Online-Beurkundung
Recht & Verwaltung21 Juli, 2022

Es geht weiter – Online-Beurkundungen im Gesellschaftsrecht

Dr. Andreas Blunk, MLE/Julian Monden*

Die Digitalisierung von bestimmten Prozessen im Gesellschaftsrecht wird weiter vorangetrieben. Nach der bisherigen Rechtslage sollte ab dem 01.08.2022 in ausgewählten Konstellationen die Bargründung der GmbH auch im Wege der Online-Beurkundung eingeführt werden.1 Diese Möglichkeit des Beurkundungsverfahrens soll nun auf weitere Inhalte ausgedehnt werden.

Der kürzlich veröffentliche Referentenentwurf des BMJ für ein Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie greift diese Intention auf und lässt nunmehr Beurkundungen mittels Videokommunikation auch bei Gründungen mit Sacheinlagen und weiteren Beschlüssen zu. Daneben wird vorgeschlagen, nicht nur notarielle Online-Beglaubigungen von Handelsregisteranmeldungen für alle Rechtsträger zu ermöglichen, sondern auch im Bereich des Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregisters. Schließlich sieht der Entwurf Bestimmungen zur virtuellen Gesellschafterversammlung bei der GmbH vor.

Die Autoren befassen sich mit den Auswirkungen einer Umsetzung des Referentenentwurfs und zeigen auf, welche praktischen Herausforderungen sich in der Anwendung der neuen Vorschriften unter anderem bei der Einlage von Sachgesamtheiten, wie z.B. Einzelunternehmen, stellen können.

I. Einleitung

Am 05.06.2021 wurde im Bundesgesetzblatt das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) veröffentlicht. Hiernach wird die GmbH-Gründung ab dem 01.08.2022 auch mittels Online-Beurkundung unter verbindlicher Mitwirkung des Notars vorgenommen werden können. Der Prozess wird mittels eines von der Bundesnotarkammer aufgesetzten Videokommunikationssystems2 so gestaltet sein, dass die Gleichwertigkeit der Online-Beurkundung mit dem Präsenzformat sichergestellt wird, mithin die »Notare als »Wächter der Privatautonomie« auch in Zukunft ihre besondere Betreuungs-, Beratungs- und Gewährungsfunktion im Gefüge der vorsorgenden Rechtspflege erfüllen können«3 und ein Absinken des rechtlichen Schutzniveaus für Gründer und Gläubiger verhindert und mögliche Missbrauchsrisiken minimiert werden.4

Bereits im Rahmen seiner Beschlussempfehlung zum Di-RUG hatte der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz gefordert, die neu gewählte Bundesregierung möge in der 20. Legislaturperiode prüfen, ob der Anwendungsbereich notarieller Online-Beglaubigungen auf Personenhandelsgesellschaften und Genossenschaften und der Anwendungsbereich der Online-Beurkundung auf weitere gesellschafts- und registerrechtliche Vorgänge ausgedehnt werden könne.5 Die derzeitige Bundesregierung plant nunmehr, den Anwendungsbereich, insbesondere der Online-Beurkundungsform, erheblich zu erweitern. Entsprechend ist im Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode die Ausweitung auf die Sachgründung vorgesehen.6

Dem Regierungswillen folgend, ist am 22.03.2022 ein Referentenentwurf des BMJ für ein Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (»RefE«)7 mit dem Fokus erschienen, Beurkundungen per Videokommunikation auch bei Gründungen mit Sacheinlagen und weiteren Sachverhalten zuzulassen. Außerdem soll nicht nur der Gesellschaftsvertrag entsprechend beurkundet werden können, sondern auch sonstige Willenserklärungen, welche typischerweise nicht der notariellen Form bedürfen. Ein weiteres Augenmerk des RefE liegt auf der Einführung einer videokommunikativen Beurkundung von einstimmig gefassten satzungsändernden Beschlüssen sowie Erleichterungen bei Online-Anmeldungen zu bestimmten Registern. Der Beitrag untersucht weiterhin die im RefE vorgeschlagene Neuregelung zur virtuellen Gesellschafterversammlung und zeigt auf, dass gerade im Falle von Gesellschafterstreitigkeiten die Durchführung von Präsenzversammlungen regelmäßig unumgänglich sein wird.

II. Erweiterung der Online-Beurkundung

Mit Blick auf den RefE ist zunächst sehr positiv anzumerken, dass die Ausweitung der notariellen Online-Verfahren unter strikter Beachtung der durch das DiRUG eingeführten hohen Standards gem. § 78p BNotO n.F. erfolgt und die Online-Beurkundung aufgrund des hoheitlichen Charakters des Beurkundungsverfahrens konsequent auch weiterhin nur über das von der Bundesnotarkammer errichtete Videokommunikationssystem zulässig sein soll.8 Einer näheren Untersuchung bedarf allerdings die Einbeziehung der zunächst im DiRUG vorgesehenen Ausnahme der Sachgründung von der Online-Beurkundung als zentrales Element des RefE. Im Rahmen der zwischenzeitlich erschienenen Literatur zum DiRUG wurde die Beschränkung auf die Bargründung vielfach begrüßt.9 Im Zuge der Öffnung der Online-Beurkundung werden in der Umsetzungspraxis technisch-organisatorische Fragen zu lösen sein. Wegen dieser Herausforderungen soll die Ausweitung der neuen Bestimmungen zur notariellen Online-Beurkundung auf GmbH-Sachgründungen, satzungsändernde Beschlüsse, Erklärungen zur Übernahme eines Geschäftsanteils anlässlich von Kapitalerhöhungen sowie Vereinsregisteranmeldungen auch erst ein Jahr nach Inkrafttreten des DiRUG und damit am 01.08.2023 in Kraft treten.10

1. Ausweitung der Online-Beurkundung

a) Sachgründung

Der RefE spricht sich in Abkehr von der bisherigen Ausübung des Optionsrechts gem. Art. 13 g Abs. 4 Buchst. d) der Digitalisierungsrichtlinie (»DigRL«)11 für eine Erstreckung des Online-Beurkundungsverfahrens auf GmbH-Sachgründungen aus.12 Hierzu soll nach Art. 6 Nr. 1 RefE der künftige § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG mit Wirkung zum 01.08.2023 (vgl. Art. 8 Abs. 2 RefE) wie folgt neugefasst werden:

