Urlaubsansprueche
Recht & Verwaltung04 April, 2024

BAG zu Verfall und Verjährung von Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen

Redaktion eGovPraxis Personal

Urlaub

Inanspruchnahme von Urlaub

Grundsätzlich ist der aus dem gesetzlichen Mindesturlaub (ggf. zzgl. dem Schwerbehindertenzusatzurlaub) und dem tariflichen Mehrurlaub bestehende Gesamturlaub im laufenden Kalenderjahr seiner Entstehung zu nehmen (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG; § 26 Abs. 1 S. 5 TVöD).

Übertragung von Urlaub

Der bis zum Jahresende nicht genommene Urlaub (Resturlaub) ist nur unter besonderen Voraussetzungen ins Folgejahr zu übertragen.

  • Gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG ist eine Übertragung des gesetzlichen Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres, d.h. bis einschließlich zum 31. März, gewährt und genommen werden.
  • Der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 208 SGB IX ist akzessorisch zum gesetzlichen Mindesturlaub, folgt also dessen Regelungen.
  • Gemäß § 26 Abs. 2 a) TVöD muss der tarifliche Mehrurlaub im Falle der Übertragung in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten (d.h. begonnen, nicht bereits vollständig genommen sein).
  • Die Übertragung des Urlaubs erfolgt jeweils dann „automatisch“, wenn die Voraussetzungen für eine Übertragung vorliegen. Ein individueller Antrag auf Übertragung ist daher nicht notwendig.

Ausnahmen von den vorbenannten Übertragungsgrundsätzen bestehen aufgrund besonderer gesetzlicher Regelungen.

  • Gemäß § 24 Satz 2 MuSchG kann eine Frau, die ihren Urlaub vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht oder nicht vollständig erhalten hat, diesen Resturlaub nach dem Ende des Beschäftigungsverbots im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen.
  • Gemäß § 17 Abs. 2 BEEG hat der Arbeitgeber, wenn Arbeitnehmer den ihnen zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten haben, den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren.

Ausnahmen von den vorbenannten Übertragungsgrundsätzen bestehen auch bei langanhaltender Arbeitsunfähigkeit.

  • Aufgrund der Rechtsprechung von EuGH und BAG entstehen auch in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit Urlaubsansprüche.
  • Allerdings verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch spätestens 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahrs seiner Entstehung. Bis zum Ablauf des 31. März des übernächsten Kalenderjahres muss dieser Urlaub also genommen sein.
  • Gleiches gilt für den Schwerbehindertenzusatzurlaub.
  • Der tarifliche Mehrurlaub verfällt nach den o.g. „normalen“ Fristen des TVöD.

Verfall von Urlaubsansprüchen

Jeglicher Urlaub, der bis zum Jahresende oder bei Übertragung bis zum Ablauf der vorbenannten Übertragungsfristen nicht genommen bzw. angetreten worden ist, unterliegt dem Verfall, der entsprechende Urlaubsanspruch geht damit unter.
Allerdings verfällt der Urlaub nicht automatisch. Vielmehr muss der Arbeitgeber aufgrund der Rechtsprechung von EuGH und BAG hinsichtlich der gesetzlichen Urlaubsansprüche sog. Mitwirkungsobliegenheiten erfüllen.
Die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers gelten auch für den tariflichen Mehrurlaub nach dem TVöD, da die Tarifvertragsparteien insoweit keine abweichende Regelung getroffen haben.

Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers – Belehrung über Urlaubsansprüche
Es bestehen rechtliche Anforderungen für Inhalt, Form und Frist der Belehrung.

Inhalt der Belehrung:
Der Arbeitgeber muss

  • individuell für jeden Beschäftigten
  • zu Beginn des Kalenderjahres (mindestens) in Textform
  • die Anzahl der ggf. aus Vorjahren übertragenen und der im laufenden Kalenderjahr entstandenen Urlaubstage und
  • den Zeitpunkt deren (jeweiligen) Verfalls mitteilen
  • dazu auffordern, diesen Urlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er bis zum Jahresende bzw. bis zum Zeitpunkt seines Verfalls genommen werden kann und darauf hinweisen, dass der Urlaub bei nicht rechtzeitiger Beantragung am Ende des Urlaubsjahres bzw. eines etwaigen Übertragungszeitraums verfällt.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung dieser Hinweispflichten trägt der Arbeitgeber.
Daher bestehen besondere Anforderungen neben der »gerichtsfesten« Dokumentation des sachlich zutreffenden Inhalts auch an die Dokumentation von Form und Frist der Belehrung.

