Differenzierte Preisabrede bei Vorkaufrecht des Mieters
Recht & Verwaltung02 Juni, 2023

BGH Urt. v. 26.01.2022, Az.: VIII ZR 175/19: Zulässigkeit der Anpassung von Preisänderungsklauseln in Wärmelieferungsverträgen

Ein Fernwärmeversorgungsunternehmen kann und muss, soweit das Kundeninteresse dies erfordert, nach der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) eine von ihm gegenüber Endkunden verwendete unwirksame Preisänderungsklausel auch während des laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig anpassen, wenn dadurch sichergestellt wird, dass die Klausel den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht.

Nach dieser Vorschrift dürfen Preisänderungsklauseln nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Sie müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen.

Ein Fernwärmeversorgungsunternehmen ist jedoch nicht dazu berechtigt, wirksam vereinbarte Preise einseitig nach billigem Ermessen zu ändern.

Aus der Redaktion von Wolters Kluwer Online

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Anpassung einer Preisänderungsklausel eines Fernwärmeversorgungsunternehmens.

Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen, das Kunden mit Fernwärme beliefert. Die Fernwärme wird in einem Blockheizkraftwerk erzeugt, das nur mit Erdgas betrieben wird, das die Beklagte von einem Lieferanten bezieht.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten bot der Klägerin den Abschluss eines vorformulierten Fernwärmelieferungsvertrags (Mustervertrag) an. Die Klägerin unterzeichnete das ihr übersandte Vertragsexemplar nicht, sie nahm allerdings von der Rechtsvorgängerin der Beklagten beziehungsweise später von der Beklagten Fernwärme ab.
Die Beklagte erstellte die Abrechnungen für die an die Klägerin gelieferte Fernwärme bis einschließlich April 2014 auf Grundlage der Preisbestimmung für Arbeits-, Grund- und Messpreise im Mustervertrag. Die darin enthaltene Preisanpassungsregelung für den Arbeitspreis hat der BGH in einem Rechtsstreit zwischen der hiesigen Beklagten und einem anderen Fernwärmekunden für unwirksam erklärt. 

Die Beklagte stellte zum 01.05.2014 ihr Preisbemessungs- und Preisänderungssystem gegenüber ihren Endkunden um. Der Preis für Fernwärmelieferungen bestand hiernach nur noch aus einem Arbeits- und einem Grundpreis, für die außerdem gegenüber dem Mustervertrag geänderte Preisgleitklauseln vorgesehen waren.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Rückerstattung der ihrer Ansicht nach für die Jahre 2011 bis 2015 überzahlten Fernwärmeentgelte in Höhe von insgesamt 3.348,05 Euro nebst Zinsen in Anspruch genommen.

Das AG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für den Zeitraum von 2012 bis 2015 einen Betrag von 2.811,81 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen - wegen Verjährung des auf das Abrechnungsjahr 2011 gerichteten Rückzahlungsanspruchs - abgewiesen. 

Die Berufung der Beklagten hiergegen ist beim LG ohne Erfolg geblieben. 

Auf die Anschlussberufung der Klägerin hat das LG die Beklagte zur Zahlung weiterer 509,24 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. 

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidung

Mit dem vorliegenden Urteil vom 26.01.2022 - VIII ZR 175/19 hat der BGH zu möglichen Ansprüchen einer Kundin gegenüber einem Energieversorgungsunternehmen auf Rückzahlung von Fernwärmeentgelten Stellung genommen.

Der BGH hat entschieden, dass die von dem beklagten Energieversorgungsunternehmen im Zeitraum von Januar 2011 bis einschließlich April 2014 zugrunde gelegte Preisanpassungsklausel gemäß § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in der bis zum 04.10.2021 geltenden Fassung gemäß § 134 BGB nichtig ist, sodass der Klägerin für die Jahre 2011 bis 2013 ein bereicherungsrechtlicher Anspruch für überzahlte Lieferentgelte in Höhe der vom Berufungsgericht zuerkannten 2.262,37 Euro zusteht.

