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Recht & Verwaltung05 August, 2021

Bewertung von Bieterkonzepten als Zuschlagskriterium

Der Qualitätswettbewerb wird in der vergaberechtlichen Praxis vielfach durch die Bewertung von Bieterkonzepten umgesetzt. Der folgende Beitrag informiert über die rechtlichen Anforderungen an die Aufstellung sowie Bewertung von Zuschlagskriterien mit Konzeptwertung und liefert hierzu praktische Hinweise.
RA Henning Feldmann

Bei der Auswahl der Zuschlagskriterien hat der Auftraggeber einen weiten Beurteilungsspielraum. Der Auftraggeber kann selbst entscheiden, welche Bestandteile des Auftrags, der vergeben werden soll, ihm besonders wichtig sind und hiernach die Zuschlagskriterien bestimmen. Als mögliche Zuschlagskriterien kommen alle Aspekte in Betracht, die „durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt“ sind, d.h. die die Art und Weise der späteren Leistungserbringung betreffen und die Angebote voneinander unterscheiden.

Die Aufzählung in § 58 Abs. 2 VgV ist nicht abschließend. Lediglich Aspekte, die nicht konkret die Art und Weise der Durchführung des ausgeschriebenen Auftrags erbringen, sind unzulässig. Dies gilt auch für die Festlegung von Zuschlagskriterien mit Konzeptwertung. Ein Bieterkonzept beispielsweise, in dem der Bieter aufzeigen soll, welche Umweltschutzmaßnahmen er generell im Unternehmen umsetzt (d.h. ohne Bezug zum konkreten Auftrag), wäre daher unzulässig.

Ist es dem Auftraggeber aber beispielsweise besonders wichtig, dass der Bieter bei Auftragsausführung einen Kundendienst und schnelle technische Hilfe bei Problemen bietet, kann er hier zu Darstellungen der Bieter in Konzepten dazu fordern, wie sie beabsichtigen, die gewünschte technische Hilfe im Zuschlagsfall zu erbringen. Das Zuschlagskriterium könnte in diesem Fall lauten „Bewertung des Kundendiensts und der technischen Hilfe“, und Bewertungsgrundlage hierfür sind die Angaben im Bieterkonzept.

Transparenz- und Gleichbehandlungsgrundsatz berücksichtigen

Bei der Ausgestaltung der Zuschlagskriterien und der Konzeptwertung unterliegt der öffentliche Auftraggeber vergaberechtlichen Grenzen, die insbesondere durch den Transparenz- und den Gleichbehandlungsgrundsatz gesetzt werden. Nach § 127 Abs. 4 GWB müssen die Zuschlagskriterien so festgelegt und bestimmt sein, dass sie die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleisten, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist. § 127 Abs. 5 GWB schreibt vor, dass die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen.

  • Für Zuschlagskriterien, die anhand von Konzepten bewertet werden, heißt das konkret Folgendes: Der Auftraggeber muss zunächst das Haupt-Zuschlagskriterium als solches festlegen und gewichten. Im obigen Beispiel lautet dies „Bewertung des Kundendiensts und der technischen Hilfe“, ein weiteres Beispiel wäre „Qualität der Leistungsausführung“. Dieses Zuschlagskriterium muss grundsätzlich durch weitere Unterkriterien, die der Ausfüllung und näheren Bestimmung eines Hauptkriteriums dienen und präziser darstellen, worauf es dem Auftraggeber ankommt, spezifiziert werden. „Qualität der Leistungsausführung“ allein reicht nicht aus und wäre intransparent.

  • Möchte der Auftraggeber beispielsweise unter der „Qualität der Leistungserbringung“ insgesamt drei Bieterkonzepte bewerten (z.B. „Logistikkonzept“, „Personaleinsatzkonzept“ und „Sicherstellung einer termingerechten Leistungserbringung“), stellten diese drei Konzepte die Unterkriterien dar. Diese Unterkriterien müssen gewichtet und diese Gewichtung muss mitgeteilt werden. Wenn die „Qualität“ (als Haupt-Zuschlagskriterium) im Verhältnis zum Preis z.B. jeweils 50 % zählt, könnte sich der Auftraggeber im o.g. Beispiel entscheiden, dass von diesen 50 % jeweils 33,3 % der erreichbaren Punkte auf jedes einzelne der drei Konzept entfallen.

  • Wenn dem Auftraggeber aber z.B. die „Sicherstellung einer termingerechten Leistungserbringung“ wichtiger ist, kann er dieses Konzept auch höher bewerten. In jedem Fall sollte der Auftraggeber auch angeben, wie er diese Konzepte bewerten will (z.B.: Bewertung nach „Schulnoten“ etwa zwischen 1 und 6 Punkten) und die Punkteskala definieren.

