Mediation-im-Markenrecht
Recht & Verwaltung13 April, 2023

Mediation im Markenrecht

Shanti Viktoria Sadacharam, Dipl.pol., Rechtsanwältin für Urheber- und Medienrecht, Mediatorin (cvm), München / Friedrich Albrecht, Dr.iur., VorsRi. BPatG a.D., München – ein Beitrag aus MarkenR 2021, 416
Mediation dient der außergerichtlichen Konfliktlösung. Markeninhaber, Markenverletzer und Urheber von Marken können daran Interesse haben. Ein entscheidendes Momentum der Mediation ist die Autonomie der Beteiligten. Damit unterscheidet sich Mediation von einem Schiedsverfahren, bei dem letztlich der Schiedsrichter entscheidet.

I. Gesetzliche Grundlagen

Die MediationsRL 2008/52/EG gab zunächst nur für grenzüberschreitende Mediationsverfahren einen gewissen Rahmen vor. Erst das Mediationsgesetz3 hat diese Richtlinie 2012 für nationale Verfahren umgesetzt und diverse Prozessordnungen geändert; und erst seit 2017 regelte eine Verordnung die Aus- und Fortbildung von zertifizierten MediatorInnen.4
Die gesetzlichen Vorgaben schufen die Möglichkeit und Umstände der freiwilligen Mediation. Verträge können die Konfliktparteien über Mediations-, Schieds- oder Eskalationsklauseln verpflichten, vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung eine gütliche Lösung von Konflikten zu suchen.

II. Richterliche Mediation

Die Kritik an richterlicher Mediation ist groß5 und teilweise auch berechtigt. Während in Patentsachen beim Deutschen Patent- und Markenamt sowie beim Bundespatentgericht eventuell noch die Kompetenz von JuristInnen und TechnikerInnen als Argument für eine gerichtliche Mediation spricht, gilt dies in Markensachen sicher nicht. Der Einwand von Haedicke6, dass die öffentliche Hand nicht Aufgaben an sich ziehen soll, die auch andernorts kompetent bewältigt werden können, greift hier. Dafür spricht auch, dass § 5 Abs. 2 MediationsG für eine Zertifizierung als MediatorIn eine abgeschlossene regulierte Ausbildung verlangt, während dies für RichterInnen nicht zwingend ist. Nur (Patent-)AnwältInnen müssen nach § 7a BORA bzw. § 9 BOPA bestimmte  Voraussetzungen im Hinblick auf Aus- und Fortbildung, theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen erfüllen. Einige fürchten zudem, dass der Rollenwechsel vom streitentscheidenden Richter zum Mediator die Autorität der Justiz schwächt und dass dies zu einem Vertrauensverlust in den Rechtsstaat führt.7 Umgekehrt sind RichterInnen für die Beteiligen auch als MediatorInnen autoritär handelnde Institutionen; das gilt vor allem, wenn das Verfahren im Gerichtsgebäude stattfindet, dessen Bau oft bewusst eine respekteinflößende Architektur hat. ArchitektInnen sprechen vom „Überwältigungsgestus“.8 Als Mediator hat ein Anwalt gem. § 1 Abs. 2 MediationsG unabhängig zu sein. Er hat keine Entscheidungsbefugnis. Aufgabe der Mediation ist es vielmehr, die Parteien dabei zu unterstützen eine gemeinsame Lösung zu finden und den Konflikt eigenverantwortlich zu lösen.

III. Bedeutung der Mediation im Markenrecht

Mediation im gewerblichen Rechtsschutz spielt in Deutschland bisher nur eine untergeordnete Rolle. Beim Bundespatentgericht ist es in zweiseitigen markenrechtlichen Verfahren (Widerspruch und Löschung) üblich, dass die BerichterstatterInnen im Vorfeld (vgl. § 278 ZPO) oder die Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung auf bestimmt Aspekte hinweisen, etwa dass selbst eine positive Entscheidung nur ein Pyrrhussieg sein könnte, weil der oder die Unterlegene vor den Zivilgerichten weiterhin vorgehen kann und insbesondere mit einstweiligen Verfügungen die gegnerischen Geschäfte nachhaltig stören kann. Vor allem, wenn die „Kriegskasse“ einer der Beteiligten die der anderen erheblich übersteigt, kann ein Obsiegen nur kurzfristig von Vorteil sein. Dass solche Hinweise des Gerichts und kurze Unterbrechungen der mündlichen Verhandlung in vielen Fällen zu Abgrenzungsvereinbarungen führen, die den weiteren Rechtsweg verwehren, macht eine gesonderte Mediation in markenrechtlichen Verfahren, die im Streitfall zum Bundespatentgericht führen würden, nicht attraktiver.