»Die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrages kann auch mittels Videokommunikation gemäß den §§ 16a bis 16e des Beurkundungsgesetzes erfolgen, sofern andere Formvorschriften nicht entgegenstehen.«

Kennzeichnend für das Online-Beurkundungsverfahren, für dessen elektronische Niederschrift nach § 16b Abs. 1 Satz 2 BeurkG n.F. ausdrücklich die Vorschriften über die (physische) Niederschrift entsprechend anzuwenden sind, soweit die Sondervorschriften des BeurkG zur Online-Beurkundung nichts anderes bestimmen, sind die persönliche Identifizierung der Beurkundungsteilnehmer mittels des von der Bundesnotarkammer bereitgestellten Webportals mit Smartphoneanbindung13 sowie der Ersatz der Unterschrift unter der Niederschrift durch eine qualifizierte elektronische Signatur. Diese Charakteristika vermitteln nach Auffassung des Entwurfsgebers auch die Gleichwertigkeit des Online-Beurkundungsverfahrens mit der Präsenzbeurkundung.14

aa) Motive und Begründung des Entwurfsgebers zur Ausweitung auf Sachgründungen

Der Entwurfsgeber hält die »Ausweitung des notariellen Verfahrens der Online-Beurkundung auf weitere beurkundungspflichtige Gegenstände des GmbH-Rechts« für »zweckmäßig, soweit diese nach ihrer Struktur der für das Online-Verfahren besonders geeigneten Bargründung (…) entsprechen«,15 und vertritt insoweit die Auffassung, dies sei auch bei der Sachgründung einer GmbH der Fall, solange nicht andere Formvorschriften als jene des § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG betroffen seien.16 Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten entspricht diese Ausweitung der Online-Beurkundung aus Sicht des Entwurfsgebers auch der Ziffer 4 (»Nachhaltiges Wirtschaften stärken«) der Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie,17 da das Verfahren die physische Präsenzbeurkundung in seinem Anwendungsbereich verzichtbar mache und so vermeintlich »unnötige Wegstrecken für die Beteiligten eingespart« würden.

Die Ausdehnung des Online-Beurkundungsverfahrens auf Sachgründungen bedarf allerdings einer genaueren Untersuchung, da diese mitunter sehr komplex gestaltet werden. Die mit einer Sachgründung einhergehenden Bewertungs- und Prüfungsfragen18 erfordern unter dem Gesichtspunkt der Haftungsvermeidung insbesondere, dass die Beteiligten beigebrachte Werthaltigkeitsbescheinigungen und Bilanzen mit der notwendigen kritischen Distanz prüfen. Darüber hinaus bedarf der Einbringungsvertrag bei der Einlage von einer Vielzahl von Gegenständen, wie z.B. die Einbringung von Unternehmen als Sachgesamtheit im Wege des Asset Deals, nicht nur mit Blick auf den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, sondern auch aufgrund etwaig bestehender Belastungen der Einbringungsgegenstände sowie der Haftung für damit verbundene Verbindlichkeiten einer besonders sorgfältigen Gestaltung. Der damit einhergehende Regelungsaufwand erhöht die Komplexität dieser Gründungsvariante gegenüber einer reinen Bargründung immens, was sich erfahrungsgemäß auch in einem gesteigerten Beratungsbedarf der Urkundsbeteiligten niederschlägt. Diesen Anforderungen darf auch im Rahmen eines Online-Beurkundungsverfahrens nicht weniger intensiv begegnet werden als im Rahmen des Präsenzverfahrens. Geschwindigkeits- und Kosteneinsparungspotentiale dürfen generell, und gerade bei komplexeren Gestaltungen, eben nicht über Qualitätsanforderungen der vertraglichen Gestaltung erhoben werden.19 Anderenfalls drohen ein erheblicher zeitlicher Mehraufwand für die Beteiligten und – im Hinblick auf die Werthaltigkeit von Sacheinlagen – zudem Haftungsfolgen. Die Frage, warum der Entwurfsgeber Sachgründungen, soweit sie nicht andere Formvorschriften als § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG berühren, pauschal für strukturell vergleichbar hält, ist vor diesem Hintergrund berechtigt und sollte im Gesetzgebungsverfahren noch einmal näher beleuchtet werden.

Im Sinne der mittels Online-Beurkundung nicht in allen Konstellationen gleichwertig erfüllbaren Beratungsbedürfnisse der Beteiligten soll der Anwendungsbereich der Online-Beurkundung nach derzeitigem Stand des RefE erfreulicherweise zumindest auf Sachgründungen beschränkt bleiben, in denen sich die Beurkundungsbedürftigkeit des Vorgangs nicht aus anderen Bestimmungen als § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ergibt. Der Prämisse, dass das Online-Beurkundungsverfahren für Bargründungen grundsätzlich besonders geeignet sei, wird insoweit jedenfalls im Ansatz entsprochen. Es bleibt mithin nach wie vor kein Raum für eine Online-Sachgründung, etwa unter Einbringung von Grundeigentum oder GmbH-Geschäftsanteilen.20 Praktisch wird das Online-Beurkundungsverfahren daher bei Sachgründungen, etwa unter Einbringung von Einzelwirtschaftsgütern wie Pkw und/oder Lkw und Büroeinrichtungen, aber auch bei Sachgründungen unter Einbringung von Gesellschaftsanteilen an Personen(handels) gesellschaften in Betracht kommen, wie z.B. bei der sog. »erweiterten Anwachsung«.21 Sachgründungen unter Einbringung von Immobilien oder GmbH-Geschäftsanteilen oder unter Vornahme von Gesamtvermögensgeschäften22 sind hingegen nach wie vor zu Recht im Präsenzbeurkundungsverfahren verortet. Fraglich ist jedoch, wie mit grundsätzlich dem Präsenzbeurkundungsverfahren vorbehaltenen Vorgängen, etwa Vorkaufs-, Ankaufs- und Mitverkaufsrechten und -pflichten umzugehen ist, wenn diese in der Satzung geregelt
werden. Der RefE äußert sich hierzu leider nicht ausdrücklich, obwohl derartige Klauseln für die Praxis gerade in Mehrpersonenkonstellationen notwendig sind. Insoweit besteht aktuell eine Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Online-Beurkundungsverfahrens.23 Schließlich ist bei derartigen Klauseln grundsätzlich auch die Formvorschrift des § 15 Abs. 4 GmbHG berührt. Der Gesetzgeber müsste insoweit klarstellen, dass – sofern gewünscht – satzungsmäßige Vorkaufs-, Ankaufs- und Mitverkaufsrechte und -pflichten als korporative Nebenpflichten ebenfalls im Rahmen der Online-Beurkundung aufgenommen werden können. Anderenfalls wären die Notare gehalten als sichersten Weg das Präsenzbeurkundungsverfahren durchzuführen.24

