Torsten Herbert, Geschäftsführer des KAV NRW
Recht & Verwaltung14 März, 2022
Keine tariflichen Zuschläge für Teilzeitbeschäftigte bei Überstunden
Der 6. Senat des BAG änderte mit dem Urteil vom 15.10.2021 -6 AZR 253/19- seine bisherige Rechtsprechung und entscheidet, dass es keine Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte gibt, solange die Regelarbeitszeit von Vollbeschäftigten nicht überschritten wird.
Die Klägerin ist seit 1999 bei der beklagten Klinikbetreiberin als Pflegekraft in Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden beschäftigt. Sie leistet Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit, die nach einem für den Monat geltenden Dienstplan erbracht wird.
Aufgrund beiderseitiger Tarifbindung gelten die Regelungen eines Haustarifvertrages, der seinerseits für die Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit den TVöD-K in seiner zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung in Bezug nimmt.
Die Klägerin leistete im Zeitraum Januar bis Juni 2017 sowohl über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus im Dienstplan vorgesehene (geplante) Arbeitsstunden, als auch im Dienstplan nicht vorgesehene (ungeplante) Arbeitsstunden, ohne dabei jedoch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigten zu überschreiten.
Die Beklagte vergütete diese Arbeitsstunden mit dem anteiligen tariflichen Tabellenentgelt.
Die Klägerin beansprucht darüber hinaus Überstundenzuschläge auf der Grundlage der § 7 Abs. 8 Buchst. c, § 8 Abs. 1 Sätze 1, 2 Buchst. a TVöD-K. Sie meint, diese stünden ihr hinsichtlich der „ungeplanten“ Arbeitsstunden auch dann zu, wenn sie ihre vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit nicht überschreite. Bei den „geplanten“ Arbeitsstunden komme es auf eine Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten nicht an. Andernfalls werde sie als Teilzeitbeschäftigte nach nationalem Recht und nach Unionsrecht gegenüber Vollbeschäftigten diskriminiert.
Das ArbG hat der Klage in Höhe von € 54,58 brutto nebst Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat der Klägerin für 10,08 Arbeitsstunden einen Überstundenzuschlag nach §§ 7 Abs. 8 Buchst. c 1. Alt., 8 Abs. 1 TVöD-K zugesprochen.
Das LAG hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 46,02 brutto nebst Zinsen zu zahlen. Es ist dabei dem ArbG insoweit nicht gefolgt, als dieses für die sog. „ungeplanten Überstunden“ im Sinne des § 7 Abs. 8 c 1. Alternative TVöD-K allein auf ein Überschreiten der im Schichtplan vorgesehenen täglichen Arbeitszeit abgestellt habe, ohne zu berücksichtigen, ob die individuelle Sollarbeitszeit der Teilzeitkraft durch den - unstreitig bei der Beklagten monatlich erstellten - Schichtplan bereits ausgeschöpft worden sei.
Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin zum BAG hatte keinen Erfolg.
Die sowohl für Voll- als auch Teilzeitbeschäftigte maßgebliche Sonderregelung in § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K zur Entstehung von Überstunden bei Beschäftigten, die Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten (wonach Arbeitsstunden Überstunden diejenigen Stunden sind, die im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden einschließlich der im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden, die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden, angeordnet worden sind), verstößt jedoch gegen das Gebot der Normklarheit und ist deshalb unwirksam.
Wegen dieser Unwirksamkeit ist für die Klägerin allein die Regelung zur Mehrarbeit in § 7 Abs. 6 TVöD-K maßgeblich (wonach Mehrarbeit die Arbeitsstunden sind, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten leisten).
Diese Bestimmung sieht keine Zahlung von Überstundenzuschlägen für die von der Klägerin zusätzlich geleisteten Stunden, mit der sie ihre vertragliche Arbeitszeit, aber noch nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigen überschritt, vor.
Anspruch auf den in § 7 Abs. 7 i.V.m. § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 TVöD-K vorgesehenen Überstundenzuschlag hat die Klägerin deshalb nicht. Diese Differenzierung zwischen den Gruppen der Voll- und der Teilzeitbeschäftigten ist wirksam, weil für sie völlig unterschiedliche Regelungssysteme des TVöD-K in Bezug auf das Entstehen und den Ausgleich von Mehrarbeit und Überstunden gelten.
Der Senat hält damit an seiner bisherigen, ausschließlich auf den nicht gezahlten Überstundenzuschlag gerichteten Rechtsprechung (BAG 23. März 2017 - 6 AZR 161/16 -) ebenso wenig fest wie an dem in dieser Entscheidung sowie in der Entscheidung vom 25. April 2013 (- 6 AZR 800/11 -) gefundenen Auslegungsergebnis des Überstundenbegriffs des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit.