  • Mediation bietet sich dort an, wo Emotionen im Spiel sind. Wo es etwa um den Diebstahl von Ideen, um Urheberrechte oder um den Verrat von Geschäftsgeheimnissen geht und Mediation dabei helfen kann, unter den Emotionen die tatsächlichen Positionen herauszuarbeiten.9
  • Mediation bietet sich zudem an, wenn die Beteiligten ein Interesse an weiteren Geschäftsbeziehungen haben, also bei Handelsbeziehungen, Lizenzverhältnissen, Firmenteilungen etc.10 Die deeskalierende Wirkung von Mediationsverfahren kann dafür hilfreich sein.
Die InhaberInnen von grafisch gestalteten Marken und deren SchöpferInnen, die Urheberrechte an der Markengestaltung haben, sind unauflöslich aneinander gebunden.11 Anpassungen der Markenform an den Zeitgeist oder an neue Werbestrategien bedürfen hier der Zustimmung der UrheberInnen. Markeninhaber und Urheber können ihre Rechte sowohl gemeinsam gegen Dritte durchsetzen als auch mit unterschiedlichen Mitteln, die jeweils nur einem von ihnen zustehen.12 Die Situation ist also durchaus vergleichbar mit der von Patentinhabern und Erfindern, insbesondere Arbeitnehmererfindern, sowie mit der von Eheleuten, die trotz einer Ehescheidung immer Eltern bleiben werden. Gerade in solchen Beziehungen bietet Mediation ein großes Potential, wie wir aus dem Familienrecht wissen.

International dient Mediation oft auch dazu, Verfahrenskosten niedrig zu halten, was bei den relativ „billigen“ markenrechtlichen Verfahren in Deutschland trotz der gesetzlich vorgegebenen Notwendigkeit einer Doppelvertretung durch Patent- und Rechtsanwälte vor den Zivilgerichten nicht so ins Gewicht fällt. Hinzu kommt, dass es vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sowie vor dem Bundespatentgericht selten zu einer Kostenauferlegung kommt. Selbst wenn dies geschieht, sind nur die relativ geringen RVG-Gebühren zu erstatten.13

Bei grenzüberschreitenden Konflikten kann Mediation allerdings deutliche Zeit- und Kostenvorteile mit sich bringen. Auch wo mehrere Verfahren parallel oder seriell drohen, spricht vieles für Mediation. Dazu gehören Verfallsanträge und Nichtigkeitsanträge als Reaktion auf Verletzungsansprüche vor dem Deutschen Patent- und Markenamt oder Verfallsklagen als Antwort auf Widersprüche, wenn die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke zu Zweifeln Anlass gibt. Anders als das bloße Bestreiten der Benutzung im Widerspruchsverfahren können sie zum endgültigen Verlust der Widerspruchsmarke führen.14 Streitige Verfahren können hier dazu führen, dass am Ende beide Beteiligten ohne rechtsbeständige Marke dastehen. Haedicke15 nennt den Mediator in diesen Fällen den „Zaun an der Klippe“, über die beide abzustürzen drohten, während das Gericht oder der Insolvenzverwalter nur als Notarzt tätig werden könnten.

IV. Chancen der Mediation im Markenrecht

1. Einvernehmlichkeit

Die Vorteile der Mediation, für die durchwegs das Einvernehmlichkeitsprinzip gilt, liegen vor allem darin, dass sie von der Beurteilung der gegenwärtigen Situation ausgehend zukunftsgerichtet ist, während Gerichte hauptsächlich Vergangenes beurteilen müssen. Ergebnisse einer Mediation entsprechen den Interessen aller Beteiligten, geben Raum für das jeweilige Empfinden des Konflikts, berücksichtigen alle Konfliktebenen und wahren die Selbstbestimmung der Beteiligten,16 während Gerichtsentscheidungen aus der Sicht der Betroffenen fremdbestimmt sind und mindestens einen Verlierer hinterlassen.

2. Bandbreite

Ämter und Gerichte können nur im Rahmen der Anträge entscheiden.17 So sind sie etwa an das gegebene Waren- und Dienstleistungsverzeichnis gebunden. Oberbegriffe können sie nicht von sich aus aufgliedern; sie müssen den Schutz gegebenenfalls insgesamt vernichten, wenn auch nur für einen Teil der Waren bzw. Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr bzw. ein Nichtigkeitsgrund gegeben ist. In Streitverfahren dürfen sie nicht einmal Hinweise zur Einschränkung im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis des angegriffenen Zeichens geben.18 Selbst Widerspruchsführer bzw. Löschungsantragsteller können insoweit keine beschränkten Anträge stellen; die Inhaberin des angegriffenen Zeichens muss Oberbegriffe von sich aus einschränken und damit auf die Marke teilweise verzichten. Zwar wäre es Aufgabe der beteiligten AnwältInnen, mit dem Gegner Kontakt aufzunehmen, um abzuklären, was diesen wirklich stört. Die Erfahrungen zeigen aber, dass dies nur selten geschieht. So kann man immer wieder Anwälte erleben, die vor dem Gebäude des Bundespatentgerichts, in dem bekanntlich ein sehr schlechter Empfang für Mobiltelefone besteht, versuchen, mit ihren Mandanten Kontakt aufzunehmen, um das im laufenden Verfahren abzuklären. MediatorInnen müssen derartigen Fragen immer rechtzeitig nachgehen und „Nebenkriegsschauplätze“ in ihre Überlegungen einbeziehen, die die Beteiligten gegenüber einem Gericht oft auch gar nicht offenlegen wollen. Damit können sie die Beteiligten und deren Anwälte unterstützen, sich leichter von festgefahrenen Positionen zu lösen.

