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Recht & Verwaltung19 Oktober, 2023

BGH: Klage eines Berufsmusikers auf Entschädigung wegen coronabedingter Einnahmeausfälle

Aus der Redaktion von Wolters Kluwer Online

Infektionsschutzrechtliche Veranstaltungsverbote und -beschränkungen im Zeitraum von März bis Juli 2020 zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus waren verhältnismäßig. Ein Anspruch auf Entschädigung besteht daher nicht.

Sachverhalt: Klage eines Berufsmusikers wegen coronabedingter Einnahmeausfälle

Der im Freistaat Bayern ansässige Kläger betreibt ein Musik- und Filmproduktionsunternehmen und ist Leiter einer Musikgruppe. Seine Aufträge bestehen zu mehr als 90 Prozent aus Live-Auftritten und Bühnenshows.

Er begehrt von dem beklagten Land Baden-Württemberg Entschädigung für Einnahmeausfälle von April bis Juli 2020, weil er und seine Musikgruppe in diesem Zeitraum auf Grund von staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 nicht auftreten konnten.

Der Kläger hat geltend gemacht, die in den Corona-Verordnungen jeweils angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen hätten für ihn wie eine Betriebsuntersagung gewirkt.

Seinem Geschäftsbetrieb sei dadurch die Existenzgrundlage entzogen worden. In der Zeit vom April 2020 bis zum Juli 2020 seien ihm in Baden-Württemberg fünf vertraglich vereinbarte Auftrittsmöglichkeiten auf drei Hochzeiten, einer Firmenfeier und einem Konzert genommen worden, wodurch ihm ein Ertragsverlust von 8.326,48 Euro entstanden sei. Dieser Betrag sei ihm von dem beklagten Land zu erstatten.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Kläger seine Ansprüche weiterverfolgen.

Begründung: Kein Anspruch auf Entschädigung

Mit dem vorliegenden Urteil vom 03.08.2023 - III ZR 54/22 - hat der BGH zur Entschädigung für coronabedingte Einnahmeausfälle eines Berufsmusikers in dem Zeitraum von März bis Juli 2020 („erster Lockdown") Stellung genommen.

Nach Überzeugung des BGH stehen dem klagenden Berufsmusiker keine Ansprüche auf Entschädigung zu.

Ansprüche des Klägers nach dem Infektionsschutzgesetz, nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht und nach den Grundsätzen über den enteignenden Eingriff bestehen nicht.

Die Entschädigungsvorschriften des Infektionsschutzgesetzes bieten weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung eine geeignete Anspruchsgrundlage für den vom Kläger verlangten Ersatz seiner behaupteten coronabedingten Einbußen.

Auch die Voraussetzungen für einen Anspruch nach den Grundsätzen über den enteignungsgleichen Eingriff liegen hier nicht vor.

Ein solcher Entschädigungsanspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs setzt voraus, dass rechtswidrig in eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition von hoher Hand unmittelbar eingegriffen wird, die hoheitliche Maßnahme also unmittelbar eine Beeinträchtigung des Eigentums herbeiführt, und dem Berechtigten dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt wird.

Die in den Corona-Verordnungen des beklagten Landes angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen waren nach Auffassung des BGH allerdings nicht rechtswidrig, insbesondere nicht unverhältnismäßig.

Die in den Corona-Verordnungen angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar, insbesondere mit der Eigentumsgarantie gemäß 14 Abs. 1 GG, der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und dem allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG.

Zu den durch die Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen zählt auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb. Das Musik- und Filmproduktionsunternehmen des Klägers stellt einen solchen Gewerbebetrieb dar.

Durch die von dem beklagten Land angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen wurde das ungestörte Funktionieren des Gewerbebetriebes unterbunden bzw. erheblich beeinträchtigt.

Deshalb griff das beklagte Land durch die Anordnung von Veranstaltungsverboten und -beschränkungen in die Substanz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes des Klägers ein.

Dieser Eingriff in die Eigentumsgarantie war auch unmittelbar. Denn aus Veranstaltungsverboten und -beschränkungen ergeben sich typischerweise Eingriffe in das beruflich genutzte Eigentum von Gewerbebetrieben, die ihre Tätigkeit auf Publikum ausgerichtet haben.

Die in den Corona-Verordnungen angeordneten Veranstaltungsverbote wirkten sich für den Kläger faktisch wie eine Betriebsuntersagung aus. Es liegt daher ebenso ein unmittelbarer Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor, wie bei Betriebsuntersagungen selbst.

Die angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen waren jedoch verhältnismäßig, insbesondere waren sie zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet. Sie trugen dazu bei, größere Menschenansammlungen zu verhindern.

Die befristet und abgestuft angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen waren auch erforderlich, weil gleich geeignete, mildere Mittel nicht zur Verfügung standen. Verhaltensregeln für Versammlungen und Veranstaltungen stellten selbst bei vollumfänglicher Beachtung kein gleich wirksames Mittel dar.

Aus Sicht des BGH waren die von dem beklagten Land in der Zeit von März bis Juli 2020 angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen auch verhältnismäßig im engeren Sinne (angemessen). Die durch die Corona-Verordnung I angeordneten Maßnahmen, also auch das Veranstaltungsverbot, waren von Anfang an zeitlich befristet. Der Verordnungsgeber hatte von vornherein eine „Ausstiegs-Strategie" im Blick und verfolgte ein stufenweises Öffnungskonzept. Eine weitere Abmilderung des Eingriffs in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG bewirkten außerdem großzügige staatliche Hilfsprogramme.

Die öffentliche Hand hat für den hier zu beurteilenden Zeitraum des ersten Lockdowns einen verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen der Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers und dem mit dem Veranstaltungsverbot verfolgten Schutz besonders bedeutsamer Gemeinwohlbelange gefunden.

Durch die angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen wurde zugleich in das Grundrecht des Klägers auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen. Dieser Eingriff war jedoch aus den genannten Gründen rechtmäßig. Dies gilt auch im Hinblick auf die durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Kunstfreiheit.

Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG liegt ebenfalls nicht vor.

Ansicht des BGH kann dem Kläger auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums eine Entschädigung zuerkannt werden.

Schließlich scheidet nach Ansicht des BGH ein Anspruch des Klägers aus Amtshaftung aus, weil die in den Corona-Verordnungen des beklagten Landes angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen in dem streitigen Zeitraum rechtmäßig waren.

Praktische Bedeutung des Urteils vom 03.08.2023 - III ZR 54/22

Der BGH verdeutlicht mit diesem Urteil die Voraussetzungen eines Anspruchs von Unternehmern auf Entschädigung für coronabedingte Einnahmeausfälle in dem Zeitraum des ersten Corona-Lockdowns.

Nach Auffassung des BGH bestand angesichts der unkalkulierbaren Dynamik des Infektionsgeschehens im März 2020 eine besondere Dringlichkeit, zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung sowie eines funktionierenden Gesundheitssystems tätig zu werden. Der Schutz dieser überragend wichtigen Gemeinwohlbelange rechtfertigte nach Worten des BGH selbst schwere Grundrechtseingriffe.

Aus Sicht des BGH war der Gesetzgeber des Infektionsschutzgesetzes hierbei verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, für Belastungen durch Veranstaltungsverbote und -beschränkungen Ausgleichsansprüche zu regeln.

Bildnachweis: Blackosaka/stock.adobe.com
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