bb) Praxisfragen der Online-Beurkundung

Für die notarielle Praxis liefert die im RefE vorgesehene Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Sachgründungen weitere Hinweise auf in der Literatur zum DiRUG bereits diskutierte Fragen, was begrüßenswert ist. Hinsichtlich der technisch-organisatorischen Umsetzung stellen sich jedoch auch Fragen in Bezug auf die Sachgründung mittels Online-Beurkundung.

(i) Bargründung mit Sachagio und gemischte Bar- und Sachgründung

Aufgrund der im RefE vorgesehenen Ausweitung der Online-Beurkundung auf die Sachgründung einer GmbH spricht der Wortlaut des ab August 2023 geltenden § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG n.F. nicht mehr gegen die Annahme, im Online-Beurkundungsverfahren könnten auch Bargründungen mit Sachagio durchgeführt werden.25 Ebenso wenig kann gemischten Bar- und Sachgründungen jetzt unter Hinweis auf die Beschränkung der Online-Beurkundung auf reine Bargründungen die Zulässigkeit im Online-Beurkundungsverfahren versagt werden.26 Unter Komplexitätsgesichtspunkten dürfte dies zwar nicht unbedingt den seinerzeitigen Erwägungen des Gesetzgebers zum DIRUG entsprechen.27 Jedenfalls für solche Einbringungsvorgänge, die neben § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG keine weiteren gesetzlichen Formvorschriften berühren, bietet die Zulassung der Online-Beurkundung der Sachgründung im RefE indes ein Plus an Rechtssicherheit im Hinblick auf das Sachagio sowie die gemischte Bar- und Sachgründung, für die ab dem 01.08.2023 das Online-Beurkundungsverfahren zulässig sein dürfte. Aus notarieller Perspektive mag dies aufgrund der Komplexität dieser Vorgänge und der erforderlichen umfassenden Beratung der Urkundsbeteiligten nicht zwingend zweckmäßig sein. Hier wird die Anwendungspraxis im Einzelfall zeigen, ob diese – was zwingend ist – die notariellen Amtspflichten auch bei komplexen Online-Beurkundungen als umfassend erfüllbar beurteilt oder vorsorglich auf das Präsenzverfahren als sicherster Weg verweisen wird. 

(ii) Eingeschränkte Vorlesungspflicht von Inventaren und Bestandsverzeichnissen

Für die Praxis werfen Einbringungsvorgänge im Rahmen von Sachgründungen die Frage auf, wie im Rahmen des Online-Beurkundungsverfahrens mit den üblicherweise verwendeten Inventaren und Bestandsverzeichnissen als Anlagen der Niederschrift umzugehen ist.

Für das Präsenzverfahren ist der Weg durch § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 BeurkG vorgezeichnet. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeurkG müssen diese Dokumente nicht vorgelesen werden, wenn in der Niederschrift auf diese Dokumente verwiesen wird, sie der Niederschrift beigefügt werden und die Beteiligten auf das Vorlesen verzichten. In diesem Fall ist gem. § 14 Abs. 3 Halbs. 1 einerseits der Verzicht der Beteiligten in der Niederschrift festzustellen. Darüber hinaus sollen die Dokumente nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BeurkG den Beteiligten zur Kenntnisnahme vorgelegt und von ihnen unterschrieben werden, wobei im Falle mehrseitiger Dokumente jede Seite unterzeichnet werden soll. Auch dies soll gem. § 14 Abs. 3 Halbs. 2 in der Niederschrift festgestellt werden.

Für das Online-Beurkundungsverfahren sind im Hinblick auf Inventare und Bestandsverzeichnisse die Soll-Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 1 BeurkG über die Unterzeichnung von besonderem Interesse. Diesen liegt die gesetzgeberische Erwartung zugrunde, dass die Beteiligten durch Unterzeichnung der Anlagen in ihrer Gesamtheit einerseits die Verantwortlichkeit für die darin niedergelegten Verpflichtungen dokumentieren,28 sie sich über die Bedeutung und Tragweite des Rechtsgeschäfts bewusst werden und andererseits eine Kontrollmöglichkeit im Hinblick auf die Anlageninhalte begründet wird.29 § 14 Abs. 2 Satz 1 BeurkG wird daher zu Recht eine Autorisierungsfunktion sowie eine Kontrollfunktion beigemessen.30 Auch wenn die Einhaltung der Soll-Vorschrift kein Wirksamkeitserfordernis der Beurkundung darstellt,31 werden die Notare § 14 Abs. 2 Satz 1 BeurkG aufgrund des umfassenden Verweises in § 16b Abs. 1 Satz 2 BeurkG n.F. auch im Rahmen der elektronischen Niederschrift selbstverständlich anzuwenden haben.