Die danach erforderliche Differenzierung zwischen geplanten und ungeplanten Überstunden weicht von der nach § 7 Abs. 7 TVöD-K geltenden Grundregel, nach der nur ungeplante zusätzliche Stunden Überstunden werden können, ab, ohne dass ein solcher Regelungswille der Tarifvertragsparteien im Normtext ausreichend Niederschlag gefunden hat. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K kann auch kein anderer objektiver Normbefehl entnommen werden.
Im TVöD sind bekanntlich keine Zuschläge für Mehrarbeit vorgesehen. Die Mehrarbeit ist in § 7 Abs. 6 TVöD definiert. Danach sind Mehrarbeit die Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten leisten. Die Bezahlung der Mehrarbeit ist in § 8 Abs. 2 TVöD geregelt. Danach wird im Gegensatz zur Überstunde kein Zuschlag gezahlt, sondern der Teilzeitbeschäftigte erhält für jede Stunde Mehrarbeit das Stundenentgelt.
Schon aufgrund der Tatsache, dass im TVöD keine Zuschläge bei Mehrarbeit gezahlt werden, waren die o.g. Feststellungen des BAG vom 19.12.2018 aus Arbeitgebersicht nicht auf den TVöD übertragbar. Zudem besteht der Zweck der Überstundenzuschläge nach dem TVöD – und wegen der wortgleichen Regelung im TV-Ärzte/VKA auch dort – darin, dass ein Ausgleich für die besondere Belastung, die aufgrund der Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten entsteht, gezahlt werden soll.
Deshalb waren bis auf Weiteres keine Konsequenzen aus dem Urteil des BAG vom 19.12.2018 für den Bereich des öffentlichen Tarifrechts zu ziehen.
Der 6. Senat hat mit seinem aktuellen Urteil vom 15.10.2021 - 6 AZR 253/19 – nunmehr für Klarheit gesorgt. Die von ihm dabei erachtete Unwirksamkeit des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K dürfte sich aus Arbeitgebersicht sogar positiv auswirken, da auf den Ausgleichszeitraum von § 6 Abs. 2 TVöD-K für geplante Überstunden und den Ausgleich bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche für ungeplante Überstunden zurückzugreifen ist.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über Überstundenzuschläge.Die Klägerin ist seit 1999 bei der beklagten Klinikbetreiberin als Pflegekraft in Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden beschäftigt. Sie leistet Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit, die nach einem für den Monat geltenden Dienstplan erbracht wird.
Aufgrund beiderseitiger Tarifbindung gelten die Regelungen eines Haustarifvertrages, der seinerseits für die Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit den TVöD-K in seiner zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung in Bezug nimmt.
Die Klägerin leistete im Zeitraum Januar bis Juni 2017 sowohl über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus im Dienstplan vorgesehene (geplante) Arbeitsstunden, als auch im Dienstplan nicht vorgesehene (ungeplante) Arbeitsstunden, ohne dabei jedoch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigten zu überschreiten.
Die Beklagte vergütete diese Arbeitsstunden mit dem anteiligen tariflichen Tabellenentgelt.
Die Klägerin beansprucht darüber hinaus Überstundenzuschläge auf der Grundlage der § 7 Abs. 8 Buchst. c, § 8 Abs. 1 Sätze 1, 2 Buchst. a TVöD-K. Sie meint, diese stünden ihr hinsichtlich der „ungeplanten“ Arbeitsstunden auch dann zu, wenn sie ihre vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit nicht überschreite. Bei den „geplanten“ Arbeitsstunden komme es auf eine Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten nicht an. Andernfalls werde sie als Teilzeitbeschäftigte nach nationalem Recht und nach Unionsrecht gegenüber Vollbeschäftigten diskriminiert.
Das ArbG hat der Klage in Höhe von € 54,58 brutto nebst Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Es hat der Klägerin für 10,08 Arbeitsstunden einen Überstundenzuschlag nach §§ 7 Abs. 8 Buchst. c 1. Alt., 8 Abs. 1 TVöD-K zugesprochen.
Das LAG hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 46,02 brutto nebst Zinsen zu zahlen. Es ist dabei dem ArbG insoweit nicht gefolgt, als dieses für die sog. „ungeplanten Überstunden“ im Sinne des § 7 Abs. 8 c 1. Alternative TVöD-K allein auf ein Überschreiten der im Schichtplan vorgesehenen täglichen Arbeitszeit abgestellt habe, ohne zu berücksichtigen, ob die individuelle Sollarbeitszeit der Teilzeitkraft durch den - unstreitig bei der Beklagten monatlich erstellten - Schichtplan bereits ausgeschöpft worden sei.
Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin zum BAG hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Die maßgebliche Fassung des TVöD-K enthält aus Sicht des BAG für den Freizeitausgleich und die Vergütung von Stunden, die Teilzeitbeschäftigte ungeplant über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus erbringen, eigenständige Regelungen, die sich so sehr von den Regelungen zum Entstehen, dem Ausgleich und der Vergütung von Überstunden bei Vollbeschäftigten unterscheiden, dass keine Vergleichbarkeit mehr gegeben ist. Mit dieser Differenzierung haben die Tarifvertragsparteien ihren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Deshalb diskriminieren die für Teilzeitbeschäftigte geltenden Regelungen diese nicht und sind wirksam.Die sowohl für Voll- als auch Teilzeitbeschäftigte maßgebliche Sonderregelung in § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K zur Entstehung von Überstunden bei Beschäftigten, die Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten (wonach Arbeitsstunden Überstunden diejenigen Stunden sind, die im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden einschließlich der im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden, die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden, angeordnet worden sind), verstößt jedoch gegen das Gebot der Normklarheit und ist deshalb unwirksam.
Wegen dieser Unwirksamkeit ist für die Klägerin allein die Regelung zur Mehrarbeit in § 7 Abs. 6 TVöD-K maßgeblich (wonach Mehrarbeit die Arbeitsstunden sind, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten leisten).
Diese Bestimmung sieht keine Zahlung von Überstundenzuschlägen für die von der Klägerin zusätzlich geleisteten Stunden, mit der sie ihre vertragliche Arbeitszeit, aber noch nicht die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollbeschäftigen überschritt, vor.
Anspruch auf den in § 7 Abs. 7 i.V.m. § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 TVöD-K vorgesehenen Überstundenzuschlag hat die Klägerin deshalb nicht. Diese Differenzierung zwischen den Gruppen der Voll- und der Teilzeitbeschäftigten ist wirksam, weil für sie völlig unterschiedliche Regelungssysteme des TVöD-K in Bezug auf das Entstehen und den Ausgleich von Mehrarbeit und Überstunden gelten.
Der Senat hält damit an seiner bisherigen, ausschließlich auf den nicht gezahlten Überstundenzuschlag gerichteten Rechtsprechung (BAG 23. März 2017 - 6 AZR 161/16 -) ebenso wenig fest wie an dem in dieser Entscheidung sowie in der Entscheidung vom 25. April 2013 (- 6 AZR 800/11 -) gefundenen Auslegungsergebnis des Überstundenbegriffs des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit.
Die danach erforderliche Differenzierung zwischen geplanten und ungeplanten Überstunden weicht von der nach § 7 Abs. 7 TVöD-K geltenden Grundregel, nach der nur ungeplante zusätzliche Stunden Überstunden werden können, ab, ohne dass ein solcher Regelungswille der Tarifvertragsparteien im Normtext ausreichend Niederschlag gefunden hat. § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K kann auch kein anderer objektiver Normbefehl entnommen werden.
Praktische Bedeutung
Das BAG hatte mit Urteil vom 19.12.2018 - 10 AZR 231/18 - für einen Fall außerhalb des öffentlichen Dienstes entschieden, dass eine Regelung in einem Tarifvertrag im Einklang mit § 4 Abs. 1 TzBfG dahingehend auszulegen sein könne, dass Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigten bereits für diejenige Arbeitszeit geschuldet seien, die über die Teilzeitquote hinausgehe, die Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit jedoch noch nicht überschreite.Im TVöD sind bekanntlich keine Zuschläge für Mehrarbeit vorgesehen. Die Mehrarbeit ist in § 7 Abs. 6 TVöD definiert. Danach sind Mehrarbeit die Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten leisten. Die Bezahlung der Mehrarbeit ist in § 8 Abs. 2 TVöD geregelt. Danach wird im Gegensatz zur Überstunde kein Zuschlag gezahlt, sondern der Teilzeitbeschäftigte erhält für jede Stunde Mehrarbeit das Stundenentgelt.
Schon aufgrund der Tatsache, dass im TVöD keine Zuschläge bei Mehrarbeit gezahlt werden, waren die o.g. Feststellungen des BAG vom 19.12.2018 aus Arbeitgebersicht nicht auf den TVöD übertragbar. Zudem besteht der Zweck der Überstundenzuschläge nach dem TVöD – und wegen der wortgleichen Regelung im TV-Ärzte/VKA auch dort – darin, dass ein Ausgleich für die besondere Belastung, die aufgrund der Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten entsteht, gezahlt werden soll.
Deshalb waren bis auf Weiteres keine Konsequenzen aus dem Urteil des BAG vom 19.12.2018 für den Bereich des öffentlichen Tarifrechts zu ziehen.
Der 6. Senat hat mit seinem aktuellen Urteil vom 15.10.2021 - 6 AZR 253/19 – nunmehr für Klarheit gesorgt. Die von ihm dabei erachtete Unwirksamkeit des § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD-K dürfte sich aus Arbeitgebersicht sogar positiv auswirken, da auf den Ausgleichszeitraum von § 6 Abs. 2 TVöD-K für geplante Überstunden und den Ausgleich bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche für ungeplante Überstunden zurückzugreifen ist.
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