3. Vertraulichkeit 

Gerichtsverfahren sind meist öffentlich, während für eine Mediation Vertraulichkeit gem. § 1 Abs. 1 MediationsG gilt. Die Beteiligten können unter sich Vertraulichkeit vereinbaren; die Mediatorin ist immer zur Vertraulichkeit verpflichtet und hat ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 4 Satz 1 MediationsG i.V.m. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Anwältinnen, die als Mediatorin tätig waren, können sich darauf über § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO und § 18 BORA bzw. § 39a Abs. 2 Satz 2 PAO und § 4 BOPA berufen.

V. Überprüfung der Ergebnisse 

Wurde die Mediation ohne Anwälte durchgeführt, ist dringend anzuraten, abschließende Vereinbarungen, auch wenn sie eine von allen akzeptierte Lösung beinhalten, anwaltlich prüfen zu lassen. Die Fixierung der Vereinbarung soll ja eine Lösung auf Dauer garantieren und eine praktikable Umsetzung ermöglichen. 

VI. Anwaltshonorar bei Mediation 

Das Honorar von AnwältInnen in den Mediationsverfahren muss sich daran orientieren, dass die Kosten der Mediation die aus einem Gerichtsverfahren nicht eklatant überschreiten sollten. § 4 RVG bietet die Möglichkeit, geringere Gebühren zu vereinbaren.19

Der vorliegende Beitrag ist ein Auszug aus der Zeitschrift MarkenR – Markenrecht (Ausgabe 11-12 | 2021, 416)


Sie möchten die gesamte Ausgabe lesen?

MarkenR ist die einzige Zeitschrift auf dem deutschen Markt, die das Marken- und Kennzeichenrecht zum Hauptthema macht und alles bietet, was auf das Markenrecht spezialisierte Rechtsanwälte und Unternehmensjuristen ständig brauchen – immer die aktuellsten Urteile und dazu vertieftes Wissen in Form von Aufsätzen zu aktuellen Themen des Markenrechts.
Zur Ausgabe
  • Fußnoten
    Dipl.pol., Rechtsanwältin für Urheber- und Medienrecht, Mediatorin (cvm), München.

    Dr.iur., VorsRi. BPatG a.D., München.

    BGBl. I S. 1577.

    ZMediatAusbV, BGBl. 2017 I S. 1994; zum (damals neuen) Mediationsverfahren vor dem EUIPO siehe auch Stürmann, MarkenR 2012, 134 und MarkenR 2012, 191.

    Prütting, ZZP 124, 163.

    Haedicke, in: Haedicke/Timmann, Handbuch des Patentrechts, 2. Aufl. 2020, § 16 Rn. 239.

    Prütting, ZZP 124, 163, 168.

    Degros/Dujardin, Bauwelt 43.2013.

    Haedicke, in: Haedicke/Timmann, § 16 Rn. 224.

    10 Haedicke, in: Haedicke/Timmann, § 16 Rn. 228.

    11 Sadacharam/Albrecht, MarkenR 2020, 365.

    12 Sadacharam/Albrecht, MarkenR 2020, 365, 371 (VI.).

    13 Albrecht/Hoffmann, MarkenR 2018, 515; dies., Die Vergütung des Patentanwalts, 4. Aufl. 2020, Rn. 918 ff.

    14 Albrecht/Hoffmann, MarkenR 2020, 1.

    15 Haedicke, in: Haedicke/Timmann § 16 Rn. 233.

    16 Haedicke, in: Haedicke/Timmann § 16 Rn. 206.

    17 Haedicke, in: Haedicke/Timmann § 16 Rn. 221.

    18 BGH MarkenR 2012, 380 – Neuschwanstein.

    19 Albrecht/Hoffmann, Rn. 63.
Bildnachweis: H_Ko/stock.adobe.com
Passende Themen durchstöbern
monatlicher newsletter
Stets informiert.
Erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten aus dem gewerblichen Rechtsschutz z.B. rund um das Patent- und Wettbewerbsrecht. 
Back To Top