Die zur Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 1 BeurkG entwickelten Maßstäbe, nach denen bei einer aus mehreren Seiten bestehenden Anlage sämtliche Seiten, ausgenommen der letzten Seite, paraphiert werden können, während die letzte Seite die vollständige Unterschrift der Beteiligten tragen sollte,32 dürften auf das reine Online-Beurkundungsverfahren seiner Konzeption nach schwierig zu übertragen sein. Schließlich wird im Rahmen des Online-Beurkundungsverfahrens nach § 16b Abs. 2 BeurkG n.F. eine elektronische Niederschrift als elektronisches Dokument errichtet, und nach § 16b Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BeurkG ist vorgesehen, dass am Schluss der elektronischen Niederschrift die Namen der Personen wiedergegeben werden sollen, die diese signieren. Die Unterschrift der Urkundsbeteiligten wird nach § 16b Abs. 4 Satz 1 BeurkG durch das Versehen der elektronischen Niederschrift mit qualifizierten elektronischen Signaturen ersetzt.

Bei einer engen Wortlautauslegung des § 14 Abs. 2 Satz 1 BeurkG müsste technisch sichergestellt werden, dass die Urkundsbeteiligten ihre Kenntnisnahme und Genehmigung der einzelnen Anlagenseiten im Rahmen des Videokommunikationssystems zu jeder einzelnen Seite dokumentieren. Die Aufbringung, bspw. von Kürzeln anstelle Paraphen auf den einzelnen Seiten der Anlage sowie des vollen Namens der Urkundsbeteiligten auf der letzten Seite der jeweiligen Anlage und die abschließende elektronische Signatur der Niederschrift mag hier ein augenfälliger Lösungsansatz sein. Die Einhaltung der Amtspflichten kann so jedoch nicht sicher dokumentiert werden, ist es doch genauso gut denkbar, dass die Vorlage zur Genehmigung schlicht unterbleibt. 

Die Kontrollfunktion des § 14 Abs. 2 Satz 1 BeurkG wäre somit nur eingeschränkt, auch wenn selbstverständlich die Notare die Verantwortung für deren faktische Gewährleistung tragen. Ein anderer Ansatz könnte darin bestehen, dass jede Seite eines Inventars oder Bestandsverzeichnisses zum Zeichen der Kenntnisnahme und Billigung als gesondertes Dokument elektronisch zu signieren wäre. Das widerspräche wohl aber bei umfangreichen Anlagen der vom Entwurfsgeber beabsichtigten zeitlichen Effizienz des Online-Beurkundungsverfahrens. Aufgrund des umfassenden Verweises in § 16b Abs. 1 Satz 2 BeurkG durch den Gesetzgeber wäre hier eine Klarstellung zum Procedere im Rahmen des § 14 Abs. 2 Satz 1 BeurkG mit Blick auf die aus § 14 Abs. 2 Satz 1 BeurkG erwachsenden Amtspflichten der Notare für die Praxis wünschenswert. So wäre z.B. mit Blick auf § 14 Abs. 2 Satz 1 BeurkG etwa in § 16b Abs. 4 Satz 1 BeurkG folgende Klarstellung aufzunehmen:

»Die elektronische Niederschrift ist mit qualifizierten elektronischen Signaturen zu versehen, die an die Stelle der nach diesem Gesetz vorgesehenen Unterschriften, auch im Hinblick auf § 14 Abs. 2 S. 1 BeurkG, treten.«

b) Gründungs- und Vollzugsvollmachten

Zusätzlich zu den bisher vorgesehenen Normen wird sich die Online-Beurkundung mit Inkrafttreten des DiRUG im August 2022 fortan nicht nur auf die Bargründung der GmbH, sondern auch auf die Beurkundung einer Gründungsvollmacht erstrecken können. Dies führt zu erheblichen praktischen Erleichterungen. Denn unter dem bisherigen Di-RUG-Regime waren keine Vorschriften für eine elektronische Vollmachtsbeurkundung vorgesehen.33 Im Rahmen des Online-Gründungsverfahrens musste daher eine formgerecht im Präsenzverfahren errichtete Vollmacht im Original respektive in Ausfertigung bei der Beurkundung der Gründung vorliegen.34 Ansonsten wären die Beteiligten bei einer Mehrparteiengründung auf die Nachgenehmigung verwiesen; bei der Einpersonen-GmbH wäre hingegen wegen § 180 Satz 1 BGB die Gründungserklärung eines vollmachtlosen Vertreters unheilbar nichtig.35 Der RefE beseitigt diese Defizite und fügt § 2 Abs. 2 GmbHG einen 2. Satz an, nach dem die notarielle Beurkundung oder Beglaubigung von Gründungsvollmachten nunmehr auch mittels Videokommunikation erfolgen kann. Der RefE bejaht damit auch die bisher offene Frage, ob die Errichtung sogenannter Vollzugsvollmachten, welche den Notarangestellten des die Gründung beurkundenden Notars insbesondere für den Fall der Beanstandung von Regelungen
des Gesellschaftsvertrages durch das Registergericht und deren Korrektur eingeräumt werden,36 im Rahmen der Online-Beurkundung möglich sind.37

c) Sonstige Willenserklärungen bei Gründung

Abrundend wird das notarielle Online-Verfahren entsprechend dem RefE auch auf sonstige Willenserklärungen, welche nicht der notariellen Form bedürfen, erstreckt; expressis verbis nennt die Begründung in diesem Zusammenhang Erfüllungsgeschäfte im Zusammenhang mit einer Sachgründung.38 Die Zulässigkeit knüpft dabei sowohl an die Videobeurkundung gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG n.F. als auch an die Aufnahme in die entsprechend § 16b BeurkG errichtete elektronische Niederschrift als Voraussetzung an. Das gleiche gilt für einstimmige, nicht beurkundungsbedürftige Beschlüsse. Folge ist damit aber auch, dass insbesondere Umwandlungsvorgänge vom Online-Verfahren ausgenommen sind.39

