Bargründung mittels Videokommunikation
Recht & Verwaltung09 August, 2022

Bargründung mittels Videokommunikation (§ 2 Abs. 3 GmbHG n.F.)¹

Der vorliegende Inhalt ist nur ein Teil des Vorabauszugs "Bargründung einer GmbH mittels Videokommunikation (§ 2 Abs. 3 GmbHG n.F.)" der 27. Auflage von Kersten / Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, den Sie hier als kostenlosen PDF-Download erhalten können.

1. Überblick über die Gründungsmodalitäten

a) Seit dem 01.08.2022 (Zeitpunkt des Inkrafttretens2 der durch das DiRUG3, in teils durch das DiREG4 modifzierter Form, bewirkten einschlägigen Änderungen des GmbHG sowie des BeurkG) eröffnet der Gesetzgeber in Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie5 die grundsätzliche Möglichkeit, nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 GmbHG n.F. (zunächst, d.h. bis zum 01.08.2023: nur) im Fall einer Bargründung (i) den Gesellschaftsvertrag, (ii) in die Gründungsurkunde aufgenommene Gesellschafterbeschlüsse, sofern keiner besonderen Beurkundungsbedürftigkeit unterliegend, sowie (iii) ihrerseits nicht nach einer anderen als § 2 Abs. 1 oder 2 GmbHG beurkundungsbedürftige, aber in die elektronische Errichtungsniederschrift aufgenommene Willenserklärungen mittels (Echtzeit-)Videokommunikation über das von der Bundesnotarkammer betriebene Videokommunikationssystem (§ 78p BNotO n.F.) und damit ohne körperliche Präsenz am Amtssitz des Notars zu beurkunden. Das mittlerweile gebräuchliche Unwort »Online-Gründung« ist mit Recht nicht vom Gesetzgeber aufgegriffen worden; es geht allein um einzelne Gründungs- und Verbundakte, welche alternativ zum körperlichen Präsenzverfahren mittels eines bestimmten Videokommunikationsverfahrens der Bundesnotarkammer (und nur mittels dessen, nicht etwa: unter Nutzung anderer Videokommunikationssysteme, wie MS Teams, ZOOM, Webex)6 formwirksam errichtet werden können.7 Auch die Gründung mittels Videokommunikation muss – richtigerweise bereits aufgrund fehlender Substituierbarkeit des § 2 Abs. 1 GmbHG – vor einem Notar mit Zulassung im Inland erfolgen; darüber bei § 142 Rdn. 11 f.; selbst wenn – bei von der h.M. angenommener prinzipieller Substitutionsoffenheit des § 2 Abs. 1 GmbHG – einem Notar mit Zulassung im Ausland von Fall zu Fall die personelle Gleichwertigkeit zugesprochen werden müsste, fehlte es jedenfalls an der verfahrensrechtlichen Gleichwertigkeit, sofern dieser Notar sich eines ausländischen Videokommunikationsverfahrens bedienen muss, das nicht den tragenden Grundsätzen des deutschen entspricht;8 verfahrensrechtliche Gleichwertigkeit scheidet vor allem dort aus, wo dem Videokommunikationsverfahren, wie z.B. jenem derzeit in Österreich praktizierten, kein gleichwertiger hoheitlicher Charakter zukommt oder dieses keine gleichwertige Identifizierungssicherheit gewährleistet.9

b) Folgende Gründungsmodalitäten sind ab dem 01.08.2022 nach Maßgabe des DiRUG und des teils bereits zu diesem Zeitpunkt anwendbaren DiREG (Ergänzungsgesetz zum DiRUG) zu unterscheiden, wobei in allen Fällen die UG (haftungsbeschränkt) als Rechtsformvariante der GmbH in Ermangelung abweichender gesetzgeberischer Anordnung gleichgestellt ist und durchweg Vollmachtsgründungen sowie – im Fall von Mehrpersonengründungen – Sukzessivgründungen i.S.d. § 128 BGB (vgl. darüber ausf. bei Rdn. 10) in allen Verfahren (Präsenz- und/oder Videokommunikationsverfahren) zulässig sind:

