmer erbrachten Leistungen unbrauchbar sind. Die Beweislast hierfür trägt die Gemeinschaft der Eigentümer.

Außerdem kann der Verwalter nach Auffassung des BGH nur dann erfolgreich wegen pflichtwidriger Abschlagszahlungen in Anspruch genommen werden, wenn das Vertragsverhältnis zwischen dem Werkunternehmer und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist.

Bildnachweis: Sven Böttcher/stock.adobe.com
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