2. Satzungsänderungen im notariellen Online-Verfahren

Künftig werden auch bestimmte satzungsändernde Beschlüsse in den Anwendungsbereich des notariellen Online-Verfahrens einbezogen. Der RefE ändert § 53 Abs. 3 GmbHG entsprechend ab und ergänzt diesen für Beschlüsse um eine Rechtsgrundverweisung40 auf die Gründungsvorschriften. Nach der Entwurfsfassung soll die Online-Satzungsänderung jedoch nur für einstimmige Beschlüsse gelten.41 Dies greift nicht nur die regelmäßige Beurkundungspraxis bei einstimmigen Beschlüssen in physischen Versammlungen auf, nach der statt des Verfahrens nach den §§ 36, 37 BeurkG auf der Grundlage der §§ 8 ff. BeurkG beurkundet wird,42 sondern ist auch konsequent, da damit bei streitigen Verfahren sämtlichen Beteiligten weiter nur im Präsenzverfahren die Möglichkeit zu Rede und Gegenrede43 gegeben ist. Der RefE rechtfertigt die Einbeziehung der einstimmig beschlossenen Satzungsänderung in das Online-Verfahren im Übrigen mit strukturellen Erwägungen, da diese Beschlüsse sich konzeptionell auf Regelungen beziehen, welche auch Gegenstand der GmbH Gründung sind.44 Zulässig ist zudem die Online-Beurkundung eines einstimmigen Beschlusses über die Erhöhung des Stammkapitals und die Übernahmeerklärung. Allerdings ist wie bei Sachgründungen bei Sachkapitalerhöhungen sowie bei Barkapitalerhöhungen mit Sachagio eine Online-Beurkundung normativ ausgeschlossen, wenn sich eine Beurkundungspflicht aus anders ausgerichteten Vorschriften ergibt.45 Gleichermaßen können Zustimmungsbeschlüsse zu Unternehmensverträgen nicht in die elektronische Niederschrift mit aufgenommen werden.46

3. Erleichterungen bei Online-Anmeldungen

Der durch das DiRUG neu geschaffene § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. beschränkt den personellen Anwendungsbereich der öffentlichen Beglaubigung mittels Videokommunikation gem. § 40a BeurkG n.F. derzeit auf Einzelkaufleute, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie auf Zweigniederlassungen der vorstehend genannten Gesellschaftsformen oder von EU-/ EWR-Auslands-Kapitalgesellschaften. Der RefE wird mit der vorgesehenen Ausweitung des Online-Beglaubigungsverfahrens auf das gesamte Handels-, Genossenschafts- und Vereinsregisterrecht den berechtigten Wünschen der Praxis und Literatur gerecht. Bereits im Entwurfsstadium des DiRUG erschien es nicht nachvollziehbar, dass die Notare und Registergerichte die technischen Voraussetzungen für Handelsregisteranmeldungen im Wege der Online-Beglaubigung schaffen, dies jedoch nicht rechtsformübergreifend möglich sein sollte.47 Insbesondere die GmbH & Co. KG wurde hier berechtigterweise als Beispiel für eine gebotene Ausweitung des § 12 HGB n.F. benannt.48 Schließlich ist es ab 01.08.2022 möglich, Handelsregisteranmeldungen betreffend GmbH im Wege der Online-Beglaubigung vorzunehmen. Die gem. § 108 HGB anmeldepflichtigen Gesellschafter der zugehörigen Kommanditgesellschaft sind aufgrund der verabschiedeten Neuregelung durch das DiRUG hingegen auf die Präsenzbeglaubigung bei den Notaren verwiesen, da § 12 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. Personen(handels)gesellschaften gerade nicht aufführt.

Nachdem auch der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages die Ausdehnung des Online-Beglaubigungsverfahrens auf Personengesellschaften und Genossenschaften im Speziellen und im Übrigen generell die Prüfung einer Erweiterung des Anwendungsbereichs notarieller
Online-Verfahren im Allgemeinen in seiner Beschlussempfehlung zur Annahme des DiRUG gefordert hatte,49 setzt der vorliegende RefE diese Empfehlung konsequent um und lässt die Online-Beglaubigung rechtsformunabhängig im gesamten Handels-, Genossenschafts- und Vereinsregisterrecht zu. Dies ist aufgrund der durch das Onlineverfahren bei Verwendung des Videokommunikationssystems der Bundesnotarkammer nicht eingeschränkten Funktion der öffentlichen Beglaubigung zu begrüßen. Schließlich dient die öffentliche Beglaubigung zuvörderst dem Beweis, dass eine mit Unterschrift versehene Erklärung auch tatsächlich von dem Erklärenden herrührt.50 Für die Beteiligten des Beglaubigungsverfahrens ergibt sich aus der Online-Beglaubigung insoweit kein abgesenktes Schutzniveau. Denn durch die Anforderungen des § 16c BeurkG n.F. an die Identitätsfeststellung ist gewährleistet, dass sich die Notare aufgrund besonders zuverlässiger Identifizierungsmittel Gewissheit von der Person der Beteiligten verschaffen können. Jedenfalls bei Fremdentwürfen ist die notarielle Prüfungspflicht nach § 40 Abs. 2 BeurkG zudem auf das Bestehen von Gründen für die Versagung einer Amtstätigkeit beschränkt. Auch der erweiterte Pflichtenkreis der Notare bei Eigenentwürfen, insbesondere die umfassende Belehrung der Beteiligten,51 sowie die wichtige Filterfunktion des Notars, die der Entlastung der Registergerichte dient,52 werden bei Online-Beglaubigungen genauso umzusetzen sein wie im Präsenzverfahren. Schließlich ändert das verwendete Medium hier nichts an den durch die Notare zu erfüllenden 
Amtspflichten.53 Vor diesem Hintergrund besteht keinerlei Anlass zur Begrenzung des Online-Beglaubigungsverfahrens auf bestimmte Rechtsformen, auch wenn die im RefE vorgesehene überschießende Umsetzung der DigRL mit der Pflicht zur Durchführung eines Notifizierungsverfahrens bei der EUKommission einhergeht.54

4. Virtuelle Gesellschafterversammlung in der GmbH

Durch den RefE soll zudem § 48 Abs. 1 GmbHG mit Wirkung zum 01.08.2022 wie folgt ergänzt werden:

»Versammlungen dürfen auch fernmündlich oder mittels Videokommunikation abgehalten werden, wenn sämtliche Gesellschafter sich damit in Textform einverstanden erklären.«

