Postbankübernahme Deutsche Bank
Recht & Verwaltung23 Februar, 2023

BGH: Postbankübernahme durch die Deutsche Bank

Redaktion Wolters Kluwer Online

Eine Verhaltensabstimmung durch eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten kann im Fall einer im Kaufvertrag über ein Aktienpaket als Interessenschutzklausel vereinbarten Regelung über die Stimmrechtsausübung durch den Verkäufer auch dann gegeben sein, wenn diese darauf gerichtet ist, die bestehenden Verhältnisse bei der Zielgesellschaft im Zeitraum zwischen dem Abschluss und dem Vollzug des Kaufvertrags aufrechtzuerhalten und/oder diese keine über die allgemeine Leistungstreuepflicht hinausgehende Absprache oder tatsächliche Einflussnahme vorsieht.


Sachverhalt: Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank

Die Kläger hielten Aktien der Deutschen Postbank AG (Postbank). Die Beklagte, die Deutsche Bank AG, veröffentlichte am 07.10.2010 ein Übernahmeangebot nach § 29 Abs. 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) zum Preis von 25 Euro je Aktie, das die Kläger annahmen.

Zuvor schloss die Deutsche Bank AG am 12.09.2008 mit der Deutschen Post AG einen Vertrag („Ursprungsvertrag“) über den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an der Postbank von 29,75 % zum Preis von 57,25 Euro pro Aktie.

Die Deutsche Post AG verpfändete im Dezember 2008 und Januar 2009 Aktien der Postbank an die Beklagte, um deren Ansprüche aus den getroffenen Vereinbarungen und einer von der Beklagten geleisteten Sicherheit in Höhe von 3,1 Mrd. Euro zu sichern.

Die Kläger sind der Ansicht, die Deutsche Bank AG hätte schon aufgrund des Ursprungsvertrags ein Pflichtangebot zu einem Preis von 57,25 Euro pro Aktie veröffentlichen müssen, weil dieser Vertrag zu einem Kontrollerwerb der Beklagten gem. § 29 Abs. 2 WpÜG geführt habe.

Die Kläger hatten mit ihren Klagen zunächst ganz überwiegend Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klagen abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger.


Begründung: Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 WpÜG aufgrund der Zurechnung von Stimmrechten

Mit dem vorliegenden Urteil vom 13.12.2022 - II ZR 14/21 - hat der BGH zur Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank Stellung genommen. Der BGH hat entschieden, dass die Revision der klagenden Aktionäre der Postbank Erfolg hat.

Nach Auffassung des BGH können die Kläger nämlich einen Anspruch auf weitere Zahlung haben, wenn die Beklagte bereits auf Grund der zwischen dem 12.09.2008 bis Ende Februar 2009 geschlossenen Vereinbarungen verpflichtet gewesen wäre, den Aktionären der Deutschen Postbank AG ein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 WpÜG zu unterbreiten. Dafür kommt es darauf an, ob die Beklagte die Schwelle von mindestens 30 % der Stimmrechte an der Postbank aufgrund der Zurechnung von Stimmrechten aus den von der Deutschen Post AG gehaltenen Aktien gemäß § 30 WpÜG überschritt. Der BGH teilt hierbei nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Voraussetzungen für eine Zurechnung von Stimmrechten nicht vorliegen.

Aus Sicht des BGH kommt vielmehr eine Zurechnung gemäß § 30 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 Fall 1, S. 2 Fall 1 WpÜG in einer Gesamtschau der vorgelegten Verträge sowie eine Zurechnung von Stimmrechten der Post nach § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG in Betracht.

Für die Annahme einer zurechnungsbegründenden Verhaltensabstimmung durch eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten kommt es nicht darauf an, ob eine im Kaufvertrag über ein Aktienpaket als Interessenschutzklausel vereinbarte Regelung über die Stimmrechtsausübung durch den Verkäufer darauf gerichtet ist, die bestehenden Verhältnisse bei der Zielgesellschaft im Zeitraum zwischen dem Abschluss und dem Vollzug eines Kaufvertrags über Aktien der Zielgesellschaft aufrechtzuerhalten und/oder diese keine über die allgemeine Leistungstreuepflicht hinausgehende Absprache oder tatsächliche Einflussnahme vorsieht. Die Zurechnung von Stimmrechten auf Grund einer Verhaltensabstimmung durch eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten ist daher nicht von der Voraussetzung abhängig, dass das Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft verfolgt wird.

Erforderlich ist nach Ansicht des BGH vielmehr, dass die Verständigung des Bieters mit einem Dritten über die Ausübung von Stimmrechten auf eine tatsächliche und konkrete Einflussnahme bei der Zielgesellschaft gerichtet ist.

Diese Voraussetzungen einer Zurechnung nach § 30 Abs. 2 S.1 Halbsatz 1 Fall 1, S. 2 Fall 1 WpÜG liegen hier nicht vor, weil nicht angenommen werden kann, dass die Vereinbarung der Zustimmungsvorbehalte in der Ursprungsvereinbarung und in der Nachtragsvereinbarung auf Seiten der Beklagten auf eine tatsächliche und konkrete Einflussnahme bei der Zielgesellschaft gerichtet war. Ob eine Zurechnung unter diesem Gesichtspunkt auch in einer Gesamtschau der vorgelegten Verträge zu verneinen ist, kann jedoch aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

Eine Zurechnung von Stimmrechten kommt allerdings unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass die Deutsche Post AG die Aktien der Postbank nach den Vereinbarungen bereits für Rechnung der Beklagten im Sinne von § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpÜG gehalten hat. Das Berufungsgericht hat hierzu zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen einer Zurechnung nicht vorliegen, weil die Dividendenchance aus den betreffenden Aktien bei der Deutschen Post AG verblieben sei. Die Feststellungen des Berufungsgerichts sprechen jedoch nicht gegen, sondern für den Übergang der Dividendenchance auf die Beklagte.

Die Entscheidung erweist sich auch deshalb nicht wegen einer möglichen Verjährung im Ergebnis als richtig.


Praktische Bedeutung des Urteils vom 13.12.2022, II ZR 14/21

Aufgrund des vorliegenden Urteils dürfen die klagenden Aktionäre der Postbank weiter auf Nachzahlung hoffen.

Der BGH hat in diesem Urteil auch zu der umstrittenen Frage der Zurechnungsrelevanz von Interessenschutzklauseln bei Paketverkäufen Stellung genommen. Der BGH lehnt hierbei eine Beschränkung des Zurechnungstatbestands auf eine wechselseitige Zurechnung durch Bündelung von Stimmrechten ab. Vielmehr kommt es aus Sicht des BGH allein darauf an, ob die sich aus dem Paketkaufvertrag für den Verkäufer ergebende Bindung bei der Stimmrechtsausübung die für eine Zurechnung erforderliche Schwelle erreicht.
Bildnachweis: doganmesut/stock.adobe.com
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