Gewährleistung eines transparenten Wettbewerbs

Die Angabe dieser drei Unterkriterien, deren Gewichtung und die Mitteilung der Bewertungspunkte als solche, reicht indes noch nicht aus, um einen transparenten Wettbewerb zu gewährleisten. Vielmehr müssen die Zuschlagskriterien so ausgestaltet sein, dass „jeder Bieter sich angemessen über die Kriterien und Modalitäten unterrichten kann, anhand derer das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird“ (OLG Celle, Beschl. v. 2. Februar 2021, 13 Verg 8/20).

Mit anderen Worten: der Auftraggeber muss den geforderten Mindestinhalt der Konzepte und jedenfalls eine Zielstellung mitteilen. Die Bieter müssen erkennen können, welche Ausführungen von ihnen in dem Konzept erwartet werden und worauf es dem Auftraggeber ankommt. Hierbei ist der Auftraggeber nicht verpflichtet, den Bietern genau mitzuteilen, für welche Ausführungen sie wie viele Punkte bekommen. Denn durch die Konzeptwertung macht der Auftraggeber die Leistungsbeschreibung jedenfalls in Teilen zur funktionalen Leistungsbeschreibung.

Er gibt also ein Ziel vor und überlässt es den Bietern, wie sie dieses Ziel erreichen wollen. Mit anderen Worten: den Bietern wird eine Aufgabe gestellt, zu erläutern, wie sie ein bestimmtes Ziel erreichen wollen. Hierdurch findet ein Ideenwettbewerb statt: derjenige Bieter mit der „besten Idee“ zur Lösung eines Problems des Auftraggebers, erhält die meisten Punkte. Der Sinn und Zweck einer solchen Konzeptwertung würde aber nicht erreicht werden können, müsste der Auftraggeber genau vorgeben, für welche Idee es wie viele Punkte gibt.

Vergabe von Postdienstleistungen als Beispiel

Ein anschauliches Beispiel, wie Mindestinhalt und Zielstellung für eine Konzeptwertung mitgeteilt werden können, findet sich in einem aktuellen Beschluss des OLG Celle (v. 15. März 2021, 13 Verg 1/21) anhand des Beispiels „Logistikkonzept“ bei der Vergabe von Postdienstleistungen:

Der Auftraggeber legt großen Wert darauf, dass die Erbringung der vertragsgegenständlichen Leistungen durch den Auftragnehmer so organisiert wird, dass eine hohe Leistungsqualität in der logistischen Abwicklung erreicht wird. In einem Logistikkonzept müssen Bieter daher die vorgesehenen Logistikabläufe darstellen und dabei mindestens auf folgende Themen eingehen:

• Bearbeitungsschritte und -Abläufe von der Abholung bis zur Zustellung

• Umfang des Nachunternehmereinsatzes und Schnittstellen zwischen Unternehmen

• Maßnahmen zum Schutz der Sendungen vor Diebstahl, Verlust oder Beschädigung

• Ablauf bei der Zustellung an Postfachadressen und innenliegende Hausbriefkästen

• Vorkehrungen für den Fall kurzfristiger Ausfälle von Betriebsmitteln, insbesondere Sortier- und Frankieranlagen […].

Durch diese Angaben können Bieter genau erkennen, welche Zielstellung sie in ihren Angaben verfolgen sollen („Der Auftraggeber legt großen Wert darauf, dass…“) und welche Angaben von ihnen erwartet werden. Ausführliche Angaben sind nicht notwendig, weil es dem Auftraggeber ja gerade darum geht, die Ideen der Bieter z.B. zum „Schutz der Sendungen vor Diebstahl“ und deren Herangehensweise zu den angegebenen Punkten zu erfahren und zu bewerten.

Allgemeingültige Aussagen zum notwendigen Umfang des Mindestinhalts und der Zielstellung sind aber nicht möglich. Es kommt immer auf den Einzelfall an und auch darauf, ob sich die Erwartungen an die Konzepte aus der Leistungsbeschreibung und den darin enthaltenen Mindestvorgaben ergeben. Die Testfrage für Auftraggeber lautet immer: können Bieter erkennen, welche Angaben wir von ihnen erwarten werden und worauf es uns ankommt?