Entwurfsgebers den Erfahrungen der COVID19-Pandemie sowie dem zunehmenden Austausch mittels elektronischer Kommunikationsmittel und der dadurch eingetretenen Änderung der Lebenswirklichkeit gerecht werden,55 indem das dispositive Gesetzesrecht zur Durchführung von Gesellschafterversammlungen der GmbH erweitert wird. Als Schutzmechanismus und »Wertentscheidung« zugunsten der Präsenzversammlung sieht der Entwurfsgeber insoweit die erforderliche Bestätigung der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in Textform an.56 Im Ergebnis geht es hier um den Minderheitenschutz, denn der Entwurfsgeber betont ausdrücklich, dass das Zustimmungserfordernis in Textform einem Zwang zur Durchführung einer virtuellen Gesellschafterversammlung gerade vorbeugen soll.57

Die Neuerung ist insbesondere im Hinblick auf Gesellschaftsverträge, die eine rein virtuelle oder kombinierte Gesellschafterversammlung nicht ausdrücklich zulassen, und die äußerst knappen Gesellschaftsverträge von im vereinfachten Verfahren gegründeten Gesellschaften zu begrüßen, denn sie schafft Rechtssicherheit hinsichtlich der Möglichkeit zur Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen auch bei Fehlen einer satzungsmäßigen Grundlage hierfür.58 Richtigerweise ist es auch gerade nicht Aufgabe der Rechtsprechung, sondern des Gesetzgebers, die generelle Zulässigkeit einer virtuellen Gesellschafterversammlung zu regeln, und die jüngste Entscheidungdes BGH59 betreffend die Zulässigkeit der Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen ist aufgrund dieser Kompetenzordnung und der weiterreichenden Bedeutung der Angelegenheit eher nicht als generelle Zulassung virtueller Gesellschafterversammlungen anzusehen.60 Nachdem der europäische Gesetzgeber in der DigRL die Einbindung von Musterprotokollgründungen in den Prozess der Online-Beurkundung fordert (vgl. EG 9 und 18 sowie Art. 13h DigRL), ist diese gesetzliche Erweiterung konsequent und richtig, da die Musterprotokolle nach wie vor nur unzureichende Regelungsgehalte aufweisen und die Gesellschafter einer so gegründeten Gesellschaft in verstärktem Maße auf klare gesetzliche Rahmenbedingungen angewiesen sind.61 Richtigerweise betont der Entwurfsgeber daher auch, dass insbesondere die im vereinfachten Verfahren mittels Musterprotokoll gegründeten Gesellschaften voraussichtlich von der gesetzlichen Neuregelung profitieren werden.62 Für die Notare stellt dies gleichwohl keinen Anlass dar, künftig verstärkt Musterprotokollgründungen zu empfehlen, nachdem die Musterprotokolle weitere regulatorische Defizite aufweisen und bei Mehrpersonengründungen unabhängig vom Präsenz bzw. Online-Beurkundungsverfahren regelmäßig nicht empfehlenswert sind.63

Das vom Entwurfsgeber vorgesehene Erfordernis der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zur Durchführung einer virtuellen Gesellschafterversammlung ist zu begrüßen. Gerade für streitige Gesellschafterversammlungen ist es entscheidend, dass die Funktionen einer Gesellschafterversammlung, namentlich der Meinungsaustausch zwischen den Gesellschaftern im Sinne eines ungehemmten Diskurses auch unter Berücksichtigung von Emotionen, Gestik und Mimik der Teilnehmenden, die Zugangs- und Anwesenheitskontrolle sowie die Geheimhaltung der Versammlungsinhalte und die Aufmerksamkeitskontrolle durch den Versammlungsleiter sowie zumutbare Bedingungen für sämtliche Gesellschafter64 gewährleistet werden (sog. Funktionsäquivalenz). Diese
Funktionsäquivalenz mag zwar auch in einer virtuellen Gesellschafterversammlung nicht von vornherein ausgeschlossen sein, sofern sämtliche Gesellschafter diesem Format zustimmen. Das gesetzliche Leitbild der Präsenzversammlung hat sich jedoch bewährt und unter dem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes wäre es verfehlt gewesen,65 eine gesetzliche Abweichungsmöglichkeit hiervon aufgrund einer Mehrheitsentscheidung
zu schaffen. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit, künftig virtuelle Gesellschafterversammlungen durchzuführen, nicht von der Wahrung der weiteren formellen Voraussetzungen einer Beschlussfassung, insbesondere satzungsmäßige Anforderungen sowie nachrangig die §§ 46 bis 51 GmbHG, befreit.66

III. Zusammenfassende Würdigung

Die Digitalisierung im Gesellschaftsrecht bleibt ein spannender, stetiger Prozess. Das Konzept des RefE ist trotz bestehender Bedenken, ob angesichts der mit einer Sacheinlage einhergehenden Bewertungs- und Prüfungsfragen eine Ausweitung der Online-Beurkundung auf derartige Konstellationen sachgerecht erscheint, in sich schlüssig.

Der praktische Anwendungsbereich des notariellen Online-Beurkundungsverfahrens als Ausnahmeprozess wird zunächst begrenzt bleiben. Den Urkundsbeteiligten dürfte derzeit auch nicht zu empfehlen sein, komplexe Vorgänge im Rahmen einer Sachgründung mittels Videokommunikation zu beurkunden. Auch wenn der Entwurfsgeber hier die Komplexität mancher Sachgründungsvorgänge nicht vor Augen gehabt haben mag, können (und müssen) die Notare im Rahmen ihrer Beratungs- und Belehrungspflichten auch auf die Vorund Nachteile eines Online-Gründungsverfahrens hinweisen. Für komplexe Vorgänge wird auch in Zukunft das Präsenzverfahren als gesetzliches Leitbild der notariellen Beurkundung empfehlenswert bleiben. Gleichwohl dürften die Notare aufgrund der Regelung in § 16a Abs. 2 BeurkG n.F. nur dann zur Verweigerung einer Online-Beurkundung berechtigt sein, wenn die Erfüllung der notariellen Amtspflichten nicht
gewährleistet ist.67 Die Verantwortung für die rechtssichere Ausgestaltung des Online-Beurkundungsverfahrens lag und liegt weiterhin bei den Notaren. Bei Sachgründungen wird es daher in Zukunft darauf ankommen, dass die Notare sich ihrer Amtspflichten im Online-Beurkundungsverfahren besonders bewusst sind und diese vermeintlich effiziente Art der Beurkundung nicht zu einem Herabsinken des Qualitätsanspruchs, insbesondere der Beratung und Belehrung, führt.