  • Gründung im Präsenzverfahren nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 GmbHG (gleichviel, ob Bar- und/oder Sachgründung; keine Beschränkung der Gesellschafter- oder Geschäftsführeranzahl; Satzungsautonomie; Gründungsaufwand im Rahmen des Angemessenen auf die Gesellschaft abwälzbar).
  • Gründung im vereinfachten Verfahren i.S.d. § 2 Abs. 1a GmbHG unter Verwendung der Anlage 1 (Musterprotokoll) (Beschränkung auf Bargründung sowie auf höchstens drei Gesellschafter – Musterprotokoll Anlage 1 lit. a zu § 2 Abs.1a Satz 2 GmbHG: Einpersonengesellschaft; Musterprotokoll Anlage 1 lit. b zu § 2 Abs. 1a Satz 2 GmbHG: Mehrpersonengesellschaft – unter Bestellung nur eines [stets von den Beschränkungen des § 181 BGB konkret befreiten] Geschäftsführers; Kostenprivilegierung; Satzungsautonomie weitgehend ausgeschaltet bis auf konkretisierende Festlegung der Mindestbestandteile i.S.d. § 3 Abs. 1 GmbHG; Gründungsaufwand maximal bis zu € 300 auf die Gesellschaft abwälzbar). Zu diesen Musterprotokollen ausf. bei Rdn. 97 ff.
  • Gründung mittels Videokommunikationsverfahren nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Sätze 1–4 GmbHG n.F. (bis zum Ablauf des 31.07.2023: Beschränkung auf Bargründung; keine Beschränkung der Gesellschafter- oder Geschäftsführeranzahl; Satzungsautonomie, indes anfänglich umstritten, ob nur auf echte Satzungsbestandteile bezogen, was von der nunmehr ganz h.L. im Einklang mit der Gesetzesbegründung zum DiREG mit Recht abgelehnt wird, die bereits die rein äußerliche Verbindung mit dem Satzungstext hinreichen lässt; umstritten ist allerdings weiterhin, ob anteilsbezogene Abtretungspflichten, zumindest sofern rein schuldrechtlich ausgestaltet und als bloßer formeller Bestandteil in den Gesellschaftsvertrag integriert, bereits vor dem 01.08.2023 formgerecht in diesem Verfahren beurkundet werden können; Gründungsaufwand im Rahmen des Angemessenen auf die Gesellschaft abwälzbar; Eintragung im Handelsregister hat binnen in der Regel zehn Werktagen nach Eingang vollständiger Anmeldung zu erfolgen, vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HRV). Muster bei Rdn. 96.19M. Zur Anmeldung bei Rdn. 81.1.
  • Gründung im vereinfachten Verfahren mittels Videokommunikationsverfahren nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Satz 5 Var. 1 GmbHG n.F. i.V.m. § 2 Abs. 1a GmbHG unter Verwendung der Anlage 1 (Musterprotokoll) (Beschränkung auf Bargründung sowie auf höchstens drei Gesellschafter – Musterprotokoll Anlage 1 lit. a zu § 2 Abs. 1a GmbHG: Einpersonengesellschaft; Musterprotokoll Anlage 1 lit. b zu § 2 Abs. 1a GmbHG: Mehrpersonengesellschaft [höchstens drei] – unter Bestellung nur eines (stets von den Beschränkungen des § 181 BGB konkret befreiten) Geschäftsführers; Kostenprivilegierung;10 Satzungsautonomie weitgehend ausgeschaltet bis auf konkretisierende Festlegung der Mindestbestandteile i.S.d. § 3 Abs. 1 GmbHG; Gründungsaufwand maximal bis zu € 300 auf die Gesellschaft abwälzbar; Eintragung im Handelsregister hat binnen fünf Werktagen nach Eingang vollständiger Anmeldung zu erfolgen, sofern nur natürliche Personen Gründungsgesellschafter sind, vgl. § 25 Abs. 3 Satz 2 Var. 1 HRV; kommt es zur Eintragungsverzögerung, hat das Registergericht den Antragssteller über die Gründe zu informieren, vgl. § 25 Abs. 3 Satz 3 HRV).
  • Gründung mittels Videokommunikationsverfahren unter Verwendung der in Anlage 2 zu § 2 Abs. 3 Satz 5 bestimmten Musterprotokolle nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Satz 5 und Satz 6 GmbHG n.F. i.V.m. § 2 Abs. 1a GmbHG11 (Beschränkung auf Bargründung; keine Beschränkung der Gesellschafteranzahl bei Musterprotokoll Anlage 2 lit. b zu § 2 Abs. 3 Satz 5 GmbHG n.F.: Mehrpersonengesellschaft12 [jedoch bei Musterprotokoll Anlage 2 lit. a zu § 2 Abs. 3 Satz 5 GmbHG n.F.: Einpersonengesellschaft]; keine Beschränkung der Anzahl der Geschäftsführer,13 denen jeweils kraft des Musterprotokolls und damit kraft des Gesetzes eine konkrete Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt ist; vor dem Hintergrund einer möglichen Geschäftsführermehrzahl enthalten diese Musterprotokolle eine abstrakte Vertretungsregelung der Geschäftsführer, und zwar in der Spielart der unechten Gesamtvertretung; keine
    Kostenprivilegierung;14 Satzungsautonomie weitgehend ausgeschaltet bis auf konkretisierende Festlegung der Mindestbestandteile i.S.d. § 3 Abs. 1 GmbHG; Gründungsaufwand maximal bis zu € 600 auf die Gesellschaft abwälzbar; auch hier gilt das Musterprotokoll als Gesellschafterliste, vgl. § 2 Abs. 3 Satz 6 i.V.m. § 2 Abs. 1a Satz 4 GmbHG; Eintragung hat, sollten nur natürlich Personen als Gründungsgesellschafter beteiligt sein, binnen fünf Werktagen nach Eingang der vollständigen Anmeldung zu erfolgen, vgl. § 25 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 HRV15). Über die hinzugefügten Musterprotokolle näher bei Rdn. 97 ff. Muster bei Rdn. 104.1M, Anmeldung bei Rdn. 104.2M.
  • Gründung im gemischten Beurkundungsverfahren nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG n.F. i.V.m. § 16e BeurkG n.F. (teils Präsenz-, teils Videokommunikationsverfahren; gesellschaftsrechtlich, insbesondere hinsichtlich allfälliger Beschränkungen der Satzungsautonomie bis zum 01.08.2023, zu bewerten wie eine Gründung mittels Videokommunikationsverfahren; erfasst sind auch Gründungen im vereinfachten Verfahren, das gemischte Beurkundungsverfahren kommt aber notwendig nur bei der Mehrpersonengesellschaft in Betracht).
  • Ab dem 01.08.2023 kommt folgende Gründungsmodalität hinzu: Sachgründung aller Art im Videokommunikationsverfahren (auch gemischte Bar- und Sachgründung) nach Maßgabe des insoweit nicht differenzierenden § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG i.d.F. des DiREG, freilich nur, sofern nicht andere Formvorschriften entgegenstehen, womit als Sacheinlagegegenstand GmbH-Geschäftsanteile oder Immobilien untauglich sind. Über die Sachgründung ausf. bei Rdn. 105 ff.