Konzeptbewertung steht und fällt mit Begründung und Dokumentation

Bei der Bewertung der Konzepte steht dem Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Findet er den Lösungsansatz eines Bieters besser als den eines anderen, kann er diesem Konzept auch mehr Punkte geben. Doch muss er diese Entscheidung entsprechend begründen und diese Begründung ausführlich dokumentieren. Die Begründung und deren Dokumentation ist das A und O der Konzeptwertung und in seiner Bedeutung keinesfalls zu vernachlässigen. Das OLG München hierzu (Beschl. v. 26. Februar 2021, Verg 14/20):

[…] muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind. Auch wenn dem Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zustehen muss, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen insbesondere auch daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.

Vergabekammern stellen und prüfen strenge Anforderungen

Eine Vergabekammer überprüft also nicht, ob die Entscheidung des Auftraggebers, die von einem Bieter vorgeschlagene Lösung besser zu finden als die eines anderen Bieters, richtig ist. Diese Entscheidung ist nur daraufhin überprüfbar, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wurde, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen herangezogen wurden und nicht gegen allgemein gültige Bewertungsansätze verstoßen wurde (VK Bund, Beschl. v. 29. April 2021, VK 2-5/21). Die Vergabekammer überprüft aber sehr wohl, ob diese Entscheidung ausreichend begründet und dokumentiert ist. Die hierzu ergangene Rechtsprechung zeigt, dass Vergabekammern hierbei strenge Anforderungen stellen und dass eine unzureichende oder fehlerhafte Begründung dazu führen kann, dass jedenfalls die Wertung wiederholt werden muss.

Dies ist auch richtig so, denn eine Konzeptwertung ist immer ein Stück weit subjektiv und darf nicht dazu führen, Auftraggebern zu ermöglichen, ihren bevorzugten Bieter missbräuchlich auf Platz 1 zu hieven. Daher legen die Vergabekammern sehr viel Wert auf eine detaillierte, schlüssige und vor allem widerspruchsfreie Begründung der Punktevergabe und deren Dokumentation. Widerspruchsfrei bedeutet z.B., dass bestimmte Aspekte, die in einem Konzept positiv bewertet werden, bei der Bewertung des Konzepts eines anderen Bieters nicht unter den Tisch fallen dürfen.

Die Vergabekammer prüft auch, ob der Auftraggeber die Ausführungen der Bieter vollständig gewürdigt und an alle Bieter die gleichen Maßstäbe angesetzt hat. Es gilt: je detaillierter die Bewertungsentscheidung dokumentiert ist und je mehr sie auf den Einzelfall angeht, umso sicherer ist es, dass die Bewertung vor der Vergabekammer „hält“.

Bei der Bewertung darf sich der Auftraggeber allein im Rahmen der vorgegebenen Inhalte und Zielstellungen der Konzepte bewegen. Im o.g. Beispiel „Logistikkonzept“ dürfte der Auftraggeber es daher z.B. nicht positiv bewerten, wenn der Bieter in diesem Konzept zusätzlich beschreibt, dass und welche besonderen Umweltschutzmaßnahmen er bei Auftragsausführung umsetzt; denn dies hat nichts mit „Logistik“ und der mitgeteilten Zielstellung zu tun.

Vom Ideenwettbewerb der Bieter profitieren

Bleibt die Frage, wann eine Konzeptbewertung sinnvoll ist; und vor allem: wann nicht. Sinnvoll ist eine Konzeptwertung vor allem bei Leistungen, bei denen der Auftraggeber den für ihn „besten“ Weg zur Deckung eines bestimmten Bedarfs oder zur Erreichung eines bestimmten Ziels nicht bereits in der Leistungsbeschreibung verbindlich vorgeben kann, z.B. weil er selbst nicht genau weiß, welche unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten der angesprochene Teilnehmerkreis eigentlich anbieten kann. Dann kann der Auftraggeber vom Ideenwettbewerb der Bieter wirklich profitieren und eine Leistung erhalten, die ihm einen echten Mehrwert bietet.

Weiß der Auftraggeber aber genau, was er haben will, macht es mehr Sinn, dies in der Leistungsbeschreibung auch verbindlich vorzugeben. Auch bei der Ausschreibung von reinen Sachgegenständen ohne dazugehörige Dienstleistungen oder hochgradig standardisierten Leistungsgegenständen sollte in der Regel auf eine Konzeptwertung verzichtet werden. Reine „Alibi-Konzepte“ wie „Plausibilität des Angebots“ oder „Machbarkeit der Leistung“ sind dann nicht nur vergaberechtswidrig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14. Januar 2009, VII Verg 59/08), sondern bringen dem Auftraggeber keinen Mehrwert.

Henning Feldmann
Fachanwalt für Vergaberecht bei ESCH BAHNER LISCH Rechtsanwälte PartmbB in Köln
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