Beurkundungsverfahrensrechtliche Fragestellungen, etwa zur Umsetzung der eingeschränkten Verlesungspflicht gem. § 14 BeurkG, werden innerhalb des Zeitraums bis zum Inkrafttreten der Neuregelung zur Online-Beurkundung der Sachgründung hoffentlich einer Klärung durch den Gesetzgeber zugeführt und technisch in dem Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer abgebildet. Der Gesetzgeber wird im Übrigen im Rahmen der Evaluation des DiRUG die Erfahrungen der Praxis, insbesondere der Notariate,68 mit den neuen Verfahren berücksichtigen und hoffentlich den eingeschlagenen Weg einer Ausweitung digitaler Instrumente im Gesellschafts- und Beurkundungsrecht mit Augenmaß weiterverfolgen.

Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Online-Beglaubigung ist uneingeschränkt zu begrüßen. Auch wenn sich der Gesetzgeber mit dem DiRUG im Rahmen des durch die DigRL vorgegebenen Regulierungsrahmens hielt – und der RefE diesen nunmehr überschreitet – entsprach der bisherige Rechtszustand nicht den Bedürfnissen der Praxis.

Im Übrigen gilt nicht nur bezogen auf Satzungsänderungen, sondern generell bzgl. Gesellschafterversammlungen, dass streitige gesellschaftsrechtliche Sachverhalte nach wie vor der Präsenzversammlung vorbehalten bleiben sollten, da über die Zwischenschaltung medialer Systeme einzelne Gesellschafter möglicherweise Nachteile zu befürchten hätten.


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* Dr. Andreas Blunk, MLE, ist Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Lehrbeauftragter an der Leibniz-Universität Hannover im Bereich German Corporate Law sowie Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH; Julian Monden ist als Rechtsanwalt im Bereich Corporate/M&A bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig.