Form der Belehrung:

  • Unzureichend sind abstrakte Hinweise in Rundschreiben, am »schwarzen Brett« etc. oder bloße Verweisungen auf anderweitige Quellen.
  • Auf der sicheren Seite ist der Arbeitgeber, wenn er die jeweilige individuelle Belehrung in Schriftform oder jedenfalls in Textform gegen Empfangsbekenntnis oder sonst nachweisbar übergibt bzw. zustellt.
  • Denkbar ist auch, die entsprechenden Informationen (Anm.: rechtzeitig!) in Gehaltsmitteilungen, innerhalb von Arbeitszeiterfassungssystemen o.ä. unterzubringen – dann jedoch obliegt dem Arbeitgeber der Nachweis, dass der Arbeitnehmer diese Informationen tatsächlich zur Kenntnis genommen hat bzw. deutlich darauf hingewiesen war, dass die maßgeblichen konkreten Informationen an entsprechender Stelle zu finden sind (der Arbeitnehmer also Kenntnis nehmen konnte). Insofern besteht also im Bestreitensfall ein Risiko für den Arbeitgeber, welches im Wege einer Folgenabwägung beurteilt werden sollte.

Frist für Belehrung:

  • Nach bisheriger Rechtsprechung sollte die Belehrung »zu Beginn des Kalenderjahres« erfolgen.
  • Mit - Urteil vom 31.01.2023 - 9 AZR 107/20 - hat das BAG hierzu konkretisiert, dass die Belehrungsverpflichtung (erst) zum Beginn des Kalenderjahres entsteht und der Arbeitgeber ausgehend von diesem Zeitpunkt unverzüglich i.S.v. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB handeln muss.
  • Da die Berechnung des Urlaubsanspruchs und die Formulierung der Belehrung aus Sicht des BAG regelmäßig keine besonderen Schwierigkeiten bereiten, ist hierfür unter normalen Umständen eine Zeitspanne von einer (Urlaubs-)Woche ausreichend.
  • Ohne Vorliegen besonderer Umstände (wie z.B. Betriebsferien zu Jahresbeginn) handelt der Arbeitgeber mithin nicht unverzüglich, wenn er seine Mitwirkungsobliegenheiten erst später als eine Woche nach Urlaubsentstehung erfüllt.

Praxistipp:

  • Angesichts des Umstandes, dass Urlaub danach nur in dem zeitlichen Umfang nicht dem Verfall unterliegt, in dem der Arbeitgeber nicht rechtzeitig belehrt hat, ist es in der Praxis sinnvoll, ggf. auch noch nach Ablauf der vom BAG eingeräumten Wochenfrist zu belehren.

    Beispiel:
    Der Arbeitgeber belehrt genau einen Tag zu spät. Nur dieser eine Tag unterliegt dann nicht dem Verfall. Denn theoretisch hätte der Arbeitnehmer bei rechtzeitiger Belehrung bereits an diesem Tag Urlaub genommen und ist in seiner Urlaubsgestaltung durch die verspätete Belehrung mithin – nur – um seine Dispositionsmöglichkeit hinsichtlich genau dieses einen Tages beeinträchtigt.
    (Anm.: Rechtsprechung hierzu existiert bislang nicht – bleibt also abzuwarten).

Mitwirkungsobliegenheiten bei langanhaltender Arbeitsunfähigkeit

Die o.g. Hinweispflichten des Arbeitgebers bestehen grundsätzlich auch bei langanhaltender Arbeitsunfähigkeit.