Die ursprüngliche Preisanpassungsklausel verstoße gegen das Gebot der Kostenorientierung, da der gewählte Preisänderungsparameter die tatsächlichen Brennstoffbezugskosten der Beklagten nicht ausreichend abbilde.

Für die Jahre 2014 und 2015 könne jedoch ein entsprechender Rückzahlungsanspruch mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht angenommen werden. Die Beklagte sei gemäß § 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 24 Abs. 4 S. 1 AVBFernwärmeV a.F. berechtigt gewesen, die unwirksame Preisanpassungsklausel einseitig mit Wirkung ab Mai 2014 durch eine geänderte Preisgleitklausel zu ersetzen, die den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht.
Ein Fernwärmeversorgungsunternehmen sei nämlich nach den genannten Vorschriften berechtigt und - soweit das Kundeninteresse dies erfordert - verpflichtet, eine von ihm gegenüber Endkunden verwendete - von Vertragsbeginn an unwirksame oder ab einem bestimmten Zeitpunkt danach unwirksam gewordene - Preisänderungsklausel auch während des laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig anzupassen, wenn und soweit dadurch sichergestellt werde, dass die Klausel den Anforderungen des § 24 Abs. 4 ABVFernwärmeV entspricht. Denn nur so könne das vom Verordnungsgeber verfolgte Regelungsziel, eine kosten- und marktorientierte Preisbemessung unter Verhinderung unangemessener Preisgestaltungsspielräume der Versorgungsunternehmen zu sichern und über das so zu wahrende Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung während der gesamten Dauer des Versorgungsvertrags die Interessen von Versorgungsunternehmen und Wärmekunden angemessen auszugleichen (vgl. BGH, Urteil vom 25.06.2014 - VIII ZR 344/13), vollständig erreicht werden.

Fernwärmeversorgungsunternehmen seien außerdem nicht berechtigt, wirksam vereinbarte Preise einseitig nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB zu ändern. Denn es würde Sinn und Zweck von § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV mit seinen konkreten Anforderungen zuwiderlaufen, wenn den Fernwärmeversorgungsunternehmen ein einseitiges Preisbestimmungsrecht nach billigem Ermessen zustünde. Vielmehr müssten Preisanpassungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen nach dieser Vorschrift so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung von Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigten.
 

Praktische Bedeutung

Mit dem vorliegenden Urteil hat der BGH zur Zulässigkeit einer Anpassung von Preisänderungsklauseln in Wärmelieferungsverträgen Stellung genommen.

Aus Sicht des BGH ist es hierbei aufgrund der Langfristigkeit der Fernwärmeversorgungsverträge sowohl aus Sicht des Versorgers als auch des Kunden erforderlich, dass sich notwendige Preisanpassungen während des laufenden Versorgungsverhältnisses stets im Rahmen von Preisänderungsklauseln, das heißt ohne Kündigung der Vertragsverhältnisse, vollziehen können. Durch die Möglichkeit der Anpassung einer Preisanpassungsklausel für die Zukunft kann die nach Worten des BGH von der maßgeblichen Vorschrift beabsichtigte kosten- und marktorientierte Preisbemessung und damit ein angemessener Ausgleich der Interessen von Versorgungsunternehmen und Wärmekunden während der gesamten Dauer des Versorgungsvertrages gewährleistet werden.

Der BGH weist außerdem darauf hin, dass eine Anpassung einer vom Fernwärmeversorger verwendeten Preisänderungsklausel nicht in seinem Ermessen steht, sondern vielmehr vom Vorliegen mehrerer Voraussetzungen abhängig ist. 

Die maßgebliche Vorschrift § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV legt hierbei nach Ansicht des BGH die für eine Preisanpassung maßgeblichen Berechnungsfaktoren nicht selbst fest, sondern überlässt es den Versorgungsunternehmen, entsprechende Preisänderungsklauseln zu entwickeln und zu verwenden. Hierbei sind nach Auffassung des BGH Transparenzerfordernisse einzuhalten.
Bildnachweis: Blackosaka/stock.adobe.com
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