1 Vgl. dazu Blunk/Monden ZdiW 2021, 74; Heckschen/Knaier NZG 2021, 1093; Kienzle DNotZ 2021, 590; Wälzholz/Blunk GmbH-Handbuch, Teil I. Abschn. 3, Stand: Februar 2022, Rn. 295.8.
2 Blunk/Monden ZdiW 2021, 74; Heckschen/Knaier NZG 2021, 1093; Kienzle DNotZ 2021, 590; Wälzholz/Blunk (s. Fn. 1), Rn. 295.8.
3 Begr. RegE zum Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (Di-RUG), BT-Drucks. 19/28177, S. 113.
4 Blunk/Monden ZdiW 2021, 74; kritisch dazu unter Verkennung der Reichweite und erheblichen Bedeutung der notariellen Beratungsfunktion in der Praxis – Berger/Brem GWR 2021, 413, 415.
5 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 19/30523, S. 99.
6 Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode, S. 111 – abrufbarunter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/ 974430/1990812/04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1 [03.05.2022].
7 Abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefEDigitalisierungsrichtlinie.pdf;jsessionid=790096CA8CBDF9EB38D2D1AC9F55D71B.1_cid334?blob=publicationFile&v=2 [03.05.2022].
8 Begr. RefE, S. 9.
9 J. Schmidt ZIP 2021, 112, 113; so bereits Knaier GmbHR 2018, 560, 565; Bormann/Stelmaszczyk NZG 2019, 601, 606; Kindler/Jobst DB 2019, 1550, 1554; Lieder NZG 2018, 1081, 1085; Teichmann ZIP 2018, 2451, 2453; Teichmann/Götz ZEuP 2019, 260, 284; Blunk/Monden ZdiW 2021, 74; Wälzholz/Blunk (s. Fn. 1), Rn. 295.8.
10 Begr. RefE, S. 21.
11 Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.06.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht.
12 Begr. RefE, S. 16, zu Recht kritisch Lieder, ZRP 2022, 102, 103.
13 Vgl. insoweit auch Kienzle notar 2022, 67.
14 Begr. RefE, S. 10.
15 Begr. RefE, S. 9.
16 Begr. RefE, S. 9.
17 BReg, Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, Weiterentwicklung 2021, S. 93, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/998194/1875176/3d3b15cd92d0261e7a0bcdc8f43b7839/deutsche-nachhaltigkeitsstrategie-2021-langfassung-download-bpa-data.pdf [03.05.2022].
18 Überblick etwa bei Freitag, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 3, 5. Aufl. 2018, § 9.
19 Kritisch insoweit schon Blunk/Monden ZdiW 2021, 74, 78; Meier/Szalai ZNotP 2021, 306, 316 (»besonders komplex und risikobehaftet«); Stelmaszczyk/Kienzle GmbHR 2021, 849, 851; auf die grds. Richtigkeit des zunächst beschränkten Anwendungsbereichs weisen auch Heckschen/Knaier NZG 2021, 1093, 1095 hin; kritisch auch Kindler DB 2021, M4–M6; für eine Ausweitung nach einer Erprobung des Online-Beurkundungsverfahrens und Optimierung der Technik hingegen J. Schmidt ZIP 2021, 112, 117.
20 Begr. RefE, S. 19.
21 Freiherr v. Proff DStR 2016, 2227, 2236.
22 Vgl. hierzu auch OLG Celle, Hinweisbeschluss v. 30.06.2021, 3 U 72/21, NZG 2022, 26, 27 f., nach dem auch nach dem sog. Januar-Urteil des BGH v. 08.01.2019 (II ZR 364/18) die notarielle Beurkundung eines Gesellschafterbeschlusses über ein Gesamtvermögensgeschäft nach wie vor den sichersten Weg darstelle, den der Notar zu empfehlen habe, wenngleich die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH 15.02.2022, II ZR 235/20, ZIP 2022, 746 ff.) zur analogen Anwendung des § 179a AktG hier erfreulicherweise in eine andere Richtung weist.
23 Scheller GmbHR 2022, R101 ff., vgl. auch Wicke, GmbHR 2022, 516, 518.
24 Scheller GmbHR 2022, R101, R102.
25 So schon Heckschen/Knaier NZG 2021, 1093, 1095; Scheller GmbHR 2022, R101, R102; kritisch Stelmaszczyk/Kienzle GmbHR 2021, 849, 853; Kienzle notar 2022, 67, 68.
26 So zum DiRUG zutreffend Stelmaszczyk/Kienzle GmbHR 2021, 849, 852.
27 Vgl. auch Heckschen/Knaier NZG 2021, 1093, 1095 unter Hinweis auf die RegB zum DiRUG, BT-Drucks. 19/28177, S. 161.
28 BT-Drucks. V/3282, S. 31.
29 BT-Drucks. 13/11034, S. 41.
30 BeckOK BeurkG/Bremkamp, 6. Ed. 01.05.2021, BeurkG § 14 Rn. 26; Winkler, BeurkG, 18. Aufl. 2017, § 14 Rn. 41.
31 Winkler (s. Fn. 30), § 14 Rn. 50.
32 BeckOK BeurkG/Bremkamp (s. Fn. 30), § 14 Rn. 26; Winkler (s. Fn. 30), § 14 Rn. 43.
33 Bormann/Stelmaszczyk NZG 2019, 601, 605; Heckschen/Knaier NZG 2021, 1093, 1098; Stelmaszczyk/Kienzle ZIP 2021, 765, 773.
34 Heckschen/Knaier NZG 2021, 1093, 1098.
35 OLG Stuttgart 03.02.2015, 8 W 49/15, GmbHR 2015, 487.
36 Vgl. Heckschen/Knaier NZG 2021, 1093, 1094.
37 Begr. RefE, S. 17.
38 Vgl. dazu die Begr. RefE, S. 18.
39 Begr. RefE, S. 18.
40 Begr. RefE, S. 20.
41 Dafür bereits Teichmann GmbHR 2021, 1237, 1245.
42 Begr. RefE, S. 20.
43 Auf diese bedeutende Funktion weisen auch Heckschen/Hillser ZIP 2022, 461, 463 zutreffend im Zusammenhang mit der virtuellen Gesellschafterversammlung hin.
44 Begr. RefE, S. 19.
45 Begr. RefE, S. 20.
46 Begr. RefE, S. 20.
47 Bock RNotZ 2021, 326, 333; Kienzle DNotZ 2021, 590, 607; Knaier GmbHR 2021, 169, 172; J. Schmidt, ZIP 2021, 112, 118; Stelmaszczyk/Kienzle GmbHR 2021, 849, 861; Stelmaszczyk/Kienzle ZP 2021, 765, 775.
48 Bock RNotZ 2021, 326, 333; Knaier GmbHR 2021, 169, 172; zustimmend Stelmaszczyk/Kienzle ZP 2021, 765, 775.
49 BT-Drucks. 19/30523, S. 99.
50 BeckOK BGB/Wendtland, 61. Ed. 01.02.2022, BGB § 129 Rn. 1.
51 BeckOK BeurkG/Boor, 6. Ed. 01.11.2021, BeurkG § 40 Rn. 30.
52 Richtig insoweit J. Schmidt ZIP 2021, 112, 118.
53 So auch Linke NZG 2021, 309, 312.
54 Begr. RefE, S. 10.
55 Hierzu auch Heckschen/Hilser ZIP 2022, 461 f.
56 Begr. RefE, S. 18.
57 Begr. RefE, S. 18.
58 Begr. RefE, S. 19; ausführlich zur virtuellen Gesellschafterversammlung Heckschen/Hilser ZIP 2022, 461 ff.; zur bestehenden Rechtsunsicherheit auch Schindler/Schaffner, Virtuelle Beschlussfassung in Kapitalgesellschaftenund Vereinen, 2021, § 3 Rn. 475 ff., 481 ff.
59 BGH 05.10.2021, II ZB 7/21, NZG 2021, 1562 ff.
60 So etwa Heckschen/Hilser ZIP 2022, 461, 470 zum Beschluss des BGH v. 0510.2021, II ZB 7/21, NZG 2021, 1562 ff.
61 Kritisch zu den Musterprotokollen im Verfahren der Online-Beurkundung: Blunk/Monden ZdiW 2021, 74, 77; Bock RNotZ 2021, 326, 334; J. Schmidt ZIP 2021, 112, 117: »Guten Gewissens wird man daher auch eine Online-Gründung mittels Musterprotokoll allenfalls bei Einpersonengesellschaften in Erwägung ziehen können.«; wohl auch Stelmaszczyk/Kienzle ZIP 2021, 765, 766; Teichmann GmbHR 2021, 1237, 1246.
62 Begr. RefE, S. 19.
63 So zutreffend etwa Wachter in: Münchener Anwaltshandbuch GmbHRecht, 4. Aufl. 2018, § 4 Rn. 36 ff.
64 Heckschen/Hilser ZIP 2022, 461, 463 ff.
65 Vgl. auch die Begr. RefE, S. 18, in der von einer »Wertentscheidung« zugunsten der Präsenzversammlung bei streitigen/diskussionsbedürftigen Sachverhalten die Rede ist.
66 So zur über Art. 2 § 2 COVMG eröffneten Möglichkeit der Durchführung virtueller Gesellschafterversammlungen ausdrücklich LG Stuttgart 25.01.2021, 44 O 52/20 KfH, NZG 2021, 598, 599; vgl. auch LG Hamburg 09.06.2020, 412 HKO 78/20, BeckRS 2020, 12073.
67 Auf den Ausnahmecharakter einer solchen Ablehnung weisen etwa Bock RNotZ 2021, 326, 329; Stelmaszczyk/Kienzle GmbHR 2021, 849, 853; Stelmaszczyk/Kienzle ZIP 2021, 765, 771 und J. Schmidt ZIP 2021, 112, 114, hin.
68 Vgl. auch Teichmann GmbHR 2021, 1237, 1245.

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