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  • Fußnoten

    1 Nicht zitierfähiger Vorabauszug aus Kersten/Bühling, Formularbuch und Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, 27. Auflage, § 135, Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gründung, Satzungsbestandteile, bearbeitet von Dr.
    Johannes Scheller, Notar in Hamburg, und Martin Wachter, Notar a.D. (Steuern, Kosten). Die zitierfähige Fassung erscheint online auf Wolters Kluwer Online und in gedruckter Fassung voraussichtlich im Dezember 2022.
    2 Art. 31 Abs. 1 DiRUG.
    3 Art. 20 Nr. 2b DiRUG; Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) v. 05.07.2021 (BGBl. I 3338).
    4 Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften (DiREG) v. 15.07.2022 (BGBl. I 1146).
    5 Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.06.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht, ABl. 2019 L 186, 80
    v. 11.07.2019
    6 Unstr.; vgl. etwa J. Schmidt, ZIP 2021, 112, 113; Bock, RNotZ 2021, 326, 329; Noack/Servatius/Haas/Servatius, § 2 Rn. 72.
    7 Abkürzend könnte – ebenfalls nicht sonderlich präzise – z.B. von einer »ViKo-Gründung« gesprochen werden.
    8 S. etwa Lieder, ZRP 2022, 102, 103 f.; Heckschen/Knaier, NZG 2022, 885, 886 f.; P. Meier, BB 2022, 1731, 1739; ausf. Stelmaszczyk/Strauß, GmbHR 2020, 833, 846 ff.
    9 Vgl. etwa Wicke, GmbHR 2022, 516, 524 f. mit Verweis auf die die fehlende Gleichwertigkeit ausdrücklich hervorhebende Regierungsbegründung; ausdrücklich gegen die Gleichwertigkeit des virutellen
    Beurkundungsverfahrens nach österreichischem Recht zudem Lieder, ZRP 2022, 102, 104.
    10 Vgl. RegBegr. DiRUG BT-Drucks. 19/28177, 162; Heckschen/Knaier, NZG 2021, 1093, 1097.
    11 Diese Musterprotokolle können nicht im Sinne einer vereinfachten Gründung im Präsenzverfahren verwandt werden können; vgl. auch Böhringer/Melchior, GmbHR 2022, 117, 181. Freilich kann der Inhalt gleichsinnig im
    Gründungsverfahren unter körperlicher Anwesenheit, dann aber nicht als Musterprotokoll im Rechtssinne, verwandt werden. Näher hierüber bei Rdn. 99.
    12 Vgl. P. Meier, BB 2022, 1731, 1738.
    13 BeckOK-GmbHG/C. Jaeger § 2 Rn. 86; P. Meier, BB 2022, 1731, 1738.
    14 RegBegr. DiRUG BT-Drucks. 19/28177, 162; Heckschen/Knaier, NZG 2021, 1093, 1097; BeckOK-GmbHG/C. Jaeger § 2 Rn. 86; P. Meier, BB 2022, 1731, 1738.
    15 Rechtspolitische Kritik bei Heckschen/Knaier, NZG 2021, 1093, 1097, die mit Recht darauf hinweisen, dass vor allem die Aufgabe der Kontoeröffnung zugunsten der Vor-GmbH, nicht die Registerbearbeitungszeit, für Verzögerungen im
    Gründungsprozess sorgt; ähnlich auch P. Meier, BB 2022, 1731, 1738.
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