  • Kommt der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheit nicht nach, unterliegen Urlaubsansprüche aus dem Urlaubsjahr, in dem der Beschäftigte vor Eintritt der langanhaltenden Arbeitsunfähigkeit noch gearbeitet hat, nicht dem Verfall.
  • Zu beachten ist, dass dem Arbeitgeber allerdings für die Belehrung zu Beginn des Kalenderjahres eine Woche Zeit verbleibt. Schöpft der Arbeitgeber diese Frist aus und erkrankt der Arbeitnehmer bereits vor Ablauf dieser Wochenfrist bis zum Ablauf der Übertragungsfristen, unterliegt der gesamte in diesem Kalenderjahr entstehende Urlaub den Verfallfristen bei langanhaltender Arbeitsunfähigkeit (BAG, Urteil vom 31.01.2023 - 9 AZR 107/20 - s.o.).
  • Erlangt der Arbeitnehmer nach langanhaltender Arbeitsunfähigkeit seine Arbeitsfähigkeit im Laufe eines Kalenderjahres wieder, ist er in analoger Anwendung dieser Wochenfrist innerhalb einer Woche nach Rückkehr an den Arbeitsplatz über seine Urlaubsansprüche entsprechend zu belehren.
  • Demgegenüber wirkt sich die Unterlassung der Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers in Kalenderjahren mit durchgehender Arbeitsunfähigkeit nicht aus. Denn Urlaub hätte hier auch bei ordnungsgemäßer Belehrung mangels Arbeitsverpflichtung (von der durch Urlaubsgewährung befreit würde) nicht genommen werden können.
  • BAG, Urteil vom 20.12.2022 - 9 AZR 245/19 - (Verfall von Urlaubsansprüchen)  

Verjährung von Urlaubsansprüchen

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindesturlaub unterliegt ebenso wie derjenige auf den Schwerbehindertenzusatzurlaub sowie den tariflichen Mehrurlaub gemäß § 194 Abs. 1 BGB der Verjährung.
Bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung beginnt die Verjährung allerdings nicht zwangsläufig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist und der Arbeitnehmer über die in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beschriebene Kenntnis verfügt.
Zusätzlich ist erforderlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen. Hierzu muss der Arbeitgeber seiner Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubs gerecht werden und seinen Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheiten nachkommen.

  • BAG, Urteil vom 20.12.2022 - 9 AZR 266/20 - (Verjährung nicht genommenen Urlaubs)

Urlaubsabgeltung

Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen

Als reiner Geldanspruch kann der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs ebenso wie der Anspruch auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs sowie des tariflichen Mehrurlaubs nach Maßgabe tarifvertraglicher Ausschlussfristenregelungen verfallen.
Die tarifliche Ausschlussfrist beginnt in der Regel mit der Fälligkeit des Anspruchs (also zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – § 7 Abs. 4 BUrlG).
Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber zuvor seinen Mitwirkungsobliegenheiten bei der tatsächlichen Gewährung von Urlaub im laufenden Arbeitsverhältnis genügt hat.

Praxistipp:

Für Altfälle ist zu beachten: Soweit es dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vormalige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen im laufenden Arbeitsverhältnis nicht zumutbar war, Ansprüche auf Abgeltung gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen, lief die Ausschlussfrist ausnahmsweise erst nach dem Tag der Verkündung der Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018 (C-684/16).

  • BAG, Urteil vom 31.01.2023 - 9 AZR 244/20 - (Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen) 

Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs unterliegt ebenso wie der Anspruch auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs sowie des tariflichen Mehrurlaubs der Verjährung nach Maßgabe der §§ 194 ff. BGB.
Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber zuvor seinen Mitwirkungsobliegenheiten bei der tatsächlichen Gewährung von Urlaub im laufenden Arbeitsverhältnis genügt hat.

Praxistipp:

Für Altfälle ist zu beachten: Wenn das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018 (C-684/16) geendet hat und es dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die vormalige Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen nicht zumutbar war, Klage auf Abgeltung zu erheben, ist die Verjährungsfrist nicht vor Ende 2018 in Lauf gesetzt worden.

  • BAG, Urteil vom 31.01.2023 - 9 AZR 456/20 - (Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen)

Bildnachweis:  Janina_PLD/stock.adobe.com

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